Rosatom auf Expansionskurs

Der russische Staatskonzern Rosatom verfolgt Neubaupläne auf der ganzen Welt. Der stellvertretende Generaldirektor der Rosatom und Leiter des internationalen Geschäfts, Kirill Komarow, erklärt, warum sich das Unternehmen global orientiert, welche Finessen es dabei zu berücksichtigen gilt und wie sich die Bedürfnisse der Kunden verändert haben.

25. Okt. 2013

Gegenwärtig stehen in zehn Ländern 54 Kernkraftwerkseinheiten russischer Bauart in Betrieb und 15 in Bau. Die Rosatom nehme somit einen wichtigen Platz im weltweiten Kernkraftwerksmarkt ein, erklärte Komarow in einem Interview der Rosatom-Hauszeitschrift. Um sich im kompetitiven Umfeld der Nuklearindustrie behaupten zu können, lege die Rosatom grossen Wert auf die stetige Entwicklung neuer Technologien. Diese Investitionen verlangten jedoch beträchtliche finanzielle Mittel, die nur ein starkes Unternehmen mit entsprechendem Umsatz tragen könne. Dies sei mit ein Grund, warum die Rosatom über die Landesgrenzen hinaus tätig sei. «Der russische Markt ist zu klein, um die nötigen Investitionen in neue Technologien aufbringen zu können», führte Komarow weiter aus.

Wer mit Kunden aus anderen Ländern zusammenarbeiten wolle, müsse nicht nur deren Sprache beherrschen, sondern auch die Geschäftskultur kennen. Die Rosatom biete deshalb angehenden Projektmanagern und Ingenieuren entsprechende Schulungen an. In diesen werden internationale Projekte allgemein betrachtet oder sie sind auf ein konkretes Neubauprojekt abgestimmt.

Neue Kundenbedürfnisse

Für Komarow ist das Neubauprojekt von Akkuyu im Süden der Türkei ein Beispiel, wie sich die Bedürfnisse der Kunden geändert haben. Es sei noch nicht einmal zehn Jahre her, als mehrheitlich schlüsselfertige Kernkraftwerke gewünscht wurden. In den letzten Jahren sei das anders geworden. Besonders in Ländern, die noch keine Kernkraftwerke betreiben, aber in die friedliche Nutzung der Kernenergie einsteigen wollen, entspreche der Bau einer Kernkraftwerkseinheit alleine nicht mehr ihren Bedürfnissen. Komarow erläuterte am Beispiel des Akkuyu-Projekts, dass zusätzlich auch Personal für den Betrieb der Anlage ausgebildet und Unterstützung beim Aufbau der gesetzlichen Rahmenbedingungen verlangt werde. Eine weitere Besonderheit sei, dass die Rosatom die vier geplanten Druckwasserreaktoren des Typs WWER-1200 mit einer Gesamtleistung von rund 4800 MW nach deren Fertigstellung nicht einfach der Türkei übergebe. Vielmehr werde die Türkei die mit der Anlage produzierte elektrische Energie zu garantierten Preisen der Rosatom abkaufen. Alles andere sei Sache der Rosatom.

Grossbritannien verfolge ein ähnliches Ziel. Dort verhandle die EDF Energy plc mit der Regierung über einen sogenannten Differenzkontrakt für Strom aus ihren zwei geplanten Kernkraftwerkseinheiten des Typs EPR am Standort Hinkley Point C, für welche die EDF Energy am 19. März 2013 die Baubewilligung erhalten habe.

Konkurrenz grosser Kernkraftwerke?

Welchen längerfristigen Einfluss die Gewinnung von Schiefergas mittels Fracking auf den Energiemarkt haben wird, ist für Komarow ungewiss. Zwar wären aufgrund der vermehrten Förderung von Schiefergas in den USA mehrere Kernkraftwerks-Neubauprojekte gestoppt oder ausgesetzt worden. Abzuwarten sei jedoch der Zeitpunkt, an dem das für den Transport verflüssigte Gas exportiert würde, was eine Preiserhöhung zur Folge hätte. Die lange Lebensdauer der heute gebauten Kernkraftwerkseinheiten ist für den stellvertretenden Generaldirektor der Rosatom denn auch ein wichtiger Vorteil gegenüber Gaskraftwerken. Moderne Kernkraftwerke seien für eine Betriebsdauer von 60 Jahren ausgelegt und könnten gemäss Komarow unter den geeigneten Voraussetzungen auch darüber hinaus sicher betrieben werden.

Die Rosatom ist auch im Bereich kleiner modularer Reaktoren (Small Modular Reactor, SMR) tätig und verfügt mit ihren atombetriebenen U-Booten und Eisbrechern über ein fundiertes Wissen zu diesen Reaktortypen. Für Komarow sind SMR jedoch aus Kostengründen keine Konkurrenz für grosse Kernkraftwerkseinheiten. Er sieht ihr Einsatzgebiet vielmehr in speziellen Anwendungen wie der Stromversorgung entlegener Regionen.

Rosatoms Neubauprojekte

Das russische Unternehmen ist bei verschiedenen Neubauprojekten auf der ganzen Welt tätig. Zum einen ist es an der Ausschreibung für das Neubauprojekt von Temelín in der Tschechischen Republik beteiligt. Zum anderen hofft die Rosatom, im finnischen Hanhikivi einen 1200-MW-Druckwasserreaktor der AES-2006-Reihe zu bauen. Ein Liefervertrag soll noch vor Jahresende unterzeichnet werden. Das Unternehmen verfolgt zudem konkrete Neubauprojekte in Bangladesch, Indien, Jordanien, Vietnam und Weissrussland.

Quelle

M.B. nach Rosatom, Country of Rosatom, 16. September 2013

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