Ensi weist Greenpeace-Eingabe ab

Das Eidgenössische Nuklearsicherheitsinspektorat (Ensi) hat eine Eingabe der Greenpeace Schweiz abgewiesen, wonach es nach dem Reaktorunfall vom 11. März 2011 im japanischen Kernkraftwerk Fukushima-Daiichi unrichtige Informationen verbreitet und in widerrechtlicher Weise die Durchsetzung einer Verordnung unterlassen habe. Die Greenpeace Schweiz hatte das Rechtsbegehren im Namen von drei Anwohnern des Kernkraftwerks Mühleberg gestellt.

14. Okt. 2011
Die Karte zeigt die Kontamination der Umgebung von Tschernobyl (links) und Fukushima (rechts) jeweils etwa einen Monat nach dem Unfall.
Die Karte zeigt die Kontamination der Umgebung von Tschernobyl (links) und Fukushima (rechts) jeweils etwa einen Monat nach dem Unfall.
Quelle: Ensi

Die Greenpeace Schweiz warf in ihrer Eingabe vom 23. August 2011 dem Ensi vor, gegen die Pflicht zu wahrheitsgemässer Information verstossen zu haben, als es nach dem Reaktorunfall von Fukushima-Daiichi behauptete, in Tschernobyl seien «mindestens 100 Mal mehr schädliche Stoffe in die Atmosphäre (gelangt) als jetzt in Japan». Diese Aussage von Georg Schwarz, stellvertretender Direktor des Ensi, hatte die «Schweizer Illustrierte» am 14. März, drei Tage nach dem Reaktorunfall veröffentlicht. Das Ensi müsse diese Behauptung korrigieren, da sie falsch sei, forderte die Greenpeace Schweiz.

Öffentlichkeit laufend informiert

Das Ensi weist den Vorwurf der Falschinformation zurück. Nach neusten Berechnungen wurden vom 11. März bis zum 5. April 2011 in Fukushima rund 7,7 x 1017 Becquerel Radioaktivität freigesetzt, schreibt das Ensi in seiner Verfügung vom 29. September 2011, der allergrösste Teil davon nach dem 14. März und damit nach dem Erscheinen der «Schweizer Illustrierte» mit der aktuellen Lageeinschätzung.

Der Gesamtausstoss an Radioaktivität beim Reaktorunfall von Fukushima entspreche nach heutigem Wissen rund 6% der in Tschernobyl freigesetzten Menge. «Damit wird der von Georg Schwarz angegebene Zahlenwert, der sich auf die Freisetzungen der ersten drei Tage des Unfalls bezieht, nicht nur grössenordnungsmässig bestätigt, sondern auch absolut», heisst es in der Verfügung: «Von einer Falschinformation oder gar einem Verstoss gegen die Pflicht zu wahrheitsgemässer Information seitens des Ensi kann keine Rede sein.» Das Ensi habe die Öffentlichkeit laufend informiert und seine Beurteilungen der Aktualität angepasst.

Klare Kriterien für die Ausserbetriebnahme

Im zweiten Teil der Eingabe warf die Greenpeace dem Ensi vor, falsche Behauptungen zur Anwendung der Ausserbetriebnahmeverordnung für Kernkraftwerke gemacht zu haben und sich mit einem Trick um die Durchsetzung der Verordnung zu drücken. In der Verfügung vom 29. September 2011 widerlegt das Ensi diese Vorwürfe und stellt klar, unter welchen rechtlichen Voraussetzungen die Ausserbetriebnahme eines Schweizer Kernkraftwerks angeordnet werden kann: wenn eine unmittelbare Gefahr droht (Art. 72 Abs. 3 des Kernenergiegesetzes) oder wenn die Überprüfung der Auslegung eines Kernkraftwerks gezeigt hat, dass die Strahlenschutzgrenzwerte nicht eingehalten werden (Art. 3 der Ausserbetriebnahmeverordnung).

Das Ensi ordnete nach dem Reaktorunfall in Fukushima-Daiichi mit Verfügungen vom 18. März, 1. April und 5. Mai 2011 eine solche Überprüfung der Auslegung der Schweizer Kernkraftwerke an. Konkret müssten die Kernkraftwerke zeigen, dass sie gegen Extrem-Hochwasser, schwere Erdbeben und eine Kombination von beidem gewappnet seien und keine unzulässige Radioaktivität freigesetzt würde. Während der Überprüfung dürften die Kernkraftwerke weiter betrieben werden.

Für eine vorsorgliche Abschaltung bestehe keine gesetzliche Grundlage, ausgenommen, es gebe einen konkreten Anlass zur Befürchtung, dass in naher Zukunft ein Störfall mit möglichen Folgen für Menschen und Umwelt eintreten könnte, also eine unmittelbare Gefahr drohe. In diesem Fall könne das Ensi gemäss Kernenergiegesetz die Abschaltung eines Kernkraftwerks verfügen. Wenn in einem anderen Kernkraftwerk auf der Welt – wie im japanischen Fukushima – ein Ereignis eintrete, bedeute dies aber noch keine unmittelbare Gefahr in Bezug auf die schweizerischen Kernkraftwerke. Ebenso bedeute die Verfügung von Nachrüstmassnahmen nicht, dass eine unmittelbare Gefahr drohe, sondern dass Verbesserungspotenzial erkannt worden sei.

Gestaffelte Nachweise

Den ersten Nachweis zum Hochwasserschutz haben alle Kernkraftwerks-Betreiber fristgerecht bis zum 30. Juni 2011 erbracht. Die Nachweise zur Beherrschung eines schweren Erdbebens sowie der Kombination von Erdbeben und Versagen der Stauanlagen im Einflussbereich der Kernkraftwerke sind bis zum 31. März 2012 fällig. Weiter verfügte das Ensi am 1. Juni 2011 auch die Teilnahme am EU-Stresstest. Den Bericht zum EU-Stresstest müssen die Betreiber bis 31. Oktober 2011 einreichen.

Die Eingabe der Greenpeace Schweiz im Namen von drei Anwohnern des Kernkraftwerks Mühleberg stützt sich auf das Bundesgesetz über das Verwaltungsverfahren (VwVG). Demnach kann, wer ein schutzwürdiges Interesse hat, von einer Behörde verlangen, dass sie widerrechtliche Handlungen unterlässt, einstellt oder widerruft, die Folgen widerrechtlicher Handlungen beseitigt oder die Widerrechtlichkeit von Handlungen feststellt. Die Behörde – im vorliegenden Fall das Ensi – entscheidet über die Eingabe durch Erlass einer Verfügung.

Quelle

M.A. nach Ensi, Medienmitteilung, 6. Oktober 2011

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