60 Jahre Fakten und Wissen

Jahresversammlung des Nuklearforums Schweiz

Das Nuklearforum Schweiz feierte heute an der Jahresversammlung im Landesmuseum Zürich sein 60-jähriges Bestehen. Dabei stand für einmal nicht ein wissenschaftlich-technisches, sondern ein philosophisches Thema im Fokus: «Denkgebote für die Zukunft». Vor diesem Hintergrund ging die Veranstaltung der Frage nach, ob und wie sehr das freie akademische Denken bedroht ist.

23. Mai 2018

Als wissenschaftlich-technische Vereinigung beobachtet das Nuklearforum mit Besorgnis eine Tendenz zur Politisierung oder gar Ideologisierung bei Technologie-Debatten – auch an den universitären Hochschulen. Zwar gibt es nur wenige formelle Forschungs- und keine Schreibverbote, wohl aber einen starken politischen Druck zur Marginalisierung politisch unliebsamer Wissensgebiete. Beispiele hierfür finden sich in der grünen Gentechnik, der Nukleartechnik und ansatzweise auch schon bei der Nanotechnik.

«Wer nicht auf seine Weise denkt, denkt überhaupt nicht.»
«Denken ohne die individuelle Freiheit des Denkens führt nirgendwohin», mahnte Nationalrat Hans-Ulrich Bigler, Präsident des Nuklearforums, zu Beginn der Jahresversammlung in Anlehnung an das Zitat des irischen Schriftstellers Oscar Wilde in der Überschrift. Im weit verbreiteten Verständnis seien die universitären Hochschulen die Bollwerke des ungebundenen Denkens. «Mehr noch: Das vorurteilslose Suchen nach Erkenntnis und das skeptische Überprüfen des eigenen Gedankengebäudes ist die Grundlage der abendländischen Wissenschaft. Dieser Ansatz war ausserordentlich erfolgreich und hat in den letzten zweihundert Jahren unser Leben grundlegend verändert. Dazu gehört auch die Entdeckung der Kernspaltung und die Erfindung der Maschinen, die daraus Strom machen», so Bigler.

Als Parlamentarier sei er darauf angewiesen, dass ihm die Wissenschaft fundierte, belastbare Entscheidungsgrundlagen liefert – sei das im Sozialen, im Wirtschaftlichen, im Naturwissenschaftlichen oder im Ingenieurtechnischen. «Das erfordert Vertrauen.» Dieses Vertrauen leide jedoch angesichts gewisser Aussagen von Hochschulvertretern oder zweifelhafter Studien, von denen man in der Zeitung liest. Als aktuelles Beispiel dafür nannte Bigler die jüngsten Forderungen der Schweizerischen Energiestiftung bezüglich der Stilllegungs- und Entsorgungskosten, gestützt von einem vordergründig «unabhängigen» Gutachten.

Wenn das Gute wichtiger ist als das Wahre
Boris Kotchoubey, Professor am Institut für Medizinische Psychologie und Verhaltens-Neuro-Biologie der Universität Tübingen, kündigte Bigler als Referenten an, der «kein Blatt vor den Mund nimmt und seinem Denken freie Bahn lässt». Kotchoubey erklärte zuerst die Funktionsweise des gegenwärtigen Wissenschaftsbetriebs und dabei insbesondere die dominante Rolle der Zeitschriften als Händler. «Wissenschaftliche Zeitschriften haben die Funktion der Wissensvermittlung in der ‹Republik der Gelehrten› und die Funktion der Priorisierung verloren», so Kotchoubey.

Ein weiteres Problem sieht er in der «Verstaatlichung» der Wissenschaft: Dadurch, dass die überwiegende Mehrheit der Forscher Angestellte des öffentlichen Dienstes sind, entziehe sich zwar die Forschung dem Einfluss des privaten Geldes. Jedoch fördere dies das «objektive Interesse der Wissenschaftler an einem dicken, starken, eingreifenden Staat». Kotchoubeys Analyse der politischen Gesinnung von Professoren in den USA führt ihn zum Schluss, dass allgemein eine Linksverschiebung auszumachen ist. Das habe dazu geführt, dass bei wissenschaftlichen Arbeiten oft «das Wahre» mit dem «Guten» in Konflikt stehe.

Objektivität oder Fähigkeit zur Objektivierung?
Bei der anschliessenden Podiumsdiskussion ging es um die Objektivität der Wissenschaft und die Frage, ob die Forschung besser vom Staat oder privat finanziert werden soll. Simon Schmid, Wirtschaftsreporter und Datenjournalist beim Online-Magazin «Republik», hielt die Forderung nach absoluter Objektivität sowohl in der Wissenschaft als auch bei den Medien für naiv, da sowohl Wissenschaftler als auch Medienschaffende letztendlich Menschen sind. Das Mediensystem bewegt sich zudem ebenso wie die Wissenschaft innerhalb einer «Ökonomie der Aufmerksamkeit».

Kotchoubey schlug in diesem Zusammenhang vor, zwischen Objektivität und der Fähigkeit zur Objektivierung zu unterscheiden, wobei er letztere sowohl von Forschern als auch von Richtern erwartet.

Michelle Inauen, FDP-Politikerin und Gründerin des Vereins «Junge aufs Podium», berichtete aus eigener Erfahrung, dass auch unter Studierenden der ETH das Denken immer einseitiger werde. So würden zum Beispiel Studierende, die sich positiv zum Brexit äussern, von der breiten Masse als unqualifiziert abgekanzelt. Sie forderte eine Diskussionskultur, die allen Meinungen eine Plattform bietet. Sie gab zu bedenken, dass gerade im technischen Bereich die Forschungsfinanzierung durch private Unternehmen transparenter sei, als die staatliche Finanzierung von Forschung, die dann politisch instrumentalisiert werden könne. 

Kontakt

Stefan Diepenbrock, Leiter Kommunikation, stefan.diepenbrock@nuklearforum.ch  
Matthias Rey, Media Relations, matthias.rey@nuklearforum.ch
 
Nuklearforum Schweiz, Frohburgstrasse 20, 4600 Olten
Tel.: +41 (0)31 560 36 50

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