Neue Gesetzgebung für die Kernenergie - was bringt sie?

Der Bundesrat hat Ende 2004 die Kernenergieverordnung (KEV) verabschiedet. Sie ist am 1. Februar 2005, zusammen mit dem bereits im Frühjahr 2003 verabschiedeten Kernenergiegesetz (KEG), in Kraft getreten. Die neue Gesetzgebung bringt einige Verbesserungen, aber auch zusätzliche Einschränkungen für die Kernenergienutzung in der Schweiz.

31. Jan. 2005
Peter Hirt, Präsident Swissnuclear: Neues Kernenergiegesetz unterstreicht Bedeutung der Kernenergie für Schweizer Stromversorgung.
Peter Hirt, Präsident Swissnuclear: Neues Kernenergiegesetz unterstreicht Bedeutung der Kernenergie für Schweizer Stromversorgung.
Quelle: Atel

Kernenergiegesetz ersetzt Atomgesetz

Das bisher geltende Atomgesetz wurde per 1. Februar 2005 durch das neue Kernenergiegesetz (KEG) abgelöst. Die Schweizer Kernenergiebranche erhält damit einen neuen gesetzlichen Rahmen und muss sich mit zahlreichen Änderungen auseinander setzen. Das Erfreuliche gleich vorweg: Im Kernenergiegesetz wird die «Option Kernenergie» als wichtiges Element der Stromversorgung ausdrücklich offen gehalten. Demnach gibt es keine politische, in Jahren festgelegte Lebensdauer. Die Kernkraftwerke bleiben so lange am Netz, wie ihre Sicherheit gewährleistet ist und auch ein Neubau von Kernkraftwerken bleibt möglich. Weitere wesentliche Bestimmungen des KEG sind:

  • Für die Wiederaufarbeitung abgebrannter Brennelemente gilt ab 2006 ein Moratorium.
  • Für neue Kernanlagen wird das fakultative Referendum auf Bundesebene eingeführt.
  • Die Standort- und Nachbarkantone sowie Nachbarstaaten erhalten bei der Vorbereitung eines Rahmenbewilligungsentscheides für neue Kernanlagen ein Mitwirkungsrecht.
  • Bei der Entsorgung radioaktiver Abfälle wird dem Bund verstärkt eine Führungsrolle zugewiesen.
  • Die Finanzierung von Stilllegung und Entsorgung wird mit Fonds geregelt und die Solidarhaftung der KKW-Betreiber wird neu festgelegt.
  • Neu vorgesehen ist die Koordination der Bewilligungsverfahren und Beschwerdemöglichkeiten gegen Bewilligungsentscheide für Kernanlagen durch eine verwaltungsunabhängige Gerichtsbehörde.

Damit bringt das Kernenergiegesetz für die Branche einzelne Verbesserungen (z.B. Entsorgung), aber auch einige Kosten treibende Auflagen (z.B. Solidarhaftung) und zusätzliche Einschränkungen (z.B. Moratorium bei Wiederaufarbeitung).

Kernenergieverordnung - Kurve gerade noch genommen

Die Kernenergieverordnung (KEV) präzisiert verschiedene Bestimmungen des KEG und schafft neues Verordnungsrecht (z.B. betreffend nukleare Güter, Betrieb und Stilllegung von Kernanlagen, Umgang mit radioaktiven Abfällen).
Der erste Entwurf der Kernenergieverordnung ging nach Meinung der Elektrizitätsbranche über den Rahmen des Kernenergiegesetzes hinaus und war so nicht akzeptabel. Sie lehnte deshalb den Vernehmlassungsentwurf ab und verlangte eine umfassende Überarbeitung. Auch die parlamentarischen Kommissionen (Urek-SR und Urek-NR) äusserten sich in der Konsultation im gleichen Sinn. Sie begründeten ihre Haltung damit, dass die vorgelegte Verordnung den Betrieb der Schweizerischen Kernkraftwerke ohne zusätzlichen Gewinn an Sicherheit stark einschränken und verteuern würde. Dies entspreche in keiner Weise dem KEG und dem Volkswillen. Im Lichte der Vernehmlassung wurde die Verordnung schliesslich gründlich überarbeitetet und es konnten aus Sicht der Kernenergiebranche wichtige Verbesserungen erreicht werden.
So wurde beispielsweise die Kernschadenshäufigkeit als Abschaltkriterium für Kernanlagen gestrichen. Dies ist vernünftig, denn ein fixer Wert in der KEV ist nach Auffassung der Branche angesichts der wissenschaftlichen Weiterentwicklung der Berechnungsgrundlagen, der hohen Unsicherheitsmargen sowie der grossen Interpretationsbedürftigkeit ungeeignet. Eine solche Regelung hätte zu Verunsicherung geführt. Die verbleibenden zwei Kriterien zur vorläufigen Ausserbetriebnahme und Nachrüstung von Kernkraftwerken wurden stattdessen mit dem Kriterium der Integrität des Reaktorsicherheitsbehälters ergänzt.
Als weiterer Punkt wurde die Kompetenzverteilung zwischen BFE, HSKund KSAverbessert. Die HSK koordiniert nun die Tätigkeiten der Aufsichtsbehörden und das BFE kann der KSA Aufträge erteilen. Ursprünglich vorgesehene administrative Mehrbelastungen wurden auf ein erträgliches Mass reduziert, sie gehen aber immer noch weiter als die bisher geltenden Anforderungen. Das gleiche gilt für die ausgeweitete behördliche Aufsicht.
Die Rechtssicherheit für die Kernkraftwerke konnte dadurch verbessert werden, dass ergänzende Verordnungen weiterhin nur durch das Departement und nicht wie ursprünglich geplant auch durch die Aufsichtsbehörden erlassen werden können. Zudem ersetzen abschliessende Aufzählungen offene «kann»-Forderungen.
Die Aufsichtsbehörde wird weiterhin mit Richtlinien arbeiten. So bleibt die notwendige Flexibilität als Voraussetzung für ein Optimum an Sicherheit gewährleistet.
Im Bereich der Kernbrennstoffe wurden gewisse Betriebsbehinderungen (Eigenbedarf von Vermittlung ausgenommen) reduziert.
Der Forderung nach einer besseren Abstimmung mit der Raumplanung, insbesondere im Bereich der Entsorgung radioaktiver Abfälle, trägt die KEV im neuen Artikel 5 «Sachplan geologische Tiefenlager» Rechnung. Das im Bereich der Kernenergie neue Instrument des Sachplans legt Ziele und Vorgaben für die geologischen Tiefenlager verbindlich fest. Es ist zu hoffen, dass mit diesen politisch verbindlich festgelegten Kriterien die Entscheidungsfindung für einen Tiefenlagerstandort in einem verbindlichen und zeitgerechten Prozess stattfinden wird.
Der Verweis auf die im KEG festgeschriebene Nachrüstungspflicht ergänzt die Bestimmung über Nachrüstungen bestehender Kernkraftwerke. Damit präzisiert die KEV, dass die gesetzlich definierten Sicherheitsvorschriften grundsätzlich auch für bestehende Kernkraftwerke gelten.
Kernanlagen mit geringem Gefährdungspotential (z.B. kleinere Forschungsreaktoren) sind gemäss KEG von der Rahmenbewilligungspflicht ausgenommen. Im Vernehmlassungsentwurf war die entsprechende Verordnungsbestimmung missverständlich formuliert. Die nun vorliegende Bestimmung hält fest, dass der Bau grösserer Reaktoren in jedem Fall rahmenbewilligungspflichtig ist.
Gleichzeitig mit der Kernenergieverordnung und dem Kernenergiegesetz wurde am 1. Februar 2005 auch die vom Bundesrat bereits im Herbst 2004 verabschiedete Safeguardsverordnung in Kraft gesetzt. Diese setzt das zwischen der Schweiz und der Internationalen Atomenergieorganisation (IAEO) abgeschlossene Abkommen um.
Zur Umsetzung des KEG sind neben der KEV weitere neue Verordnungen nötig, zum Beispiel betreffend die Anforderungen an das Personal sowie die Betriebswachen der Kernanlagen, die Sicherheit von Druckgeräten, die Personensicherheitsprüfungen und die Klassifizierung von Informationen im Bereich Kernanlagen. Diese Entwürfe werden voraussichtlich Mitte 2005 in die Vernehmlassung geschickt.

Weitere Entscheide im Kernenergiebereich

Ende 2004 traf der Bundesrat weitere für die Kernenergie wichtige politische Entscheide. Dies sind:

  • Die Erteilung der unbefristeten Betriebsbewilligung für das Kernkraftwerk Beznau-2.
  • Die Änderung der Betriebsbewilligungen für das Bundeszwischenlager.
  • Die Bewilligung zur Entnahme und Einleitung von Kühlwasser beim Kernkraftwerk Leibstadt.
  • Die Aufhebung der atomrechtlichen Aufsicht für den Reaktor Lucens.

Alle diese Entscheide sind aus Sicht der Kernkraftwerkbetreiber als positiv und erfreulich zu werten. Sie unterstützen den sicheren Weiterbetrieb der bestehenden Anlagen.

Fazit

Die Schweizer Kernenergie erhält mit dem Kernenergiegesetz und der dazugehörigen Verordnung eine neue Rechtsgrundlage. Die neue Gesetzgebung ist einerseits strenger als das bisher geltende Atomgesetz. Insbesondere werden sich einige der neuen Bestimmungen Kosten treibend und für den Betrieb der Kernkraftwerke als umständlich erweisen. Dennoch: Das neue Kernenergiegesetz und die dazugehörige Verordnung enthalten für die Schweizer Kernenergiebranche auch positive Elemente. So machen sie deutlich, dass die Kernenergie für die Stromversorgung der Schweiz von zentraler Bedeutung ist. Der Gesetzesrahmen gewährleistet deshalb den sicheren Weiterbetrieb der bestehenden Anlagen und lässt grundsätzlich die Möglichkeit offen, allenfalls neue Kernkraftwerke zu bauen. Von den neuen Regelungen im Bereich der Entsorgung dürfen positive Impulse erwartet werden, denn die Politik wird hier vermehrt in die Pflicht genommen.
Noch wird sich zeigen müssen, wie sich KEG und KEV in der Praxis bewähren. Oberstes Ziel der Kraftwerksbetreiber ist es, die Sicherheit in den Werken zu gewährleisten. Diese Aufgabe obliegt den Mannschaften in den Kraftwerken. Es ist deshalb wichtig, dass sie ihre Arbeit auch im Rahmen der neuen Gesetzgebung nach fachmännischen Kriterien und ohne übermässige bürokratische Belastung reibungslos erledigen können.

Quelle

Peter Hirt

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