Störfall der Ines-Stufe 2 in Forsmark

Am 25. Juli 2006 kam es bei Instandhaltungsarbeiten der nationalen Netzbetreiberin Svenska Kraftnät (SVK) in einer aussen liegenden Schaltanlage beim schwedischen Kernkraftwerk Forsmark zu einem Kurzschluss. Dieser löste eine Schnellabschaltung (Scram) von Block 1 (961 MW, BWR) aus und eine komplexe Kaskade unerwarteter Ereignisse, die im Einzelnen noch untersucht werden.

3. Aug. 2006
Im Kernkraftwerk Forsmark-2 ereignete sich ein Zwischenfall, der provisorisch der Stufe 2 der internationalen Störfallbewertungsskala Ines zugeordnet worden ist.
Im Kernkraftwerk Forsmark-2 ereignete sich ein Zwischenfall, der provisorisch der Stufe 2 der internationalen Störfallbewertungsskala Ines zugeordnet worden ist.
Quelle: Sika Sverige AB

Wie inzwischen feststeht, versagten wegen eines Auslegungsfehlers zwei der vier Stränge zur Umschaltung auf Notstrombetrieb. Daher fiel im Kontrollraum zeitweise ein Teil der Anzeigen aus und die Betriebsmannschaft musste zwei der vier Notstrom-Dieselgeneratoren von Hand starten. Weil beim Zwischenfall verschiedene Systeme aus einer gemeinsamen Ursache versagten (Common-cause-failure), wurde er auf der siebenstufigen internationalen Ereignisskala Ines der Internationalen Atomenergie-Organisation (IAEO) als «Zwischenfall» der Stufe 2 klassiert. Stufe 2 beschreibt Vorkommnisse mit Versagen von Sicherheitseinrichtungen, aber mit genügenden Sicherheitsreserven, um auch mit zusätzlichen Fehlern fertig zu werden.
Für die Blöcke Forsmark-2 (959 MW, BWR) und -3 (1185 MW, BWR) hatte der Störfall keine unmittelbaren Folgen. Doch bleiben aus Vorsichtsgründen der Block 2 von Forsmark sowie die Blöcke 1 (467 MW, BWR) und 2 (602 MW, BWR) des Kernkraftwerks Oskarshamn vorläufig abgeschaltet. Sie sind mit der gleichen Umschaltung zur unterbrechungsfreien Stromversorgung ausgerüstet wie Forsmark-1. Endgültig nicht betroffen sind die schwedischen Kernkraftwerkseinheiten Forsmark-3, Oskarshamn-3 und Ringhals-1 bis -4. Auch die beiden aus Schweden stammenden Siedewasserreaktoren Olkiluoto-1 und -2 in Finnland sind nicht betroffen.

Provisorische Untersuchung der SKI

Als sich nach dem Zwischenfall herausstellte, wie komplex der Ablauf gewesen war, entsandte die schwedische nukleare Aufsichtsbehörde Statens Kärnkraftinspektion (SKI) mehrere Fachleute an den Standort. Sie verfassten einen ersten, provisorischen Untersuchungsbericht, der am 31. Juli auf Schwedisch und seit dem 3. August auch auf Englisch auf der SKI-Inter-netsite einzusehen ist (www.ski.se -> englische Website -> Meldung vom 3.8.2006 -> «Immediate SKI review at the Forsmark 1 unit»). Wie die SKI darin feststellt, handelten die Betreiberin und das Schichtpersonal jederzeit richtig und stuften die Folgen korrekt ein.
Laut dem Bericht führte der Kurzschluss in der externen Schaltanlage zunächst zur Trennung von Forsmark-1 vom Netz. Dies löste eine Teilabschaltung der beiden Turbinengruppen aus. Das Wegfallen der Turbinen als Dampfverbraucher zog die automatische Schnellabschaltung nach sich. Da nur zwei der vier redundanten Notstromsysteme in Betrieb gingen, wurden vorsorglich weitere Reaktorschutzsysteme aktiviert. Dabei wurden die Containment-Sprinkleranlage und die automatische Druckentlastung gestartet. Vom Kontrollraum aus konnten die Operateure dies verfolgen, obschon die Steuerstabanzeige und ein Teil der Bildschirmgeräte wegen eines Fehlers in der Notstromversorgung ausgefallen waren. Vier der acht Reaktorumwälzpumpen wie auch das Hilfsspeisewassersystem blieben jedenfalls in Betrieb und die Abfuhr der Nachwärme damit ausreichend gesichert.
Als Folge der Reaktorabschaltung und der Druckentlastung sank der Druck im Reaktor innerhalb von 20 Minuten auf 12 bar ab. Der Kühlmittelstand fiel von 4 auf 2 m und stabilisierte sich ohne Eingriff der Operateure auf diesem Niveau, bei dem die Nachkühlung nicht gefährdet ist. Die Operateure waren ständig über den Kühlmittelstand im Reaktor informiert und waren darauf vorbereitet, zusätzliche Notfall-massnahmen zu aktivieren, falls der Füllstand auf 1,1 m oberhalb Kernoberkante fallen sollte (auch bei 1,1 m und darunter ist der Kern noch ausreichend gekühlt). Dieser weitere vorsorgliche Schritt war jedoch nicht notwendig, weil die verfügbaren zwei Sicherheitssysteme ord-nungsgemäss funktionierten.
Nach 23 Minuten stellten die Operateure fest, dass die zwei Notstromdieselgruppen, die sich automatisch abgeschaltet hatten, manuell zu starten waren. Sobald sie in Betrieb waren, stabilisierte sich die Lage in den elektrischen Versorgungsnetzen rasch und die Operateure konnten den Reaktor in den heissen Abschaltzustand überführen. Eine Kernzerstörung wäre jedoch auch dann ausgeblieben, wenn diese beiden Dieselgeneratoren nicht hätten eingeschaltet werden können.

Rekonstruktion des Ablaufs

Wie die SKI feststellen durfte, verrichteten die Operateure ihre Aufgaben trotz der Schwierigkeiten durch die Teilausfälle im Kontrollraum richtig. Auch Hess sich der Ereignisablauf weitgehend rekonstruieren. Auslöser war eindeutig der Kurzschluss in der externen 400-kV-Schalt-anlage, dessen Ursache die SVK noch untersucht. Der Kurzschluss destabilisierte das 70-kV-, das 6-kV- und das 500-V-Netz von Fors-mark-1. In der Folge sollte die viersträngige unterbrechungsfreie Stromversorgung automatisch auf Dieselbetrieb umstellen. Bis die vier Notstromdiesel ansprangen, sollten Batterien über Wechselrichter die 500-V-Versorgung sicherstellen. Wegen eines Auslegungsfehlers der 1993/94 nachgerüsteten unterbrechungsfreien Stromversorgung erfolgte diese Umschaltung bei zwei der vier Stränge nicht. Stattdessen sprach das Wechselrichter-Schutzsystem an, die Batterieenergie war nicht verfügbar und die beiden zugehörigen Dieselaggregate schalteten wieder ab. Der Ausfall zweier Redundanzen des sicheren 500 V-Netzes durch eine Störung im externen Netz hat eine gravierende Schwachstelle in der sicheren Stromversorgung des Kraftwerks in Forsmark offenbart. Die betroffenen Anlagen können daher erst nach detaillierter Klärung der Ursachen und der Beseitigung des Fehlers wieder angefahren werden.

Quelle

P.B./ M.A. nach SKI, Medienmitteilungen vom 27. Juli und 3. sowie 4. August und Untersuchungsbericht vom 31. Juli/3. August 2006

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