Ein Blick nach vorn – Tschernobyl und die Kernenergie

Am 26. April 1986 ereignete sich der schwere Unfall im sowjetischen Kernkraftwerk Tschernobyl. Trotz dieser Zäsur befindet sich die Kernenergie heute international im Aufwind, nicht zuletzt dank der umsichtigen Weiterentwicklung dieser umweltschonenden und kostengünstigen Technologie. An einer Informationsveranstaltung des Nuklearforums Schweiz am 6. April 2006 in Olten präsentierten Fachleute aus dem In- und Ausland die Fakten zu den Folgen von Tschernobyl und die Perspektiven für die Kernenergie zwanzig Jahre nach dem Unfall.

5. Apr. 2006
Kernkraftwerke der sowjetischen bzw. russischen Baureihen RBMK (graphitmoderierte Siedewasser-Druckröhrenreaktoren) und WWER (Druckwasserreaktoren) in den Ländern Mittel- und Osteuropas sowie der ehemaligen Sowjetunion. Bei den beiden WWER-440-V213 in Finnland wurden bereits beim Bau die westlichen Sicherheitsstandards berücksichtigt.
Kernkraftwerke der sowjetischen bzw. russischen Baureihen RBMK (graphitmoderierte Siedewasser-Druckröhrenreaktoren) und WWER (Druckwasserreaktoren) in den Ländern Mittel- und Osteuropas sowie der ehemaligen Sowjetunion. Bei den beiden WWER-440-V213 in Finnland wurden bereits beim Bau die westlichen Sicherheitsstandards berücksichtigt.

Die Folgen des Reaktorunfalls in Tschernobyl waren lange Zeit Gegenstand von Spekulationen und sind bis heute in der Region spürbar. Auch zwanzig Jahre später übt dieser Unfall eine nachhaltige Wirkung auf die öffentliche Wahrnehmung der Kernenergie aus. Im Gegensatz dazu setzt angesichts der absehbaren Stromlücken, der gefährdeten Versorgungssicherheit und der Klimaproblematik in vielen Ländern eine Rückbesinnung auf die Vorteile der Kernenergie ein. «In der Schweiz haben wir die Kernenergie als zuverlässige Energiequelle kennen gelernt, und wir wissen, wie wir damit umgehen müssen», sagte die Solothurner CVP-Nationalrätin Elvira Bader. Für sie war der Unfall in Tschernobyl nie ein Argument für den Ausstieg, sondern Anlass für die nochmalige Verbesserung des bereits damals guten technischen Leistungsausweises der Schweizer Kernkraftwerke. «Wenn wir diesen Weg beibehalten, dann bringt das für das Land mehr Sicherheit als die Alternativen», lautete ihr Fazit zur Ausgestaltung der künftigen Stromversorgung der Schweiz.

Kontinuierliche Pflege der Sicherheitskultur

«In den letzten zwanzig Jahren hat sich viel geändert, angefangen beim politischen System des ehemaligen Ostblocks bis zur heutigen Neubeurteilung der Kernenergie», fasste Manfred Thumann, Konzernleitungsmitglied des Energieunternehmens Axpo, die Folgen von Tschernobyl aus der Sicht eines Schweizer Kernkraftwerkbetreibers zusammen. So ist seit 1986 während vielen tausend Betriebsjahren kein auch nur annähernd vergleichbarer Störfall in Kernkraftwerken aufgetreten. Das ist kein Zufall, denn bereits Jahre vor dem Unfall in Tschernobyl wurde die Sicherheit der Kernanlagen grundlegend überprüft und kontinuierlich verbessert. «Am Bespiel des Kernkraftwerks Beznau lässt sich zeigen, wie auch so genannte alte Anlagen so nachgerüstet wurden, dass sie heute den neusten Sicherheitsstandards genügen», betonte Thumann. Und seit Tschernobyl pflegen die Betreiber der Kernkraftwerke weltweit einen intensiven Informationsaustausch mit dem Ziel, die jeweils beste Betriebsführung als Massstab zu setzen.

Die gesundheitlichen und sozialen Folgen

Serge Prêtre, ehemaliger Direktor der Hauptabteilung für die Sicherheit der Kernanlagen, erinnerte daran, dass der Reaktorunfall in Tschernobyl das Ergebnis einer mangelnden Sicherheitskultur und eines nicht ausreichend sicher konstruierten Reaktors war. Insgesamt prognostiziert ein kürzlich von der Uno, Weissrussland, Russland und der Ukraine im Rahmen des «Tschernobyl-Forums» publizierter Bericht, dass bis zu 4000 Menschen an der durch den Unfall freigesetzten Strahlung sterben könnten. Eine Zunahme von angeborenen Fehlbildungen konnte nicht festgestellt werden. Neben den gesundheitlichen Belastungen ist die Bevölkerung zudem von den Folgen der von den damaligen sowjetischen Behörden getroffenen Massnahmen betroffen. «Insbesondere die sozialen Auswirkungen der Umsiedlungen erwiesen sich als katastrophal», sagte Prêtre.

Unterstützung für die Länder Osteuropas und der ehemaligen Sowjetunion

Seit den 1990er-Jahren erhalten die Länder Osteuropas und der ehemaligen Sowjetunion im Nuklearbereich Unterstützung von der Europäischen Bank für Wiederaufbau und Entwicklung (EBWE). Nach den Angaben von Balthasar Lindauer, stellvertretender Direktor der Abteilung für nukleare Sicherheit der EBWE, leistet die Bank finanzielle Hilfe bei Sicherheitsverbesserungen an den weiterhin in Betrieb stehenden sowjetischen Kernkraftwerken der ersten Generation. Dazu zählen sowohl alle graphitmoderierten Siedewasser-Druckröhrenreaktoren (RBMK) als auch die zwischen 1956 und 1970 entwickelten Druckwasserreaktoren vom Typ WWER-440-V230. Zudem verfügt die EBWE über drei Fonds, um Litauen, Bulgarien und die Slowakei bei der Stilllegung dieser Kernkraftwerkstypen und bei Folgeprojekten im Energiesektor zu unterstützen. In Tschernobyl selbst finanziert die EBWE - nach der Abschaltung des letzten der drei verbliebenen Kraftwerksblöcke Ende 2000 - die für den Stilllegungsprozess nötigen Anlagen. Zudem verwaltet die Bank einen Fonds, um die heutige Umhüllung des zerstörten Blocks 4 zu stabilisieren und bis ins Jahr 2010 mit einer zweiten, darüber geschobenen Umhüllung zu ergänzen.

Quelle

D.S, 6. April 2006

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