Innovation für Effizienz und Sicherheit

Moderne Arbeitsweise, attraktiver Arbeitgeber und vor allem die Sicherheit der Kernkraftwerke und ihrer Mitarbeitenden stehen im Fokus des Innovationsprogramms «Nuclear 4.0», das von der Axpo ins Leben gerufen wurde. Mit den Massnahmen soll der Betrieb in den Kernkraftwerken Leibstadt und Beznau noch sicherer und wirtschaftlicher werden.

28. Juli 2022
Spot
Im Kernkraftwerk Leibstadt wurde der Roboter Spot vom Entwicklerunternehmen Boston Dynamics getestet
Quelle: Axpo

Anfang Januar 2022 gab es im Kernkraftwerk Leibstadt etwas zum Staunen. Ein Laufroboter begleitete das Team des Innovationsprogramms Nuclear 4.0 bei der Arbeit im Kernkraftwerk.

Den Startschuss für das Programm gab der Konzern Axpo, der Hauptaktionär von Leibstadt, der Digitalisierung und Innovation vorantreiben möchte. Ähnliche Projekte laufen auch in den anderen Divisionen des Konzerns, wie Hydro oder Grid. Nun geht auch die Division Nuclear das Thema systematisch an.

Der Zweck des Programms liegt darin, die Anlagen in den Bereichen Sicherheit und Wirtschaftlichkeit weiter zu optimieren. «Wir wollen im laufenden Betrieb der Anlagen neue Projekte lancieren, Produkte entwickeln, die uns für die Sicherheit, die Zuverlässigkeit aber auch die Wirtschaftlichkeit Vorteile bringen. In einem zweiten Schritt wollen wir auch das Thema Stilllegung von Kernkraftwerken anschauen», so Michael Kessler, Leiter Asset Management bei Axpo. Der Konzern sieht ein Betätigungsfeld, in dem man den Einsatz zusätzlichen, externen Personals und händische Arbeit durch Automatisierung und neuester Technologie einsparen kann.

Angefangen hat das Projekt mit dem Auftrag an einen Mitarbeiter, ein kleines Projektteam zusammenzustellen, das Interesse daran hat, innovative Anwendungen in den Kernkraftwerken Leibstadt und Beznau umzusetzen. Eine grosse Herausforderung bestand bereits damals darin, genügend Ressourcen für die Umsetzung des Projekts zu bekommen. Nach und nach hat sich ein Team herausgebildet, das im Milizsystem daran arbeitet. Jetzt soll das Projekt auf eine neue Ebene gehoben und neue Ressourcen eingebracht werden. «Wir setzen dafür ein eigenes Organisationsteam an, das aus etwa fünf Personen bestehen wird», so Michael Kessler. Das neue Team soll sowohl aus neuen Personen bestehen, die vielleicht nicht aus der Branche kommen, als auch aus Mitarbeitenden, die bereits Teil des Projekts sind. Die Gruppe soll zukünftig in den Kernkraftwerken Leibstadt und Beznau sowie am Konzernstandort Baden arbeiten.

Das Team hat mit vielen Herausforderungen zu kämpfen
Die richtigen Personen für das Projekt zu finden, ist nicht einfach: Der Kopf des Projektteams muss sich sowohl in der IT auskennen als auch die Sprache der Industrie sprechen und auf Menschen zugehen können. Doch das ist nicht die einzige Herausforderung. Für alle Mitarbeiter in den Kernkraftwerken steht ein sicherer und zuverlässiger Betrieb ihrer Anlagen immer an oberster Stelle. Dementsprechend sind sie gegenüber Neuerungen erst einmal zurückhaltend. Das weiss auch Kessler: «Es gibt skeptische Stimmen, ganz klar. Das ist eine riesige Herausforderung, die Leute abzuholen. Aber mittlerweile haben wir den ein oder anderen Workshop mit den Kollegen gemacht und die grosse Mehrheit sieht den Nutzen von Nuclear 4.0.»

In den Kernkraftwerken wird alles von Beginn an geplant, jeder Meilenstein ist bekannt und jedes Risiko abgedeckt. Dagegen steht das Projektteam, das agil arbeiten möchte und manchmal auf einen Trial-and-Error-Ansatz setzen. Die Herausforderungen liegen also nicht nur auf der technischen, sondern vor allem auch auf der menschlich-kulturellen Ebene.

Strahlenkarten
Mit Hilfe neuester Technologie können Strahlenkarten erstellt werden, ohne Mitarbeitende einer Strahlung auszusetzen
Quelle: Axpo

Die Sicherheit steht an erster Stelle
«Dass möglicherweise in der Zukunft Roboter in den Kernkraftwerken eingesetzt werden könnten und Abläufe digitaler stattfinden, muss die Mitarbeitenden in Bezug auf ihren Job nicht beunruhigen», erklärt Kessler. «Wir haben heute eher das Problem, die geeigneten Leute einstellen zu können. Da denken wir gar nicht daran, Personal einzusparen.».

In Bezug auf die Sicherheit des Personals sind die Roboter sogar eine grosse Bereicherung. Während heute noch ein Mitarbeitender in Vollschutz Teile von Oberflächenkontamination befreit, laufen im Kernkraftwerk Beznau Tests mit einem Dekontaminationsroboter, die bereits sehr positive Ergebnisse lieferten. Ein weiterer ferngesteuerter Roboter mit dem Namen Spot von Boston Dynamics wurde bereits zwei Wochen in Leibstadt getestet. Durch das Anbringen von Sensoren kann Spot Strahlenkarten erstellen oder sich als mobiles Kamerasystem in der Anlage bewegen. Eine weitere Digitalisierungsmassnahme im Rahmen des Innovationsprojekts Nuclear 4.0 stellt der Einsatz von Drohnen dar, die in den Kernkraftwerken Kontrollflüge übernehmen und dabei Bild- und Datenmaterial liefern könnten.

«Das sind natürlich zwei Leuchtturmprojekte, die viel Aufmerksamkeit bringen. Für die Sichtbarkeit und Akzeptanz des Projekts ist das nicht schlecht, aber es gibt noch andere Digitalisierungsthemen, die weniger schillernd sind, aber unter dem Strich sogar einen grösseren Nutzen bringen können als ein Roboter», so Kessler. Damit meint er beispielsweise den Einsatz von Tablets. Bisher müssen die Mitarbeitenden noch Papierunterlagen mit in die Anlage nehmen, in denen die Beschreibungen zu den Komponenten und die Instandhaltungshistorie abgelegt sind. Zudem müssen sie nachträglich ihre Tätigkeiten dokumentieren. Mit einem Tablet könnte dies sofort erledigt werden.

Trägersystem
Der Roboter dient als Trägersystem für verschiedene Aufsätze
Quelle: Axpo

Attraktiver Arbeitgeber
Auch die Attraktivität und Modernität als Arbeitgeber soll durch Nuclear 4.0 gesteigert werden. «Die Rekrutierung von neuen Mitarbeitenden wird in Zukunft eine Herausforderung für uns sein. Aber für unsere jüngeren Mitarbeitenden ist es schon spannend, wenn sie merken, dass sie sich in ein neues Tätigkeitsgebiet hineinentwickeln können», ist sich Kessler sicher. «Wenn sie merken, dass sie an Projekten mitarbeiten können, die Neuland sind und wo man Sachen entwickeln kann. Das hat schon eine gewisse Attraktivität. »

Das Team rund um Michael Kessler hat in ihrem Digitalisierungsprojekt noch viele Herausforderungen zu bewältigen, die aber am Ende sowohl die Wirtschaftlichkeit und Effizienz als auch die Sicherheit in den Kernkraftwerken erhöhen soll. Doch lohnt es sich, Innovation und Digitalisierung in den Kernkraftwerken voranzutreiben, wenn diese sowieso ein Ablaufdatum haben? «Das macht schon Sinn», so Kessler. «Beznau wird wohl das nächste Kernkraftwerk sein, das abgeschaltet wird, jedoch erst in etwa zehn Jahren. Danach gibt es noch dessen Stilllegung und Rückbau. Mehr als genug Zeit für innovative Technologien. »

Verfasser/in

Aileen von den Driesch, Projektleiterin Kommunikation

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