Experten fordern die EU auf, Sicherheitskriterien neu zu beurteilen

Satu Helynen, amtierender Präsident der Sustainable Nuclear Energy Technology Platform (SNETP) hat sich im Namen von über 100 Kernenergieorganisationen, Wissenschafter und Umweltschützer an die Europäische Kommission und die politischen Entscheidungsträger der EU gewandt und sie aufgerufen, eine «gerechte und zeitnahe» Expertenbewertung der Kriterien für die Vermeidung von Schäden («do no significant harm criteria») im Zusammenhang mit der Kernenergie durchzuführen.

4. Mai 2020

In dem an die Exekutivvizepräsidenten der Kommission, Valdis Dombrovskis und Frans Timmermans, sowie an Energiekommissarin Kadri Simson gerichteten Schreiben heisst es, dass die Bewertung der Kriterien für die Vermeidung von Schäden auf wissenschaftlichen Erkenntnissen beruhen müsse und nicht von einer politischen oder ideologischen Agenda beeinflusst werden dürfe. «Die Bekämpfung des Klimawandels ist von höchster Dringlichkeit. Alle kohlenstoffarmen Energiequellen müssen einen Beitrag leisten dürfen, und die endgültige Taxonomie für nachhaltige Finanzen muss diese Punkte berücksichtigen.»

EU-weites Klassifizierungssystem für nachhaltige Investitionen (Taxonomie)

Die Technische Expertengruppe (TEG) für die EU-Taxonomie kam in einem Bericht über nachhaltige Finanzen vom 9. März 2020 zum Schluss, dass es eindeutige Beweise dafür gibt, dass die Kernkraftwerke wesentlich zum Klimaschutz beitragen. Die TEG folgerte jedoch auch, dass zu diesem Zeitpunkt «die Erkenntnisse zur Kernenergie komplex und im taxonomischen Kontext schwieriger zu bewerten ist», was den möglichen erheblichen Schaden für andere Umweltziele betrifft. Im Bericht wurde empfohlen, umfangreichere technische Arbeiten durchzuführen.

Die Empfehlungen der TEG in diesem Bericht über nachhaltige Finanzen enthalten auch Empfehlungen zur Taxonomieregelung, einem Klassifizierungssystem zur Finanzierung nachhaltiger Wirtschaftstätigkeiten. Die vorgeschlagene Taxonomie soll eine gemeinsame Sprache schaffen, auf die sich Anleger und Unternehmen beziehen können, wenn sie in Projekte und wirtschaftliche Aktivitäten mit positiven Auswirkungen auf Klima und Umwelt investieren. Sie sieht vor, dass bei der Bewertung der Nachhaltigkeit einer Wirtschaftstätigkeit eine Reihe von Umweltzielen berücksichtigt werden sollten. Das Konzept für die Vermeidung von Schäden soll sicherstellen, dass Energietechnologien andere Ziele nicht beeinträchtigen. Dazu zählen unter anderem Wirtschaft, Abfallmanagement, biologische Vielfalt, Wassersysteme und Umweltverschmutzung.

Kernenergie nötig

Da die Debatte um die Kernenergie häufig primär politisch und emotional ist, ist es laut dem Bericht wichtig, dass die Bewertung des Kriteriums für die Vermeidung von Schäden für die Nukleartechnik streng technisch und evidenzbasiert bleibt und von qualifizierten Experten durchgeführt wird.

In dem Schreiben heisst es weiter, dass Anti-Atom-Gruppen bereits den Ausschluss der Kernenergie aus der Liste der nachhaltigen Aktivitäten im Rahmen der Taxonomie fordern. Die meisten der vorgebrachten Argumente beruhten jedoch nicht auf wissenschaftlichen Erkenntnissen, so das Schreiben.

Es wird auch darauf hingewiesen, dass erneuerbare Energien, obwohl sie sich rasch entwickeln, nicht in der Lage sein werden, die erforderlichen Erzeugungskapazitäten für Europa bereitzustellen, um das Ziel der Klimaneutralität bis 2050 zu erreichen. «Ein Stromversorgungssystem, das ausschliesslich auf erneuerbare Energien, nachfrageseitigen Lösungen und Flexibilität basiert, würde erhebliche Probleme mit der Systemstabilität verursachen», heisst es weiter. «Darüber hinaus wäre eine umfassende Umstrukturierung und der Bau von Stromnetzen in der gesamten EU erforderlich.»

Zu den Unterzeichnern des Schreibens gehören unter anderen die Nichtregierungsorganisationen European Nuclear Society (ENS), Nuclear Matters, Bright New World, ClearPath and Energy for Humanity.

Quelle

M.A. nach Brief «Assuring the Backbone of a Carbon-free Power System by 2050 – Call for a Timely and Just Assessment of Nuclear Energy», 24. April 2020

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