Medienreise des Nuklearforums nach Norddeutschland

Uran und der Brennstoffkreislauf waren die Themen der zweiten Informationsreise des Nuklearforums in diesem Jahr. Vom 31. Oktober bis 1. November 2007 bot sich Schweizer Medienschaffenden die Möglichkeit, die Uran-Anreicherungsanlage der Urenco Deutschland GmbH in Gronau (Nordrhein-Westfalen) und die Brennelementfabrik der Areva NP in Lingen (Niedersachsen) zu besuchen.

3. Dez. 2007
High-Tech aus 35 Jahren eigener Entwicklung: die Zentrifugen der Urenco-Anreicherungsanlage in Gronau.
High-Tech aus 35 Jahren eigener Entwicklung: die Zentrifugen der Urenco-Anreicherungsanlage in Gronau.
Quelle: Urenco

Begleitet wurde die Reise nach Norddeutschland von zwei Experten, die am Abend des ersten Reisetages mit Vorträgen den Medienschaffenden den nuklearen Brennstoffkreislauf und insbesondere die Funktionsweise des weltweiten Uranmarkts näher brachten: Geoff Varley, Berater der NAC Worldwide Consulting, einer Management-Beratungsfirma, die seit über 30 Jahren für Unternehmen aus allen Bereichen des nuklearen Brennstoffkreislaufs tätig ist, und Tony Williams, Leiter Kernbrennstoffe der Nordostschweizerischen Kraftwerke AG (NOK).

Die mitgereisten Journalisten waren insbesondere an den technischen Details der beiden besuchten Anlagen interessiert; aber auch den Experten stellten sie viele Fragen, woraus während der zwei Tage zahlreiche Gespräche rund ums Thema Uran entstanden.

Der Uranmarkt

Geoff Varley ging in seinem Vortrag auf die Eigenschaften des Uranmarktes ein. Dieser sei ein Rohstoffmarkt wie jeder andere, der durch die grundlegenden Gesetze von Angebot und Nachfrage bestimmt ist, erklärte Varley den Medienschaffenden. Auch dieser Markt werde zusätzlich von Wahrnehmungen, Ungewissheiten und unerwarteten Ereignissen beeinflusst. Während sich diese Steuergrössen schnell änderten, vergehe jedoch beispielsweise von der Exploration einer neuen Uranmine bis zur Produktionsaufnahme viel Zeit. Wichtig für Investitionen seien daher die langfristigen Perspektiven, wobei hier die Politik eine wichtige Rolle spiele.

In einer Hinsicht unterscheide sich der Uranmarkt von den Märkten anderer Rohstoffe: Da es für Uran nur eine relevante Verwendungsmöglichkeit gebe - als Brennstoff zur Stromerzeugung - bestehe eine stärkere gegenseitige Abhängigkeit zwischen Käufern und Verkäufern, so Varley. Das Verhalten dieser beiden Gruppen hat starke Auswirkungen auf den Uranpreis und führe unter Umständen zu grossen Preisschwankungen auf dem Spotmarkt. Allerdings, betonte Varley, sei das physische Handelvolumen auf dem Spotmarkt sehr klein, denn die Kernkraftwerkbetreiber bezögen ihr Uran zum grössten Teil im Rahmen langfristiger bilateraler Lieferverträge. Dadurch bleibe die Liquidität auf dem freien Markt gering und die Preistransparenz beschränkt. Doch trotz der relativ geringen Bedeutung des Spotmarktes für den physischen Uranhandel habe die dortige Preisentwicklung eine - bedauerliche - Signalwirkung auf die Preisgestaltung der Langfristverträge, meinte Varley.

Die Reichweite von Uran

Tony Williams ging in seinem Vortrag näher auf die Rohstoffgewinnung ein. Zur Reichweite von Uran machte Williams deutlich, dass diese entscheidend vom Uranpreis abhänge und sich nur für ein paar Jahrzehnte mit hoher Sicherheit bestimmen lasse. So habe sich die vermutete Reichweite des Urans aus Erzlagerstätten bei einem Preis von USD 130 pro kg metallisches Uran - trotz zunehmenden Verbrauchs - in den letzten zwei Jahrzehnten kaum verändert und liege bei 150 bis 200 Jahren. Der Grund für diese Stabilität sei die Exploration neuer Lagerstätten, sobald ein steigender Uranpreis dies wirtschaftlich interessant mache. Auch die Weiterentwicklung der Reaktortechnik hin zu effizienterem Brennstoffverbrauch verlängere die Reichweite.

Schliesslich wies Williams darauf hin, dass es neben den klassischen Uranerzlagerstätten weitere Quellen von Uran gebe: beispielsweise zurückverdünntes Uran aus militärischen Beständen, die Gewinnung von Uran als Nebenprodukt des Phosphatabbaus, die Urangewinnung aus den Schlacken von Kohlekraftwerken, die Wiederaufarbeitung (inklusive der Verwendung von Mox-Brennstoff) oder die erneute Anreicherung der Rückstände (Tails) aus der Urananreicherung. Werden auch diese Vorräte genutzt, steige die Reichweite beim heutigen Verbrauch auf weit über 500 Jahre. Ab einem genügend hohen Uranpreis könne zudem das im Meerwasser enthaltene Uran genutzt werden. Dass dies möglich sei, hätten die Japaner in der Praxis bereits nachgewiesen. Die Reichweite würde so auf zehntausende von Jahren steigen - dies bei der heutigen Reaktortechnik, also ohne den Einsatz von Schnellen Brütern.

Zusammenfassend kam Williams zum Schluss, dass es auch künftig genügend Uran zu Preisen geben werde, welche die Kernenergienutzung wirtschaftlich machten. Zudem hätten die steigenden Uranpreise in den letzten Jahren zu einer Intensivierung der Exploration geführt - der Markt funktioniere.

Die Anreicherungsanlage in Gronau

Erstes Ziel der Reise war die Anreicherungsanlage der Urenco Deutschland GmbH in Gronau, einer 100%igen Tochter der Urenco Enrichment Company Ltd. mit Sitz in Marlow bei London. Die Urenco-Gruppe verwendet selbst entwickelte Zentrifugen, die aus rund 35 Jahren Entwicklungsarbeit hervorgegangen sind. In Gronau wird Natururan in der Form von Uranhexafluorid (UF6) in Gaszentrifugenkaskaden auf den von den Kernkraftwerken geforderten Wert angereichert.

Die Anlage in Gronau ist seit 1985 in Betrieb und produziert im Verbund mit weiteren Anlagen der Urenco in Almelo (Niederlande) und Capenhurst (Grossbritannien) für Kunden in aller Welt. 1998 erreichte Gronau eine Kapazität von 1000 t Urantrennarbeit pro Jahr (TAE/a). In einer ersten Erweiterung wurde die Anlage bis ins Jahr 2005 auf eine Kapazität von 1800 t TAE/a ausgebaut. Nach einem weiteren, im Februar 2005 behördlich genehmigten Ausbau wird die Kapazität des Werks auf 4500 t TAE/a steigen. Die Inbetriebnahme der neuen Anlagenteile ist für Ende 2007 geplant. Die Investitionen in diese zweite Erweiterung betragen rund EUR 800 Mio. (CHF 1,32 Mrd.). Im Endausbau kann Gronau den Jahresbedarf von etwa 45 Kernkraftwerken der 1000-MW-Klasse decken.

Die Brennelementfabrik in Lingen

Die Advanced Nuclear Fuels GmbH (ANF) in Lingen, die am zweiten Tag besichtigt wurde, ist ein Tochterunternehmen der Areva NP, die ihrerseits zur weltweit tätigen Areva-Gruppe mit Sitz in Paris gehört. An der Areva NP sind die französische Areva SA zu 66% und die deutsche Siemens AG zu 34% beteiligt.

Im Werk Lingen wird das aus der Anreicherung angelieferte UF6 mittels Trockenkonversion zu Uranoxidpulver (UO2) umgewandelt und zu Urantabletten (Pellets) gepresst. Diese werden anschliessend zu fertigen Brennelementen für Leichtwasserreaktoren weiterverarbeitet. Täglich produziert die ANF zwischen 200'000 und 400'000 Pellets.

Seit Aufnahme der Produktion im Jahr 1977 wurden in Lingen über 25'000 Brennelemente gefertigt. Die Fertigungskapazität der Anlage ist durch die atomrechtliche Genehmigung in allen Anlagenteilen auf einen Durchsatz von 650 t (angereichertes) Uran pro Jahr begrenzt. Diese Menge reicht für den Betrieb von rund 30 grossen Kernkraftwerken.

Massgeschneidert für die Kunden: ein ANF-Mitarbeiter bei der Montage der Brennstäbe zum Brennelement in Lingen.
Massgeschneidert für die Kunden: ein ANF-Mitarbeiter bei der Montage der Brennstäbe zum Brennelement in Lingen.
Quelle: ANF

Quelle

M.R.

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