Neues Phänomen der Radioaktivität beobachtet

Forschern der Technischen Universität Darmstadt ist es mit neu entwickelten Gammastrahlungsdetektoren erstmals gelungen, ein äusserst schwierig beobachtbares radioaktives Phänomen – den Doppelgammazerfall – zu beobachten, das nur bei etwa jedem Millionsten Gammazerfall stattfindet.

2. Nov. 2015
Prof. Norbert Pietralla, Prof. Thomas Aumann und PD Dr. Heiko Scheit (von links) am sogenannten GALATEA array zur Messung von Gammastrahlung.
Prof. Norbert Pietralla, Prof. Thomas Aumann und PD Dr. Heiko Scheit (von links) am sogenannten GALATEA array zur Messung von Gammastrahlung.
Quelle: Karin Binner

Ein energetisch angeregter Atomkern sendet beim radioaktiven Zerfall in den Grundzustand spontan ionisierende Strahlung aus, meist genau ein Teilchen oder ein Photon eine Art. Äusserst selten kommt es vor, dass ein Atomkern zum exakt gleichen Zeitpunkt zwei identische Teilchen oder Photonen emittiert. Dies war bisher nur für den doppelten Betazerfall beobachtet worden, bei dem gleichzeitig zwei Elektronen und zwei Antineutrinos oder ihre Antiteilchen emittiert werden.

Den analogen Prozess mit zwei gleichen hochenergetischen Gammaphotonen hatte die spätere Nobelpreisträgerin Maria Göppert-Mayer schon 1930 vorhergesagt. Den Kernphysikern gelang es bisher nur, den Doppelgammazerfall in drei speziellen Fällen nachzuweisen, bei denen der einfache Gammazerfall gemäss quantenmechanischen Auswahlregeln verboten ist. Wenn der einfache Gammazerfall erlaubt ist, wurde dieser Prozess bisher noch nie beobachtet. Einem Team um Privatdozent Dr. Heiko Scheit und den Professoren Norbert Pietralla und Thomas Aumann vom Institut für Kernphysik ist es nun gelungen, das äusserst schwer beobachtbare radioaktive Phänomen nachzuweisen.

Bisherige Hürden

«Seit den 1980er-Jahren blieben alle Versuche, den Doppelgammazerfall in Konkurrenz zu dem gewöhnlichen einfachen Gammazerfall nachzuweisen, erfolglos», sagt Professor Norbert Pietralla. Zwar gebe es Apparaturen, die Photonen nur dann registrieren, wenn sie gleichzeitig ausgesendet werden. Weil aber in den untersuchten Proben sehr viele Atomkerne gleichzeitig zerfallen, ginge das eigentlich gesuchte Phänomen, dass nämlich die Zwillingsphotonen aus demselben Kern kommen, in der Masse unter. Ausserdem könne es vorkommen, dass ein mit Lichtgeschwindigkeit rasendes Photon wegen seiner hohen Geschwindigkeit binnen weniger Milliardstel Sekunden von zwei Detektoren registriert wird, was ebenfalls «Zwillinge» vortäuscht.

Lösung: neue Detektoren

Die Wissenschafter der TU Darmstadt lösten beide Probleme mit neu entwickelten, von der Deutschen Forschungsgemeinschaft finanzierten Gammastrahlungsdetektoren. Das Besondere an diesen Geräten: Sie können nicht nur die Energie eines Photons sehr genau bestimmen. Sie erkennen zudem Zeitunterschiede von einigen Hundert Pikosekunden.

Pietrallas Mitarbeiter, Dr. Christopher Walz, und seine Kollegen bauten einen Ring aus mehreren dieser Detektoren, in dessen Zentrum sie eine Substanz platzierten, die Gammastrahlung genau bestimmter Energie abgibt. Die Detektoren sprachen an, wenn sie innerhalb eines Zeitfensters von wenigen Nanosekunden zwei Photonen registrierten, die zusammen die Energie des Quantensprungs hatten. Weil das Zeitfenster kleiner ist als die Zeit, die ein gestreutes Photon benötigt, um mit Lichtgeschwindigkeit von einem Detektor zum andern zu kommen, konnten die Physiker ausschliessen, dass ihre Messung ein Artefakt ist. Auf diese Weise fanden die Forscher die Zwillingsphotonen, die etwa bei jedem Millionsten Gammazerfall entstehen.

Quelle

M.B. nach TU Darmstadt, Pressemitteilung, 15. Oktober 2015

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