Zwischenlager Würenlingen auf der Zielgeraden

3. Mai 1999

Kurt Küffer, Präsident des Verwaltungsrats, an der Generalversammlung der Zwilag vom 4. Mai 1999


Die Erteilung der bundesrätlichen Baubewilligung für das Zwischenlager Würenlingen im August 1996 hat sichtbare Folgen: Die wichtigsten Gebäude sind fertiggestellt, und die Abschlussarbeiten an den Inneneinrichtungen sowie die provisorischen Abnahmen laufen auf Hochtouren.
Ende 1997 wurde das Gesuch um die Erteilung der Betriebsbewilligung für die Behandlungsanlagen für radioaktive Abfälle eingereicht. Die Aussichten auf die Erteilung der letzten noch ausstehenden Bewilligung noch in diesem Jahr oder kurz danach stehen gut. Dieser Erwartung haben wir in unserer Stellungnahme Ausdruck gegeben; sie wird -zusammen mit dem Gutachten der Hauptabteilung für die Sicherheit der Kernanlagen (HSK) und der Stellungnahme der Eidg. Kommission für die Sicherheit von Kernanlagen (KSA) - zu Beginn der zweiten Jahreshälfte 1999 öffentlich aufgelegt. Dies ist die letzte Präsentation in der Öffentlichkeit ... wenn man vom Tag der offenen Tür am kommenden 26. Juni absieht, zu dem wir die Bevölkerung aus Nah und Fern einladen wollen.
Die Zwilag hat alles Interesse, die Projektarbeiten zügig voranzutreiben und die Inbetriebnahmephase vorzubereiten. Zwilag-intern noch nicht entschieden ist die Frage, ob oder wann mit der Verwirklichung der Lagerhalle S für schwach- und mittelaktive Abfälle begonnen werden soll.
Die Frage stellt sich - ich habe schon vor einem Jahr darauf hingewiesen - in einem veränderten Licht, weil die Bemühungen der Kernkraftwerkbetreiber zur Volumenreduktion der schwach- und mittelaktiven Betriebsabfälle durch Verbrennung, Verpressung, Dekontaminierung und Kompaktierung gute Fortschritte machen, und weil noch Kapazität in den kernkraftwerkseigenen Zwischenlagern vorhanden ist.
Die Frage wird darüber hinaus von den Abfallvolumina beeinflusst, die aus den beiden Wiederaufarbeitungsanlagen in Frankreich und England zurückfliessen werden. Entsprechende Verhandlungen zur Verminderung dieser Abfallmengen haben bereits zu einer wesentlichen Reduktion geführt, wobei noch nicht das gesamte Potential ausgeschöpft ist. Auch die zukünftige Haltung der Schweizer Betreiber im Hinblick auf eine allfällige Ausweitung der bestehenden Wiederaufarbeitungsverträge oder bezüglich einer direkten Endlagerung bestrahlter Brennelemente spielt hier ebenso hinein wie die Betriebsdauer der Kernkraftwerke und der Fortschritt bei der Realisierung des Endlagers Wellenberg.

Bedarf für die Zwischenlagerung
Den Schweizer Kernkraftwerken wurden beim Bau bestimmte Kapazitäten für die Zwischenlagerung von radioaktiven Betriebsabfällen beigemessen. In Anbetracht von gewissen Engpässen in der Zwischenlagerung wurde die Lagerkapazität für bestrahlte Brennelemente frühzeitig in Form von sogenannten Kompaktlagern vergrössert. Die Kompaktlager brachten eine substanzielle Erweiterung der Zwischenlagerkapazität für bestrahlte Brennelemente in den Kraftwerken selber.
Das Mengenproblem bei den radioaktiven Abfällen hat sich entschärft und erscheint heute generell in einem neuen Licht. Verantwortlich für diese positive Entwicklung sind neben den bereits erwähnten Fortschritten in der Volumenreduktion

  • die hohe betriebliche Verfügbarkeit der Kernkraftwerke,
  • die erhöhten Abbrandwerte bei den Brennelementen,
  • der generell sorgfältige Umgang mit Anlagen und Abfällen,
  • die deutliche Reduktion der zu erwartenden Stilllegungsabfälle zufolge technischer Forschritte.

Bei den schwach- und mittelaktiven Abfällen sind auch die Abfälle aus Medizin, Industrie und Forschung enthalten, für die der Bund verantwortlich zeichnet.
Der grosse Würfel mit 40 Metern Seitenlänge steht für jene Abfälle, für die das Endlager Wellenberg geplant ist. Es ist Ihnen bekannt, dass das Endlagerprojekt, das von der Behörde als machbar und technisch geeignet bezeichnet wurde und wird, noch nicht alle wichtigen politischen Hürden genommen hat. Das Rahmenbewilligungsverfahren ist vorläufig sistiert. Konkrete Aussagen über den Zeitpunkt seiner Betriebsaufnahme lassen sich heute nicht machen. Die Fertigstellung und die Inbetriebnahme des Zwischenlagers Würenlingen im Verlaufe dieses Jahres erhöht unseren Handlungsspielraum.
Wie bereits erwähnt, sind die Volumina der zwischenzulagernden Abfälle nicht nur vom Zeitpunkt der Fertigstellung des Endlagers Wellenberg abhängig, sondern auch von der Lebensdauer der Kernkraftwerke.

40 Jahre und ein Bisschen weiser
Mit Bezug auf die Frage der Lebensdauer unserer Kernkraftwerke stellt die jüngste Behördeneinschätzung einen bemerkenswerten Meilenstein dar. Die nukleare Sicherheitsbehörde kommt nämlich zu folgender Beurteilung aus sicherheitstechnischem Blickwinkel:

  • Es gibt heute keine Gründe, wonach die Kernkraftwerke Beznau und Mühleberg nicht mindestens 50 Jahre betrieben werden könnten, also 10 Jahre über die heutige Auslegungsbasis von 40 Jahren hinaus.
  • Es gibt heute keine Gründe, wonach die Kernkraftwerke Gösgen und Leibstadt nicht mindestens 20 Jahre über die Auslegungsbasis von 40 Jahren hinaus betrieben werden könnten.
  • Es gibt heute keine Gründe, wonach eine konkrete Restbetriebsdauer festzulegen wäre.

Dies alles ist natürlich Musik in den Ohren all jener, die sich für eine grundsätzlich offene Lebensdauer unserer Kernkraftwerke einsetzen. Es ist aber auch eine Bestätigung für die sinnvolle Forderung nach einer Ablösung der auf zehn Jahre beschränkten Betriebsbewilligung für Beznau-II und Mühleberg durch zeitlich nicht limitierte Bewilligungen. Ich erinnere in diesem Zusammenhang an England, wo das Kernkraftwerk Calder Hall bereits im 44. Betriebsjahr steht, und an die USA, wo die erstmalige Erteilung der Bewilligung zur Verlängerung der Betriebszeit auf 60 Jahre in den nächsten Monaten erwartet wird.
Je länger die Kernkraftwerke sicher betrieben werden, desto höher wird die Fitness für die Marktöffnung, d.h. desto weniger bedeutsam werden die nicht amortisierbaren Investitionen und die heute noch nicht gedeckten Entsorgungskosten. Das haben auch die Gegner festgestellt und ihre heutigen Verhinderungsstrategien darauf aufgebaut.
Die finanzielle Situation der Zwilag präsentiert sich freundlich. In der Geschäftsbilanz gibt es keine Position öffentliche Anleihen. Die Partner ziehen es vor, selber in die Rolle der Financiers zu schlüpfen. Schliesslich haben sie seit Beginn der Nuklearstromproduktion Rückstellungen für die Entsorgungskosten getätigt, die auch die Kosten der Zwischenlagerung beinhalten. Dies ist ein erster Beweis dafür, dass die Kernkraftwerkbetreiber ihren substanziellen Beitrag zur nachhaltigen Stromversorgung unseres Landes stets auf lange Sicht und mit den dafür zurückgestellten Mitteln in eigener Verantwortung erbringen wollen.
Dies dient nicht nur den übergeordneten wirtschaftlichen, ökologischen und sozialen Zielen der Schweiz, sondern ganz speziell auch der Erhaltung von Arbeitsplätzen in der Standortregion. Wir sind stolz, dass wir dazu einen wesentlichen Beitrag leisten dürfen.

Wiederaufarbeitung und/oder direkte Endlagerung
Im Folgenden möchte ich mich dem Thema Wiederaufarbeitung und/oder direkte Endlagerung zuwenden.
Die Schweiz gehört bekanntlich zur Gruppe jener Länder - wie Belgien, Frankreich, Japan - die ihr Kernenergieprogramm auf dem geschlossenen Brennstoffkreislauf aufgebaut haben. Sie haben sich für die Wiederaufarbeitung und Rezyklierung von wertvollem Uran sowie Plutonium aus den bestrahlten Brennelementen entschieden und damit einen bedeutenden Beitrag zur Schonung der Brennstoffressourcen und zur Elimination von Plutonium geleistet.
Die Frage, ob bestrahlte Brennelemente zukünftig wiederaufzuarbeiten oder der direkten Endlagerung zuzuführen sind, sollte sich anhand überprüfbarer Kriterien beantworten lassen.
Dazu gehören die Weiterführung des Kernenergieprogramms, der Einfluss auf die Nachhaltigkeit dieser Energieform im Vergleich zu den übrigen Möglichkeiten, Strom zu erzeugen, die Berücksichtigung der vorhandenen primären Ressourcen, die Wirtschaftlichkeit und die Proliferationssicherheit.
Die Wiederaufarbeitung präsentiert sich seit vielen Jahren als industriell erprobter Weg, bestrahlten Brennelementen die wiederverwendbaren Anteile Plutonium und Uran zu entziehen und über die Fabrikation von Mox-Brennelementen (Mischoxid aus Plutonium und Uran) erneut der Energieerzeugung im Kernreaktor zuzuführen. Die nicht wieder verwendbaren Teile werden mittels Verglasung und Einbringen in Transport-/Lagerbehälter in eine endlagerfähige Form gebracht. Es kann geltend gemacht werden, dass Mox-Brennelemente teurer zu stehen kommen als die Beschaffung von neuen Brennelementen. Die Nachhaltigkeitskriterien mit Wiederaufbereitung und Rezyklierung von Uran und Plutonium werden aber insgesamt wesentlich besser erfüllt als mit direkter Endlagerung. Trotzdem würde eine direkte Endlagerung die Nachhaltigkeit der Kernenergie im Vergleich zu den übrigen Stromerzeugungsarten, wie sie einer Studie des PSI über die Lebenszyklusanalyse (GaBE) mit Wiederaufarbeitung entnommen werden kann, kaum wesentlich verschlechtern. Der z.T. beträchtliche Vorsprung gegenüber der Stromerzeugung aus fossilen Brennstoffen und aus Biomasse bleibt erhalten.
Für die direkte Endlagerung von bestrahlten Brennelementen fehlt noch die Realisierung im industriellen Massstab. Verschiedene technische Konzepte werden verfolgt, und es bestehen ökonomische Ungewissheiten. Bezüglich der Transportproblematik sind beide Wege gleichwertig, da sowohl die Wiederaufarbeitung wie die Konditionierung zur direkten Endlagerung, sinnvollerweise in Grossanlagen im Ausland, erfolgt. Eine direkte Endlagerung wird dem Kriterium der Ressourcenschonung nicht gerecht, und die Proliferationssicherheit ist angesichts der beträchtlichen Plutoniuminhalte abgebrannter Brennelemente umstritten.

Die Haltung der Schweizer KKW-Betreiber
Die schweizerischen Partner zeigten sich seit der Einführung der Kernenergie in unserem Land als ökologisch verantwortungsbewusste KKW-Betreiber. Ihr Entscheid für die Wiederaufarbeitung verbunden mit bedeutenden Investitionen in die Anlagen in Frankreich und England hat langfristige Wirkung. Von den in 40 Betriebsjahren anfallenden 3100 Tonnen Schwermetall sind zurzeit rund ein Drittel vertraglich zur Wiederaufarbeitung abgedeckt. Es ist richtig, dass der damalige Entscheid für den Weg der Wiederaufarbeitung auch von den knapperen und teureren nuklearen Brennstoffquellen mitbeeinflusst war und sich auf einem langfristigen Kernenergieprogramm abstützte.
Es ist jedoch nur dann sinnvoll, durch Wiederaufarbeitung der Brennelemente das Plutonium abzutrennen, wenn wir über eine Möglichkeit verfügen, zu einem späteren Zeitpunkt dieses in einem Reaktor zu verbrennen und damit aus der Welt zu schaffen. Daher ist es wichtig, dass sowohl die Wiederaufarbeitung wie auch die direkte Endlagerung als Entsorgungswege zur Verfügung stehen. Die Fertigstellung des ZWILAG ermöglicht uns nun nach der Wiederaufarbeitung der vertraglich erfassten Mengen beide Wege offenzuhalten.
Diese Politik bedingt neben einer zügigen Inbetriebnahme des ZWILAG die Gewährleistung der Transporte zwischen den Kernkraftwerken, den Wiederaufarbeitungsanlagen und dem Zwischenlager Würenlingen. Mit den ersten Transporten, jenen aus Lucens, soll im Spätherbst dieses Jahres begonnen werden. Ab Anfang 2000 ist dann mit einzelnen Transporten bestrahlter Brennelemente aus dem KKL und dem KKG ins Zwischenlager zu rechnen.
Die Endlagerung der radioaktiven Abfälle ist auf zwei Ebenen voranzutreiben: National verfolgen die Nagra und die GNW den eingeschlagenen Pfad. Daneben gilt es auch, das Interesse einer Beteiligung an internationalen Entsorgungslösungen wahrzunehmen. Bei beiden Stossrichtungen gilt es, europakonforme Vorschriften, Auflagen und Sicherheitsansprüche zu konkretisieren und sich von den Nachhaltigkeitskriterien leiten zu lassen.

Quelle

Kurt Küffer

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