Cern: exotisches Tetraquark entdeckt

Den Forschenden des LHCb-Experiments am Europäischen Kernforschungszentrum Cern bei Genf ist es gelungen, ein Tetraquark aus vier Quarks desselben Typs (Flavor) nachzuweisen. Es besteht aus zwei Charm-Quarks und zwei Anti-Charm-Quarks. Dieses neue Teilchen, das kürzlich auf einem Seminar am Cern vorgestellt und in einem auf dem arXiv-Preprint-Server veröffentlichten Artikel beschrieben worden ist, ist wahrscheinlich das erste einer bisher noch nicht beobachteten Teilchenklasse.

7. Aug. 2020
Das neu entdeckte Tetraquark-Teilchen besteht aus zwei Charm-Quarks und zwei Anti-Charm-Quarks.
Das neu entdeckte Tetraquark-Teilchen besteht aus zwei Charm-Quarks und zwei Anti-Charm-Quarks.
Quelle: LHCb Collaboration/Cern

Normalerweise treten Quarks zu zweit oder zu dritt auf und bilden Teilchen, die Hadronen genannt werden. Jahrzehntelang haben Theoretiker jedoch die Existenz von Hadronen postuliert, die aus vier oder fünf Quarks bestehen, manchmal als Tetra- und Pentaquarks bezeichnet. In den letzten Jahren haben Experimente, darunter das LHCb, die Existenz mehrerer dieser exotischen Teilchen bestätigt. Diese Teilchen, die aus ungewöhnlichen Kombinationen von Quarks bestehen, sind ein ideales «Labor» für die Untersuchung einer der vier fundamentalen Kräfte, die der Natur bekannt sind, nämlich der starken Wechselwirkung, welche die Protonen, Neutronen und Atomkerne, aus denen die Materie besteht, zusammenhält. Eine genaue Kenntnis der starken Wechselwirkung ist auch notwendig, um festzustellen, ob neue, unvorhergesehene Prozesse ein Zeichen für eine neue Physik sind oder nicht.

«Teilchen, die aus vier Quarks bestehen, sind ohnehin schon exotisch. Das Teilchen, das wir gerade entdeckt haben, ist das erste, das aus vier schweren Quarks desselben Typs besteht», erklärte Giovanni Passaleva, der ehemalige Sprecher des LHCb-Projektes. «Bisher hatte das LHCb und andere Experimente nur Tetraquarks mit höchstens zwei schweren Quarks nachweisen können – und keine mit mehr als zwei Quarks desselben Typs.»

LHCb-Sprecher Chris Parkes meinte: «Diese exotischen schweren Teilchen sind extreme und dennoch theoretisch recht einfache Fälle. Mit ihnen lassen sich Modelle testen, welche die Natur gewöhnlicher Materieteilchen wie Protonen oder Neutronen erklären. Es ist daher sehr aufregend zu sehen, wie sie zum ersten Mal bei Kollisionen am LHC auftreten.»

Entdeckung des Tetraquarks

Das neue Teilchen entdeckte die Forschungsgruppe indem sie Daten der ersten beiden Laufzeiten des Large Hadron Collider (LHC) durchforsteten. Die Daten stammten aus Experimenten aus den Jahren 2009 bis 2013 und von 2015 bis 2018. Sie wurden nach Ereignissen durchsucht, bei denen auffallend viele Kollisionen im Beschleuniger dokumentiert wurden. In den Daten zeigten sich dann «Erhebungen», sogenannte Bumps, die den Standartwert von fünf Sigma überschritten. Ab diesem Wert gelten die Ergebnisse als signifikant, sodass offiziell von einer Entdeckung gesprochen werden kann.

Wie bei früheren Tetraquark-Entdeckungen ist nicht ganz klar, ob es sich bei dem neuen Teilchen um einen «echten Tetraquark» handelt, d.h. um ein System aus vier eng miteinander verbundenen Quarks oder um ein Paar von zwei Quark-Teilchen, die schwach in einer molekülartigen Struktur gebunden sind. In jedem Fall wird der neue Tetraquark Theoretikern helfen, Modelle der Quantenchromodynamik, der Theorie der starken Wechselwirkung, zu testen.

Quelle

M.A. nach Cern, Medienmitteilung, 1. Juli, et Science &Future, YouTube-Video Clixoom, 6. Juli 2020

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