Klärung zur Entstehung des Universums: PSI liefert Puzzlestück

Forschende des Paul Scherrer Instituts (PSI) haben zur Überprüfung von Ungereimtheiten in der Urknalltheorie mitgeholfen. Die Wissenschafter gingen zusammen mit dem Kernforschungszentrum Cern und 41 weiteren Instituten der Frage nach, warum im Universum drei bis vier Mal weniger Lithium gemessen wird, als dies die Theorie voraussagt. Den Grund für dieses sogenannte Kosmologische Lithiumproblem hat man zwar noch nicht gefunden, aber man kann nun eine Erklärung für diese Diskrepanz ausschliessen.

31. Juli 2018
Von links nach rechts: Stephan Heinitz, Dorothea Schumann und Emilio Maugeri aus der Forschungsgruppe für Isotopen- und Targetchemie in ihrem Labor.
Von links nach rechts: Stephan Heinitz, Dorothea Schumann und Emilio Maugeri aus der Forschungsgruppe für Isotopen- und Targetchemie in ihrem Labor.
Quelle: PSI / Mahir Dzambegovic

Kurz nach dem Urknall entstanden unter anderem radioaktive Isotope des Typs Beryllium-7. Diese Isotope zerfallen mit einer Halbwertszeit von rund 53 Tagen. Das heisst, das nach dem Urknall entstandene Beryllium-7 ist längst zerfallen und kommt – im Gegensatz zu seinem stabilen Zerfallsprodukt Lithium-7 – natürlicherweise nicht mehr vor. Messungen zeigen heute eine deutliche Diskrepanz zwischen der Menge Lithium im Universum, die sich aus der Urknalltheorie ergibt, und der tatsächlich gemessenen Menge Lithium. Die Theorie sagt nämlich eine drei bis vier Mal grössere Menge Lithium voraus, als tatsächliche Messungen im Universum zeigen. Dieses Kosmologische Lithiumproblem ist eines der letzten grossen Rätsel der derzeitigen Theorie zur Entstehung des Universums. Denn bei allen anderen Elementen, die kurz nach dem Urknall entstanden, deckt sich die Urknalltheorie gut mit den gemessenen Daten, erklärte das PSI in einer Medienmitteilung.

Genauere Ausmessung von Beryllium-7 …

Die Forschenden gingen nun der Frage nach, ob es vielleicht anfangs doch weniger Beryllium gegeben hat, als man bislang glaubte. Eines der letzten, noch zu überprüfenden Details war der Neutroneneinfangquerschnitt von Beryllium-7, also dem Wert, der die Wahrscheinlichkeit voraussagt, dass ein Beryllium-7-Atomkern ein freies Neutron einfängt und in der Folge zerfällt. PSI-Forscherin Dorothea Schumann, Leiterin der Forschungsgruppe für Isotopen- und Targetchemie, erklärt: «Der Neutroneneinfangquerschnitt von Beryllium-7 war zuletzt vor rund 50 Jahren vergleichsweise ungenau bestimmt worden». Diese Kennzahl sollte nun am Cern genauer als je zuvor untersucht werden. Die dafür notwendige Probe aus Beryllium-7 stellten die PSI-Forschenden.

… brachte keine Lösung

Die aktuelle Messung des Neutroneneinfangquerschnitts von Beryllium-7 löste das Kosmologische Lithiumproblem nicht. Gemäss Schumann konnten die Cern-Forschenden den Neutroneneinfangquerschnitt nun so genau bestimmen, dass klar ist, dass sich das Kosmologische Lithiumproblem hierüber nicht lösen lässt. Die Wissenschaftsgemeinde wird nach einer anderen Erklärung suchen müssen.

Minuziöse Vorbereitung

Da das zu untersuchende Beryllium-7 mit einer Halbwertszeit von 53 Tagen zerfällt, musste die ganze Kette – von der Herstellung der Probe am PSI bis zu ihrer Vermessung am Cern – vor dem eigentlichen Durchlauf getestet werden. Rund drei Jahre lang dauerten die Vorbereitungen dazu.

Die Idee zum Experiment entstand im Jahr 2012. Schumann wusste, dass sie aus dem Kühlwasser der Neutronenspallationsquelle SINQ, die am PSI für Experimente mit Neutronenstrahlen betrieben wird, das seltene Beryllium-7 extrahieren könnte. «Hier am PSI haben wir mit der SINQ und mit den anderen Grossforschungsanlagen einmalige Quellen, um sehr seltene, radioaktive Isotope zu ernten», so Schumann. «Diese Isotope sind für die Forschenden, die diese Anlagen betreiben und nutzen, ein Nebenprodukt – aber für viele andere Forschungseinrichtungen sehr nützlich und dringend benötigt.»

Schumann nahm mit den Forschenden und Ingenieuren Kontakt auf, die die SINQ betreiben. Den Spezifikationen der Isotopenforschenden entsprechend wurde ein spezielles Filtersystem an das Kühlwasser der SINQ angeschlossen. Dieses konnte in einen Zeitraum von rund drei Wochen Material auffangen konnte, das eine geeignete Menge Beryllium-7 enthielt. Das hierbei gewonnene Material musste dann unter anderem chemisch getrennt werden, was eine weitere Woche in Anspruch nahm.

Von dort aus musste die aufbereitete Probe aus Beryllium-7 in eine geeignete Halterung und diese wiederum in die etwa Kochtopfgrosse Vorrichtung überführt werden, die für den Einsatz im Experimentieraufbau am Cern bestimmt war. Zuletzt musste zur richtigen Zeit ein Sondertransport für radioaktive Stoffe vom PSI ans Cern organisiert und genehmigt werden. «Die eigentliche Probe, die wir dem Cern geliefert haben, enthielt nur einige millionstel Gramm an Beryllium-7», erzählt Schumann. «Doch durch die entsprechende Abschirmung ergab sich am Ende ein Transportgewicht von 800 Kilogramm.»

Quelle

M.B. nach PSI, Medienmitteilung, 24. Juli 2018

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