Grossbritannien: «Skills and Supply Chain»

Die Vorbereitungen für den Bau von neuen Kernkraftwerken in Grossbritannien laufen auf Hochtouren. Die ersten Standorte werden erschlossen. Weitere sind in Abklärung. Die Versorgungsunternehmen stehen bereit und sind in Kontakt mit potenziellen Lieferanten. Daneben nimmt die britische Nuklearindustrie den Aufbau der nötigen personellen Kapazitäten in Angriff.

14. Dez. 2011
Chris Huhne (links), Secretary of State for Energy and Climate Change, besichtigt das Baugelände in Hinkley Point.
Chris Huhne (links), Secretary of State for Energy and Climate Change, besichtigt das Baugelände in Hinkley Point.
Quelle: DECC

Am 17. November 2011 trafen sich Vertreter der britischen Nuklearindustrie mit den Behörden und Lieferanten in London zum Nuclear New Build Forum. Unter dem Titel «A strategic update on the latest developments and lessons learned in new nuclear» berichteten zukünftige Bauherren und Generalunternehmen über den Stand ihrer Projekte.

Projekte sind auf Kurs

Am weitesten fortgeschritten ist das Projekt der EDF Energy plc, die in Hinkley Point in Somerset zwei EPR bauen wird. Am 24. November 2011 stimmte die Infrastructure and Planning Commission (IPC) dem Development Consent Order der EDF Energy zu. Damit kann nun das öffentliche Vernehmlassungsverfahren beginnen. Parallel dazu laufen in Hinkley Point die Bauplatzvorbereitungen. In Sizewell will die EDF Energy zwei weitere EPR bauen. Die EDF Energy, eine Tochtergesellschaft der Electricité de France SA (EDF), will bis ins Jahr 2025 mit ihrer – nuklearen, fossilen und erneuerbaren – Kraftwerksflotte 20% des britischen Strombedarfs decken.

Die Horizon Nuclear Power, ein Konsortium der deutschen Unternehmen E.On und RWE, hat 2009 an den Standorten Wylfa und Oldbury Land erworben. Die Horizon prüft beide zur Wahl stehenden Reaktortypen – den EPR von Areva und den AP1000 von Westinghouse. Diese beiden Systeme werden auch von der britischen nuklearen Aufsichtsbehörde im Rahmen des Generic Design Assessment (GDA) vorgeprüft. Daneben laufen an beiden Standorten Verträglichkeitsstudien und Verhandlungen mit lokalen Behörden. In Wylfa soll 2012 die öffentliche Vernehmlassung beginnen. Horizon will insgesamt eine Kraftwerkskapazität von bis zu 6000 MW bauen.

Die NuGeneration Ltd., je zur Hälfte im Besitz der französischen Groupe GDF Suez SA und der spanischen Iberdrola SA, hat sich den Standort Sellafield in Westengland gesichert. Dort soll ab 2023 ein Kernkraftwerk mit Reaktoren der neusten Generation und einer Leistung von bis zu 3600 MW in Betrieb sein. Ab 2015 soll gebaut werden. Davor sind Standortbewertungen anzufertigen, die Reaktortechnologie auszuwählen sowie alle nötigen Bewilligungen einzuholen.

Suche nach Lieferanten

Alle drei Bauherren sowie auch die Reaktorlieferanten Areva und Westinghouse wiesen am Nuclear New Build Forum auf ihre Programme zum Aufbau einer Lieferkette hin. Dabei sollen möglichst viele Aufträge an einheimische und lokale Firmen gehen. Die Unternehmen stehen in Kontakt mit hunderten möglichen Zulieferern und bauen umfassende Datenbanken auf.

Daneben hat die Nuclear Industry Association (NIA) die Kampagne «SC@nuclear» lanciert. Damit will die NIA die britische Industrie auf Aufträge im Zusammenhang mit den Neubauten aufmerksam machen und die nötigen Kontakte vermitteln. Mit den Neubauten entstehen Aufträge im Umfang von mehreren Milliarden Pfund. Darüber hinaus, betonten die Vertreter der Technologielieferanten am Forum, werden Unternehmen, die sich in Grossbritannien bewähren, in die globale Lieferkette aufgenommen.

Nachwuchsförderung

Eine weitere Herausforderung auf dem Weg zu neuen britischen Kernkraftwerken ist der Aufbau der «skills», des Humankapitals. Das Wissenschafts- und Technologie-Komitee des House of Lords veröffentlichte am 22. November 2011 einen Bericht, der die Haltung der Regierung zur nuklearen Forschung und Entwicklung kritisierte. Die Regierung sei in diesem Bereich «zu selbstgefällig» und ohne einschneidende Massnahmen würde wertvolle Expertise verloren gehen. Da viele britische Nuklearexperten vor der Pensionierung ständen, brauche es dringend Nachwuchs, um die Ausbaupläne realisieren zu können.

Schon vor dem Erscheinen dieses Berichtes gab es Bestrebungen zur Nachwuchsförderung. So öffnete anfangs November 2011 das Nuclear Research Centre (NRC) seine Tore. Das Joint Venture der Universitäten von Bristol und Oxford will mit seiner Forschung und Expertise «den sicheren Betrieb bestehender und zukünftiger Reaktoren fördern». Unterstützt wird das NRC dabei unter anderen von den strategischen Partnern EDF Energy und Rolls-Royce.

Am 9. November 2011 fand die Eröffnungsfeier des Research Centre for Radwaste and Decommissioning (RCRD) der Universität Manchester statt. Es fokussiert seine Forschung auf den Umgang mit radioaktiven Abfällen und die Stilllegung von Nuklearanlagen. Die öffentliche Nuclear Decommissioning Authority (NDA) und der Engineering and Physical Sciences Research Council (EPSRC) unterstützen das RCRD. Es bietet Forschungsplätze für Doktoranden und Master-Studenten.

Königin Elizabeth II im November 2010 beim ersten Spatenstich für das Nuclear Advanced Manufacturing Research Centre.
Königin Elizabeth II im November 2010 beim ersten Spatenstich für das Nuclear Advanced Manufacturing Research Centre.
Quelle: University of Sheffield

Des Weiteren ist für Anfang 2012 die offizielle Eröffnung des Nuclear Advanced Manufacturing Research Centre (NAMRC) an der Universität Sheffield geplant. Die Räumlichkeiten wurden schon im Oktober 2011 bezogen und das Forschungszentrum ist betriebsbereit. Neben Sheffield ist ebenfalls die Universität Manchester am NAMRC beteiligt. In Manchester befindet sich auch das Labor des NAMRC. Haupt-Industriepartnerin ist die Rolls-Royce. Zudem sind daran die Areva, die Westinghouse, die Sheffield Forgemasters und die Tata Steel beteiligt.

An der Universität Sheffield besteht ausserdem seit Januar 2009 das Nuclear Fission Research, Science and Technology Doctoral Training Centre (FiRST DTC). Es wurde vom EPSRC finanziert und soll dem Bedarf an Fachleuten der britischen Energiestrategie begegnen. Mit der National Skills Academy for Nuclear verfügt die britische Nuklearindustrie zudem seit Januar 2008 über eine Plattform, die Bedürfnisse und Angebote in der Ausbildung von Nuklearexperten koordiniert.

Enthusiasmus auch nach Fukushima

Der Reaktorunfall von Fukushima-Daiichi hat Grossbritanniens nukleare Renaissance etwas gebremst, aber keinesfalls verhindert. Die «Lessons learned» aus dem Unfallablauf wurden in den laufenden Prozess integriert und in der Nuklearindustrie ist weiterhin optimistischer Tatendrang zu spüren.

Quelle

M.Re. nach Nuclear New Build Forum, 17. November, Science and Technology Committee (Lords), Mitteilung, 22. November 2011, sowie Websites der NRC, RCRD, NAMRC, NIA und der University of Sheffield

Bleiben Sie auf dem Laufenden

Abonnieren Sie unseren Newsletter

Zur Newsletter-Anmeldung

Profitieren Sie als Mitglied

Werden Sie Mitglied im grössten nuklearen Netzwerk der Schweiz!

Vorteile einer Mitgliedschaft