Litauen: von Stromexporten abhängig

Das Kernkraftwerk Ignalina war einst die Säule der litauischen Energieversorgung. Seit seiner Ausserbetriebnahme ist Litauen auf Stromimporte aus den Nachbarländern angewiesen. Im Jahr 2019 wurden gemäss einem Bericht der Internationalen Energieagentur (IEA) rund 70% des Strombedarfs importiert.

5. Mai 2021

Die IEA überprüft regelmässig die Energiepolitik ihrer Mitglieder, Partner und Beitrittsländer. Damit unterstützt sie die Weiterentwicklung der Energiepolitik und fördert den Austausch international bewährter Verfahren und Erfahrungen.

Laut dem neuesten IEA-Länderbericht hat Litauen grosse Fortschritte bei der Verwirklichung seiner Vision eines sicheren, wettbewerbsfähigen, nachhaltigen und innovativen Energiesystems im Baltikum erzielt. Litauen habe in den letzten Jahren seine Energiepolitik gestärkt. Die Strommarktreformen seien im Gang und Litauen wolle – zusammen mit seinen baltischen Nachbarn Lettland und Estland – sein Stromnetz mit demjenigen von Kontinentaleuropa synchronisieren. Die National Energy Independence Strategy 2018 sieht vor, dass Litauen seinen Stromimport von gegenwärtig rund 70% bis 2030 auf 30% verringern.

Litauen exportierte in den 1990er-Jahren Strom nach Lettland, Russland und Weissrussland. Es war damals das Land mit dem weltweit höchsten prozentualen Atomstromanteil, der bis zu 77% betrug. Das Kernkraftwerk Ignalina umfasste zwei von der damaligen Sowjetunion entworfene RBMK-Reaktoren mit jeweils 1185 MW. Als Bedingung für den EU-Beitritt musste Ignalina-1 Ende 2014 endgültig vom Netz und Ignalina-2 Ende 2009. Laut IEA ist eine sichere Stilllegung bis 2038 eine Priorität der litauischen Regierung. Die EU unterstützt die Stilllegungsarbeiten mit EUR 820 Mio.

Litauen wurde durch den Wegfall von Ignalina vom Stromexporteur zum Stromimporteur. 2012 importierte das Land zwei Drittel des Stroms aus Russland. Mit der Inbetriebnahme der NordBalt-Leitung (Litauen–Schweden) und des LitPol Link (Litauen–Polen) konnte Litauens Stromabhängigkeit von Russland auf einen Drittel verringert werden.

Der Einstieg Weissrusslands in die Kernenergie löste laut IEA bei Litauen und seinen Nachbarn Bedenken aus. Der Kernkraftwerksstandort Belarus befindet sich rund 50 km von der litauischen Hauptstadt Vilnius entfernt. Die WWER-1200-Einheit Belarus-1 liefert seit Anfang November 2020 Strom und Belarus-2 soll in der ersten Hälfte des Jahres 2022 den Betrieb aufnehmen. Weissrussland halte sich nicht an die Espoo-Konvention, bemängeln die baltischen Staaten. Die Espoo-Konvention verpflichtet die Mitgliedstaaten, Nachbarländer bei Projekten mit möglicherweise grenzüberschreitenden Umweltauswirkungen frühzeitig zu konsultieren. Der russische Staatskonzern Rosatom bekräftigte wiederholt, dass sein Reaktortyp WWER-1200 (MIR-1200) den höchsten internationalen Ansprüchen entspreche. Litauen und benachbarte Länder stellten nach der Inbetriebnahme von Belarus-1 im November 2020 die Stromeinfuhr aus Weissrussland aus Protest ein. Im März 2021 kam die European Nuclear Safety Regulatorsʼ Group (Ensreg) nach einer Überprüfungsmission zum Schluss, dass Weissrussland bei der Umsetzung aller im Ensreg-Stresstestbericht 2018 empfohlenen Massnahmen Fortschritte erzielt habe.

Quelle

M.A. nach NucNet, 26. April 2021, IEA, «Lithuania 2021 – Energy Policy Review», April 2021, und Website des litauischen Energieministeriums

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