Italien auf dem langen Weg zur Kernenergie-Renaissance

Vor 20 Jahren beschloss Italien den Ausstieg aus der Kernenergie. Doch nachdem dieser weitgehend vollzogen worden ist, werfen umwelt- und wirtschaftspolitische Überlegungen in unserem südlichen Nachbarland die Frage nach den Möglichkeiten und Chancen für einen Wiedereinstieg auf.

20. März 2007
Anders Jörle (links) im Gespräch mit Konferenzteilnehmern (rechts Michael Schorer vom Nuklearforum Schweiz).
Anders Jörle (links) im Gespräch mit Konferenzteilnehmern (rechts Michael Schorer vom Nuklearforum Schweiz).
Quelle: Nuklearforum Schweiz

Ist das Land, das einen Enrico Fermi hervorbrachte, heute noch in der Lage, einen Beitrag zur Entwicklung der Kernenergie zu leisten und an deren Nutzung teilzuhaben? 1987 beschloss das italienische Parlament mit überwältigender Mehrheit den Ausstieg aus der Kernenergie, der seither sowohl von Mitte-Links- wie auch Mitte-Rechts-Regierungen konsequent vorangetrieben wurde. Die oben aufgerufene Frage stellte sich vor diesem Hintergrund an einem Symposium über die Kernenergiedebatte in Italien im Rahmen der diesjährigen «PIME», die vom 11.-15. Februar 2007 in Mailand stattfand. Die «PIME» (International Conference on Public Information Materials Exchange), ist eine von der European Nuclear Society (ENS) organisierte Konferenz der Kommunikationsfachleute der Kernenergiebranche.

Einheimisches Wissen noch vorhanden

Stephano Reynaud von der Associazione Italiana Nucleare (AIN) beantwortete die Eingangsfrage angesichts der in Italien immer noch vorhandenen nuklearen Kompetenzen grundsätzlich positiv. So gewährleiste die für den Rückbau der vier stillgelegten italienischen Reaktoren zuständige staatliche Gesellschaft SOGIN (Società Gestione Impianti Nucleari SpA), dass die einheimische Kompetenz sowohl in den regulatorischen Bereichen als auch bezüglich des Transports und der Bewirtschaftung radioaktiver Abfälle hoch bleibt. Auch in der Wissenschaft könne Italien dank den nuklearen Forschungsprogrammen der staatlichen italienischen Forschungsanstalt ENEA (Ente per le Nuove tecnologie, l'Energia e l'Ambiente) mithalten.

Italienische Unternehmen müssen sich hingegen im Ausland umsehen, wollen sie sich am Unterhalt und Bau von Kernkraftwerken beteiligen. Reynaud erwähnte beispielsweise Firmen der Camozzi-Gruppe, die sich unter anderem am Bau des rumänischen Kernkraftwerks Cernavoda-2 (655 MW, PHWR-Candu) beteiligen oder Hauptlieferanten für den Dampferzeuger-Austausch im US-Kernkraftwerk Palo Verde sind. Die grösste Herausforderung sieht Reynaud beim Wissenstransfer an die nächste Generation von Fachkräften. So müsse SOGIN heute auch auf die Erfahrung von pensioniertem Fachpersonal zurückgreifen.

Dem steht der künftige Energiebedarf Italiens gegenüber. Roberto Poti, Direktor New Initiatives beim Energielieferanten Edison, schätzte die erforderliche Kraftwerksleistung im Jahr 2030 auf 36'000 MW. Davon sollten laut Poti 10'000 MW bis 15'000 MW in Kernkraftwerken bereitgestellt werden, um die beunruhigend hohe Abhängigkeit Italiens von fossilen Treibstoffen zu verringern und die Kyoto-Vereinbarung einzuhalten. Im Jahr 2004 erzeugte Italien 58% des inländischen Stroms mit fossilen Brennstoffen (38% Erdgas, 20% Erdöl) und deckte 90% seines Gesamtenergieverbrauchs mit Importen (im Vergleich zum Durchschnitt der EU-Staaten von 40%). Limitierend für neue Kernkraftwerke im Land sei nicht die technisch-wissenschaftliche Kompetenz, bestätigte Poti seinen Vorredner. Bezüglich der Akzeptanz und des Wissensstandes in der Bevölkerung verbleibe aber noch ein langer Weg. Dabei gehe es in erster Linie darum, einen europaweit koordinierten Prozess für die Bewirtschaftung radioaktiver Abfälle zu entwickeln und transparent zu machen.

Öffentliche Akzeptanz und politischer Wille als Schlüssel für die Renaissance

In dieselbe Kerbe schlug Alessandro Clerici vom World Energy Council (WEC). Er sieht den Schlüssel für eine echte Renaissance der Kernenergie in Italien und in vielen anderen europäischen Staaten ebenfalls in der öffentlichen Akzeptanz. Eine unter seiner Leitung durchgeführte Studie des WEC mit dem Titel «The future role of nuclear power in Europe» kommt unter anderem zum Schluss, dass die nukleare Gemeinschaft es in den vergangenen Jahren weitgehend verpasst hat, der Bevölkerung die Fakten über die Sicherheit der Kernenergie zu kommunizieren.

«Worte, nichts als Worte» hört hingegen Giovan Battista Zorzoli in der italienischen Kernenergiepolitik. Der Vertreter der italienischen Sektion der International Solar Energy Society (Ises) gab einen Überblick über den Auf- und Abbau des zivilen Nuklearprogramms in Italien, verdeutlicht am Beispiel des Reaktors Caorso-1, der 1969 ans Netz ging und dessen Rückbau in den nächsten Monaten abgeschlossen wird. Zorzoli brachte damit zum Ausdruck, dass es in Italien in der Vergangenheit vor allem auch am politischen Willen fehlte, der Kernenergie eine zweite Chance zu geben, und drückte wenig Hoffnung aus, dass sich daran in nächster Zeit etwas ändern könnte.


Forsmark: Schwächen in der Kommunikation

Das Ereignis im Kernkraftwerk Forsmark-1 vom 25. Juli 2006 hat Schwächen in der Kommunikation der Haupteigentümerin Vattenfall und der schwedischen Behörde mit der Öffentlichkeit zu Tage gefördert. Dies räumte Anders Markgren, Informationschef der Forsmarks Kraftgrupp AB, an einer Podiumsdiskussion der PIME in Mailand ein. Anders Jörle, Kommunikationschef der schwedischen nuklearen Aufsichtsbehörde Statens Kärnkraftinspektion (SKI), bestätigte bei dieser Gelegenheit nochmals, dass beim Zwischenfall zu keinem Zeitpunkt die Gefahr einer Kernschmelze bestand.

Quelle

R.B., statistische Angaben: Eurostat 2004

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