Exotische Materie erstmals experimentell nachgewiesen
Nach acht Jahren gelang es einer Gruppe um Masaki Hori, leitender Physiker am Max-Planck-Institut für Quantenoptik (MPQ) in Garching, in einem Experiment, die Existenz von langlebigen pionischen Heliumatomen nachzuweisen. Die Ergebnisse erschienen online im Fachblatt «Nature».
Acht Jahre lang hat Horis Gruppe an dem herausfordernden Pionierexperiment gearbeitet, das das Potenzial hat, ein neues Forschungsfeld zu gründen. Es war ein wissenschaftlicher Marathonlauf, der durch eine internationale Kooperation zwischen dem Max-Planck-Institut für Quantenoptik, dem Paul Scherrer Institut (PSI) und dem Europäischen Kernforschungszentrum Cern, möglich wurde.
Dem Team gelang es, erstmals die Existenz von längerlebigen pionischen Heliumatomen nachzuweisen. In diesem ersetzt das negativ geladene Pion eines der beiden Elektronen des Heliumatoms. «Es ist eine Art chemischer Reaktion, die ganz automatisch passiert», erklärt Hori.
Das pionische Helium war bereits 1964 theoretisch vorhergesagt worden, nachdem damalige Experimente Hinweise auf dessen Existenz zeigten. Es galt aber als extrem schwierig, diese Vorhersage experimentell zu beweisen. Das ohnehin schon extrem kurzlebige Pion zerfällt im Atom normalerweise noch schneller, nämlich typischerweise innerhalb einer Pikosekunde, also einer billionstel Sekunde. Doch im pionischen Helium kann es gewissermassen konserviert werden und lebt dadurch tausend Mal länger als sonst in anderen Atomen.
Trümmerteile des Atomkerns als «rauchender Colt»
Die Herausforderung für das Team war, die tatsächliche Existenz eines solchen pionischen Heliums im Tank ihres Experiments, der mit extrem kaltem, suprafluidem Helium gefüllt war, nachzuweisen. Im Heliumatom verhält sich das Pion wie ein schweres Elektron. Es kann nur zwischen diskreten Quantenzuständen springen, wie zwischen Leiterstufen. Für den Nachweis musste die Gruppe einen langlebigen Zustand und einen speziellen Quantensprung finden, den sie mit einem Laser anregen und so das Pion in den Kern des Heliumatoms befördern konnte. Dieser Vorgang zerstört den Kern des Atoms, als Nachweis des Pions dienen dann die Trümmerteile des Atomkerns als eine Art «rauchender Colt». Allerdings konnten die Theoretiker nicht genau vorhersagen, bei welcher Lichtwellenlänge dieser entscheidende Quantensprung passieren würde. Also musste das Team drei komplexe Lasersysteme nacheinander aufbauen, bis es erfolgreich war.
«Dieser Erfolg macht Pionen erstmals den Methoden der Quantenoptik zugänglich», freut sich Hori. Dazu gehört die Laserspektroskopie, eines der präzisesten Werkzeuge der Physik überhaupt. Das Experiment eröffnet also die Möglichkeit, das Pion in diesen Quantenzuständen wesentlich genauer zu untersuchen, als dies bislang möglich war.
Neues Fenster in den Quantenkosmos
Das Pion gehören zur Teilchenfamilie der sogenannten Mesonen. Diese vermitteln auch die Kernkraft zwischen den Bausteinen der Atomkerne, den Neutronen und Protonen. Obwohl die elektrisch gleich geladenen Protonen sich heftig gegenseitig abstossen, klammert die stärkere Kernkraft sie zum Atomkern zusammen. Ohne diese Kraft würde also unsere Welt nicht existieren. Von den Protonen und Neutronen, die jeweils aus drei Quarks aufgebaut sind, unterscheiden sich die Mesonen zudem grundsätzlich, denn sie bestehen aus zwei Quarks. Hori hofft nun, dass er mit dem gelungenen Experiment ein neues Fenster in den Quantenkosmos der Teilchen und Kräfte öffnen konnte.
Quelle
M.A. nach PSI und MPQ, Medienmitteilungen, 7. Mai 2020, und Hori, M., Aghai-Khozani, H, Sótér, A., Dax, A, und Barna, D. Laspectroscopy of pionic helium atoms, Nature, 6. Mai 2020 (online), DOI: 10.1038/s41586-020-2240-x