Strapazierter Kompromiss

14. Sep. 1999

Ständerätin Vreni Spoerry, Präsidentin des Energieforums Schweiz, nahm in der Ausgabe 3/99 der "Energie-Nachrichten" Stellung zur energiepolitischen Debatte im Parlament:


Der Nationalrat und seine vorberatende Kommission strapazieren die Kompromissbereitschaft des Ständerates beim Thema "Energieabgaben" in nicht mehr zu überbietender Weise. Der Ständerat hat im Wust der vielen hängigen Begehren auf Verfassungsstufe Hand geboten zu einer aufkommensneutralen Grundnorm sowie zu einer befristeten Förderabgabe, welche die nicht erneuerbaren Energien mit 0,2 Rappen/kWh verteuert und damit während zehn Jahren je 300 Mio. Franken für Anschubinvestitionen zugunsten der erneuerbaren Energien und der verbesserten Energieeffizienz bereitstellt. Die kleine Kammer erachtet dieses Konzept als umweltpolitisch sinnvoll und wirtschaftlich vertretbar. Es kann den überschiessenden Volksinitiativen gegenübergestellt werden. Für einige Mitglieder des Ständerates ist diese Vorlage aber der äusserst mögliche Kompromiss im bemühenden Seilziehen zwischen den beiden Kammern. Immerhin ist gleichzeitig auch ein CO2-Gesetz erarbeitet worden, das die umweltpolitische Zielsetzung der Emissionsreduktion sicherstellt. Weitere Belastungen von Wirtschaft und Konsumenten sind daher tunlichst zu vermeiden. Es dürfen keine neuen Subventionstöpfe geschaffen werden, die während 20 Jahren mit jährlich einer Milliarde Franken geäufnet werden, wie das der Nationalrat entgegen den eindeutigen und wiederholten Stellungnahmen des Ständerates nun zum dritten Mal beschlossen hat.
Der einzige Punkt, wo der Nationalrat dem Ständerat gefolgt ist, liegt im rechtlichen Bereich. Der Nationalrat schliesst sich dem Ständerat insofern an, als er die Verankerung der Grundnorm und der Förderabgabe auf Verfassungsstufe akzeptiert. Inhaltlich aber weicht er bei beiden Vorlagen nach wie vor meilenweit vom Ständerat ab. Bei der Förderabgabe hält er am Satz von 0,6 Rappen/kWh während 20 Jahren fest. Im Gegensatz zum Ständerat will er auch die nicht amortisierbaren Investitionen (NAI) aus diesem Geld abgelten. Bei der Grundnorm soll der Ertrag gemäss Nationalrat nicht mehr wie in der ständerätlichen Fassung zum Abbau von "bestehenden Lohnnebenkosten" verwendet werden, sondern für die Senkung von Sozialleistungen generell. Das bedeutet im Klartext, dass auch Krankenkassenprämien damit verbilligt werden könnten, womit einer neuen Steuer die Türe geöffnet wird, was unakzeptabel ist.
Diese "Kopf-durch-die-Wand-Haltung" der nationalrätlichen Mehrheit ist alles andere als ein Motivationsschub für jene Mitglieder des Ständerates, welche zwar offen sind für die berechtigten Anliegen des Umweltschutzes, aber die Verhältnismässigkeit zwischen umweltpolitischer Wirkung der eingesetzten Mittel und der zusätzlichen Belastung von Wirtschaft und Konsumenten gewahrt haben wollen.
Damit aber nicht genug. Die UREK Nationalrat, welche die Vorlagen über Energieabgaben behandelt, ist auch mit dem Marktöffnungsgesetz befasst. An ihrer letzten Sitzung vor den Sommerferien hat nun eine Mehrheit dieser Kommission das Eintreten auf dieses wichtige Gesetz ausgesetzt, bis das Parlament in der Schlussabstimmung einem Förderabgabebeschluss mit einer ihren Forderungen entsprechenden Energieabgabe zugestimmt haben wird. Das grenzt an Erpressung. (Anmerkung der Redaktion: an ihrer Sitzung vom 6./7. September 1999 hat die UREK Nationalrat mit 12 zu 11 Stimmen beschlossen, auf ihren Entscheid zurückzukommen und das Elektrizitätsmarktgesetz sofort weiter zu beraten, um zusätzliche Verzögerungen in der Regelung der Marktöffnung zu vermeiden.)
Entweder der Ständerat erhöht den Abgabesatz im Förderabgabebeschluss und ist im Gegensatz zu seinem bisherigen Entscheid auch bereit, aus diesen Mitteln Geld für die nicht amortisierbaren Investitionen bereit zu stellen, oder die UREK Nationalrat weigert sich, die angesichts der Entwicklung in Europa notwendige rasche Liberalisierung des Strommarktes einzuleiten.
Die UREK Nationalrat lädt damit eine schwere Verantwortung auf sich und pokert sehr hoch. Zum ersten geht es um die wirtschaftliche Konkurrenzfähigkeit der Schweiz. Zum zweiten müsste spätestens der überdeutliche Volksentscheid zur Mutterschaftsversicherung, wo es jährlich um 500 Mio. Franken brutto ging, jedermann klar gemacht haben, dass die Schweizerinnen und Schweizer nicht bereit sind, ihre Abgabenlast zu erhöhen, wenn der leiseste Zweifel an der erforderlichen Notwendigkeit besteht. Die Verfechterinnen und Verfechter einer neuen Subventionswirtschaft müssen dem Schweizer Souverän zuerst noch klar machen, dass er jährlich 600 bis 1000 Mio. Franken zusätzliche Steuern bezahlen soll, um ökologisch umstrittene Subventionen auszurichten und verfehlte Investitionen von Unternehmen abzugelten. Immerhin sind ein CO2-Gesetz und eine Grundnorm vorgeschlagen, welche echte Umweltanliegen umfassend abdecken und die Wasserkraft nachhaltig stärken. Sollte man darüber hinaus zur Überzeugung gelangen, dass der Bundesrat in Ausnahmefällen Darlehen für notwendige Amortisationen von Wasserkraftwerken ausrichten können soll, die zurückzubezahlen sind, sobald wieder Gewinne erzielt werden, so ist eine solche Härtefallklausel im Marktöffnungsgesetz aufzunehmen. Sie gehört nicht in den Förderabgabebeschluss.
Einige Mitglieder des Ständerates werden sich bei dieser Ausgangslage gut überlegen, ob und wie weit sie beim Förderabgabebeschluss noch zu einem Kompromiss bereit sind.

Quelle

Vreni Spoerry

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