Kernenergie in der Slowakei: ein Erfolgsrezept?

Die Slowakei will die Planung neuer Kernkraftwerke vorantreiben, steht aber Herausforderungen gegenüber. Gesucht werden die richtigen Partner für die Neubauprojekte wie auch junge Nuklearfachleute, führt Juraj Klepac, Geschäftsführer der Slovak Nuclear Society (SNUS) in einem Interview mit der internationalen Kernenergie-Nachrichtenagentur NucNet aus.

22. Aug. 2013
Juraj Klepac, Geschäftsführer der Slovak Nuclear Society (SNUS): «Die Fertigstellung der Kernkraftwerkseinheiten Mochovce-3 und -4 ist zentral.»
Juraj Klepac, Geschäftsführer der Slovak Nuclear Society (SNUS): «Die Fertigstellung der Kernkraftwerkseinheiten Mochovce-3 und -4 ist zentral.»
Quelle: Global2000

NucNet: Was sind die zentralen Themen und die Herausforderungen für die weitere Nutzung der Kernenergie in der Slowakei?
Juraj Klepac: Die Fertigstellung der Kernkraftwerkseinheiten Mochovce-3 und -4. Der 1985 begonnene Bau der beiden Einheiten russischer Auslegung wurde aus Geldmangel anfangs der 1990er-Jahre eingestellt. Die italienische Enel S.p.a. – seit 2006 Mehrheitsaktionärin der Slovenské Elektrarne a.s. (SE), die das Mochovce-Werk besitzt und betreibt – hat 2009 den Fertigbau der beiden Einheiten eingeleitet. Nach den ursprünglichen Plänen sollte Mochovce-3 den Betrieb Ende 2012 aufnehmen, Mochovce-4 sollte Ende 2013 folgen. Jetzt kommt es zu Verzögerungen. Die Verzögerungen führen zu höheren Baukosten und die zu erwartenden Einkünfte werden sich erst später einstellen.
Bei einem so grossen Projekt können Probleme auftreten, insbesondere nachdem der Bau für über zwei Jahrzehnte unterbrochen blieb und die Kontinuität verloren ging. Infolge des Reaktorunfalls in Fukushima-Daiichi mussten wir Stresstests durchführen und die Resultate und Empfehlungen in die Auslegung der Anlagen miteinarbeiten, was den Bau zusätzlich verzögert hat.

Ein anderes Thema, das nicht nur die Slowakei, sondern viele Länder betrifft, ist der drohende Fachkräftemangel. Wir stehen einem Generationenwechsel gegenüber. Viele Kerntechnik-Fachleute werden pensioniert. Der Ersatz dieser Fachkräfte wird ein echtes Problem sein. Obwohl in slowakischen und europäischen Universitäten Ingenieurstudien angeboten werden, ist das Interesse an einem technischen Werdegang bei den jungen Leuten gering und die Fachleute mit einem Abschluss in technischer Richtung werden oft in andere Berufssektoren abgeworben, beispielweise in Finanzinstitute. Technische Ausbildungsstätten haben bereits Kampagnen gestartet, um mehr Studenten für die entsprechenden Fachrichtungen zu gewinnen. Doch ich denke, Versorgungsunternehmen müssen ihre Rekrutierungspolitik überdenken, um selbst attraktiver für junge Leute zu werden.

Glauben Sie, die Verhandlungen zwischen der Enel als Hauptinvestorin und der slowakischen Regierung als Minderheitsaktionärin werden erfolgreich sein und die nötigen Schritte zur Fertigstellung von Mochovce-3 und -4 eingeleitet?
Ich denke schon. Sonst würde es zu verstärkter Unsicherheit kommen, was keinem der beiden Partner nützt. Für die beiden Beteiligten ist die beste Lösung die schnellstmögliche Fertigstellung des Bauprojektes.

Glauben Sie, dass die Pläne für weitere Bauvorhaben, beispielsweise am Standort Jaslovské Bohunice, weiter fortschreiten werden?
Es sieht so aus, als ob die Regierung mit dem Bau einer fünften Einheit am Standort Bohunice fortfahren wolle. Die Frage ist, wer wird als Partner für das Bauvorhaben ausgewählt? Die staatliche tschechische Elektrizitätsversorgungsgruppe Skupina CEZ a.s., die zu 49% am Gemeinschaftsunternehmen Jess (Jadrová energetická spoločnosť slovenska a.s.) beteiligt ist, das einen fünften Kernkraftwerksblock am Standort Bohunice bauen will, liess letzthin verlauten, sämtliche Ressourcen für eine neue Kernkraftwerkseinheit am Standort Temelín in der Tschechischen Republik bündeln zu wollen.

Was sind die jüngsten Entwicklungen in Bezug auf die neue Kernkraftwerkseinheit am Standort Bohunice?
Die slowakische Regierung hat wiederholt betont, dass sie der Kernenergie verpflichtet ist und eine oder zwei neue Einheiten bauen will – zusätzlich zur Fertigstellung der Mochovce-Einheiten. Dies würde die Zuverlässigkeit der Stromversorgung erhöhen wie auch unsere Wettbewerbsfähigkeit im Strommarkt verbessern und nicht zuletzt eine grosse Anzahl Arbeitsplätze schaffen. Die neue Einheit oder die neuen Einheiten werden am Standort Bohunice gebaut, dort stehen bereits vier Anlagen. Bohunice-1 und -2 wurden Ende 2006 beziehungsweise Ende 2008 endgültig abgestellt, die zwei Druckwasserblöcke des russischen Typs WWER-440/V213 Bohunice-3 und -4 (je 472 MW) stehen weiterhin in Betrieb. Bis jetzt wurden keine spezifischen Reaktortypen für die neuen Anlagen ausgewählt. Potenzielle Anwärter sind die Typen Atmea-1, EPR-1700, MIR-1200, APR-1400, APWR-1700 und AP1000.

Wie wichtig ist die Kernenergie im Strommix der Slowakei?
Die Kernkraftwerke stemmen rund 50% der einheimischen Stromproduktion. Die Kernenergie ist also sehr wichtig. Die Slowakei hat nur geringfügige Gas- und Ölvorkommen und das Potenzial bei der Wasserkraft ist beinahe vollständig ausgeschöpft. Für unsere Stromversorgungssicherheit und wenigstens etwas Unabhängigkeit von importiertem Gas und Öl sind wir auf die Kernenergie angewiesen.

Welche Rolle hat die Slovak Nuclear Society (SNUS) bei Gewährleistung der Einhaltung von Sicherheitsnormen in der Kernenergie?
Die SNUS ist eine Gesellschaft für Leute, die mit unterschiedlichen Aspekten der Nutzung der Kernenergie zu tun haben, einschliesslich der Kerntechnik, der Nuklearmedizin und der Anwendungen ionisierender Strahlung. Ziel der Vereinigung ist die Koordination und die Unterstützung von Aktivitäten in wissenschaftlichen, technischen und beruflichen Bereichen sowie Ausbildung und Kommunikation. Wir unterbreiten der Regierung, regierungsnahen Körperschaften und anderen Organisation Stellungnahmen mit dem Ziel, der Öffentlichkeit die Chancen und Risiken der Nutzung der Kernenergie aufzuzeigen. Obwohl wir nicht direkt in die Entwicklung von Sicherheitsnormen eingebunden sind, haben viele unserer Mitglieder im Rahmen ihrer beruflichen Verpflichtungen damit zu tun. Unserer Organisation bringt sich in diesen Prozess ein, indem sie ihrem Fachwissen zur Verfügung stellt, technische Dokumente und Stellungnahmen veröffentlicht, Seminare organisiert und Entwürfe von Dokumenten kommentiert.

Wie hat die Diskussion rund um Sicherheitsnormen und -vorschriften für neue Kernkraftwerke die öffentliche Meinung beeinflusst?
Die öffentliche Meinung ist historisch betrachtet pronuklear. Zunehmende Sicherheitsvorgaben für neue Kernkraftwerke kann diese Haltung weiter bestärken. Wer gegen die Kernenergie ist, nutzt den Reaktorunfall in Fukushima-Daiichi als Argument und schenkt der Erhöhung der Sicherheitsnormen keine Aufmerksamkeit. Erfreulicherweise ist dies die Meinung einer Minderheit. Doch sie hilft, dass die Befürworter der Kernenergie bezüglich der Sicherheit unserer Werke auf der Hut bleiben.

Bietet die Europäische Union ihren Mitgliedstaaten das richtige Investitionsklima für die Kernenergie?
Die Stabilität der nationalen Investitionen und das politische Umfeld sind entscheidend. Wenn keine Stabilität auf nationaler Ebene gewährleistet werden kann, ist das Investitionsklima auf EU-Ebene von geringer Wichtigkeit.

Quelle

D.S. nach NucNet, 29. Juli 2013

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