Die Führung der ukrainischen Kernfachleute schlägt Alarm

Die Ukraine hat die nötigen Lehren aus dem Reaktorunglück von Tschernobyl nicht gezogen. Dies stellten Exponenten der Ukrainischen Kernenergiegesellschaft (UkrNS) Ende März 1999 an einer Pressekonferenz in Kiew fest.

24. März 1999

Die Berufsvereinigung war nach einer eingehenden Analyse der technischen und menschlichen Aspekte der Kernenergie-Sicherheit in der Ukraine zu dieser Beurteilung gelangt.
Wie UkrNS-Vorstandsmitglied Mykola Steinberg, 1992 bis 1995 Chef der ukrainischen Kernenergie-Sicherheitsbehörde und heute Generaldirektor der Beratungsfirma Atomaudit, am 24. März 1999 vor den Medien ausführte, besteht heute jeder Anlass zum Schluss, dass das Streben nach Sicherheit in der Kernenergie für die Entscheidungsträger nicht zu einer psychologischen Notwendigkeit geworden ist, weder auf der Ebene von Regierungsstellen, noch in der Industrie oder in den Kernkraftwerken. Gegenwärtig erfülle die Ukraine die internationalen Vereinbarungen über die Kernenergie, denen sie beigetreten sei, nicht. In Sachen Kernkraftwerks-Sicherheit sei die Ukraine hoffnungslos hinter ihren Nachbarn, die ebenfalls Reaktoren sowjetischer Typen betreiben, zurückgeblieben. Der Grund sei die Vernachlässigung von Sicherheitsfragen auf allen Managementstufen und das daraus folgende Versäumnis, in den Kernkraftwerken der Ukraine die Massnahmen zur Verbesserung der Sicherheit umzusetzen, die schon bald nach dem Unglück von Tschernobyl 1986 und 1987 bezeichnet wurden.
Vorstand und Präsident der UkrNS strichen heraus, dass in der gegenwärtigen staatlichen Organisation die Dienste zahlreicher angesehener und erfahrener Kernenergiespezialisten nicht gefragt seien. Diese Exponenten blieben aus der Kernenergieindustrie ausgeschlossen, während menschliche Faktoren und Sicherheitskultur nicht sachgerecht berücksichtigt würden. Um den weiteren Zerfall aufzuhalten und die ukrainische Kernenergie vom dünnen Eis wieder auf festen Grund zu führen, bot die UkrNS dem Staat ihre Zusammenarbeit bei der Entwicklung und Umsetzung des geforderten Programms an, das klare Prioritäten und einen umfassenden, langfristigen Aktionsplan festlegen sowie die erforderlichen finanziellen Mittel bereitstellen müsse
Der Alarmruf der Kernenergiegesellschaft fällt in die Zeit der seit Wochen laufenden Protestaktionen der Angestelltenorganisation der fünf ukrainischen Kernkraftwerke Rowno, Tschernobyl, Süd-Ukraine, Saporoschje und Chmelnizki. Mit Kundgebungen in Kiew und mit Protestzeltlagern auf den Plätzen der Kernkraftwerks-Satellitenstädte sowie mit weiteren Aktionen verliehen sie ihrer Forderung nach besseren Arbeitsbedingungen, besonders nach Zahlung der seit vier bis fünf oder auch mehr Monaten ausstehenden Löhne, Nachdruck. Bei Redaktionsschluss dieses Bulletins waren die Forderungen der Kernenergie-Arbeiter noch nicht erfüllt. Die Möglichkeit, dass die Aktionen in Streiks ausmünden könnten - was einen sicheren KKW-Betrieb zusätzlich gefährden würde - besteht damit weiterhin.

Quelle

P.H. nach Mitteilung des International Chernobyl Center, 25. März 1999

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