Kernenergie in den USA: Energiewende mit Katalysator-Effekt

Bereits im Wahlkampf hatte Barack Obama versprochen, in der Energiepolitik eine Wende herbeizuführen, eine Wende hin zu sauberen Energien, inklusive Kernenergie. Die Ölkatastrophe am Golf von Mexiko bestärkt den US-Präsidenten, sein Versprechen wahr zu machen. Die Planung und Realisierung neuer Kernkraftwerke sollte somit in den USA beschleunigt werden. Kernenergie ist für Obama eine saubere Alternative – jetzt erst recht.

20. Juli 2010

«Wir haben die Quittung für unsere Fehler bekommen», gesteht Philip Murphy, der neue amerikanische Botschafter in Berlin, mit Blick auf «Deepwater Horizon». Und tatsächlich: Je länger der Albtraum, desto zahlreicher werden die Stimmen in den USA, die eine Energiewende fordern. Die Abhängigkeit vom Öl soll massiv reduziert werden.

USD 150 Mrd. (CHF 159 Mrd.) sollen in den kommenden zehn Jahren in grüne Technologien investiert werden. Direkt und indirekt entstehen rund fünf Millionen Arbeitsplätze: So lautet das Ziel. Im Vordergrund steht der Energiemix. Neben Kernkraft und erneuerbaren Energien umfasst dieser Mix auch Erdgas und Kohle mit CCS-Technologie (Carbon Capture & Storage).

Die amerikanische Regierung hatte im Februar 2010 weltweit für Aufsehen gesorgt, als sie dem Kernenergieprojekt der Southern Company eine staatliche Darlehensgarantie in der Höhe von USD 8,3 Mrd. zugesprochen hatte. Den zwei Kernkraftwerkseinheiten am Standort Vogtle im Bundesstaat Georgia soll im nächsten Jahr die kombinierte Bau- und Betriebsbewilligung erteilt werden. Mit der Inbetriebnahme der Anlage wird frühestens in den Jahren 2016 und 2017 gerechnet. Die Gesamtkosten betragen voraussichtlich USD 14,5 Mrd.

Die marktführenden Kernkraftwerksbetreiber Exelon und Entergy dürften bald mit weiteren Projekten vor die Regierung treten. Für Obama stehen die Kohlendioxid-Reduktion, die Versorgungssicherheit und die Schaffung von Arbeitsplätzen im Vordergrund.

Obama im Originalton: «See, our competitors are racing to create jobs and command growing energy industries. And nuclear energy is no exception. Japan and France have long invested heavily in this industry. Meanwhile, there are 56 nuclear reactors under construction around the world: 21 in China alone; six in South Korea; five in India. And the commitment of these countries is not just generating the jobs in those plants; it's generating demand for expertise and new technologies.
So make no mistake: Whether it's nuclear energy, or solar or wind energy, if we fail to invest in the technologies of tomorrow, then we're going to be importing those technologies instead of exporting them. We will fall behind. Jobs will be produced overseas, instead of here in the United States of America. And that's not a future that I accept.
Now, I know it's been long assumed that those who champion the environment are opposed to nuclear power. But the fact is, even though we've not broken ground on a new power plant in 30 years, nuclear energy remains our largest source of fuel that produces no carbon emissions. To meet our growing energy needs and prevent the worst consequences of climate change, we'll need to increase our supply of nuclear power. It's that simple. This one plant, for example, will cut carbon pollution by 16 million tons each year when compared to a similar coal plant. That's like taking 3.5 million cars off the road.»

Das Budget sieht für das Jahr 2011 vor, die Kreditgarantien auf USD 54,5 Mrd. aufzustocken. Damit könnten bis maximal zehn weitere Projekte unterstützt werden. Obwohl die USA mit 104 Reaktoren über den global grössten Nuklearpark verfügt, drohen die Pioniere bei der Erneuerung der Infrastruktur in Verzug zu geraten.

Von einem «heilsamen Schock» spricht Kommentator Clemens Wergin in der deutschen Tageszeitung «Die Welt». Mit seiner Fernsehansprache zum Öl-Desaster habe Barack Obama nicht nur versucht, aus der Defensive zu kommen. Der Präsident hoffe auch, dass die Umweltkatastrophe zu einer Art zweitem «Sputnik»-Schock für die USA werden könnte. Als es den Sowjets 1957 gelungen war, den ersten Satelliten ins All zu schiessen, war das ein böses Erwachen für die Amerikaner, die sich bis dahin als Speerspitze des Fortschritts sahen. Daraufhin holten die USA mächtig auf. «Wenn es nach dem US-Präsidenten geht, soll sein Land nun auch im Bereich der erneuerbaren Energien führend werden. Obama will weg vom Öl – gerade auch aus strategischen Gründen. Schliesslich finanziert der Westen mit seinem Energiehunger einige problematische Regime.» Die Energiewende sei in den USA, anders als bei Europas Klimaschützern, geprägt von typisch amerikanischem Pragmatismus: «Man setzt auf Anreize zum Energiesparen, auf den Ausbau der Kernenergie und neue Technologien im Bereich erneuerbarer Energien. Das ist der richtige Weg, um Amerika unabhängiger von Problemstaaten zu machen.»

Interessant ist die Antwort von Greenpeace-Chef Kumi Naidoo auf Obamas Bestrebungen pro Kernenergie: «Für Greenpeace ist das irgendwie ironisch. In einer unserer ersten Aktionen überhaupt ging es darum, die amerikanische Regierung daran zu hindern auf einer Insel vor Alaska Atomtests durchzuführen. Und plötzlich wird Kernenergie als Lösung des Klimaproblems präsentiert. Kernenergie ist viel zu teuer, viel zu unsicher, sie liefert zu wenig und zu spät, bewirkt kaum ökonomische Entwicklung.» Abgesehen von den stereotypen Argumenten: Umwelt-Organisationen, die im Kampf gegen die Kernkraftwerke gross geworden sind, schaffen es wohl auch in Zukunft kaum, über den eigenen Schatten zu springen. Das wiederum tut der Renaissance der Kernenergie keinen Abbruch.

Quelle

Hans Peter Arnold

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