Kernenergie – Weiteren Mythen auf der Spur

Die Diskussion um Kernenergie reisst nicht ab: Brauchen wir Kernenergie für die Versorgungssicherheit, den Klimaschutz und in einem künftigen Energiesystem? Die Kritikpunkte der Gegner der Kernenergie sind zahlreich. Dabei werden aber auch immer wieder Vorurteile und Mythen eingebracht. Erneut möchten wir einigen dieser Fragen auf den Grund gehen, um eine sachliche Auseinandersetzung mit dem Thema zu ermöglichen.

6. Juni 2023
Fake News
Wir gehen auf weitere Mythen und Vorurteile gegenüber der Kernenergie ein.
Quelle: Pexels/Joshua Miranda

«Uranvorkommen reichen nicht ewig»
Das ist richtig, Uran ist ein sehr häufiges Metall, aber trotzdem eine endliche Ressource. Allerdings kommt Uran nicht nur in der Erdkruste vor, sondern auch in riesigen Mengen in den Ozeanen.

In einer Tonne Gestein sind im globalen Schnitt 2 bis 4 Gramm Uran enthalten. Damit kommt Uran genauso häufig vor, wie beispielsweise Zinn, aber viel häufiger als Silber und Gold. Genauso wie viele andere Metalle ist Uran nicht in reiner Form in Gesteinen enthalten, sondern als Uranerz in Verbindung mit anderen Elementen.

Uran kommt in zahlreichen Ländern vor. Die derzeit grössten Förderländer sind Kasachstan, Kanada und Australien. Weitere Länder wie Niger, Namibia, Russland, Usbekistan, China und die USA bauen Uran in grösseren Mengen ab.

Uran hat eine grosse Energiedichte. Ein Kernkraftwerk wie Gösgen benötigt lediglich rund 20 Tonnen (1 Kubikmeter) angereichertes Uran, um rund 8,5 Mrd. Kilowattstunden (kWh) Strom zu produzieren. Um 20 Tonnen angereichertes Uran zu erzeugen, wird etwa die zehnfache Menge Natururan gebraucht.

Wenn man die Energiedichte und -menge von Uran mit anderen Rohstoffen zur Erzeugung von 1 Terawattstunde (TWh) Strom vergleicht, braucht es:

  • 24 Tonnen Natururan (Durchschnitt der Schweizer Kernkraftwerke)
  • 135'000 Tonnen Erdgas (Kombikraftwerk)
  • 210'000 Tonnen Erdgas (Open Cycle)
  • 400'000 Tonnen Steinkohle (Referenzanlage Voerde in Deutschland).
Energiedichte
Die Energiedichten von Natururan, Erdgas und Steinkohle im Vergleich.
Quelle: kernenergie.ch

Im Vergleich lässt sich also aus Uran viel mehr Strom gewinnen als aus anderen Energieträgern. Es genügen drei bis vier Uranpellets, um eine vierköpfige Familie ein Jahr lang mit Strom zu versorgen.

Es gibt keine gesicherten Angaben über die Gesamtmenge der abbauwürdigen Uranvorkommen auf dem Festland, viele geologisch interessante Gebiete wurden noch nicht erkundet. Ausserdem ändert sich je nach Marktpreis und Technologieentwicklung die Einschätzung, was als «abbauwürdig» eingeschätzt wird.

Bei einem Preis von 130 Dollar pro Kilogramm Uran reicht das konventionelle Uranvorkommen mit Reserven für 60 Jahre, bei einem Preis von bis zu 260 Dollar pro Kilogramm Uran würden sich auch Vorkommen erschliessen lassen, die im Abbau aufwändiger sind. Dann sollten die bekannten Uranreserven bei heutigem Verbrauch für die nächsten 135 Jahre reichen. Dazu kommen die noch vermuteten unentdeckten Uranreserven, die für weitere mindestens 100 Jahre reichen würden.

«Es gibt mehr Störfälle je älter ein Kernkraftwerk ist»
Die Sicherheit der Schweizer Kernkraftwerke steht an erster Stelle. Das Kernenergiegesetz verlangt sogar, dass die Sicherheit über der Wirtschaftlichkeit steht. In jährlichen Revisionen werden Modernisierungen durchgeführt, die die Kernkraftwerke immer sicherer werden lassen. Bevor ein Kernkraftwerk nach der Revision wieder ans Netz angeschlossen wird, überprüft das Eidenössische Nuklearsicherheitsinspektorat (Ensi), ob alles den Sicherheitsanforderungen entspricht. Diese Anforderungen wurden und werden durch technische Entwicklungen immer strenger. Das Ensi hat die Möglichkeit, die vorzeitige Ausserbetriebnahme der Kernkraftwerke bei Zweifeln an der Sicherheit zu verfügen.

Der Sicherheitsvorrang und die im Kernenergiegesetz festgehaltene Nachrüstpflicht haben dazu geführt, dass das Sicherheitsniveau der Schweizer Kernkraftwerke im europäischen und internationalen Massstab überdurchschnittlich ist. Durch die permanenten Nachrüstungen sind die Kernkraftwerke heute sicherer denn je. So wurden Sicherheitssysteme, die beispielsweise in Fukushima für die Beherrschung des Unfalls entscheidend fehlten, in der Schweiz bereits in den 1990er-Jahren nachgerüstet. Eine Anlage, wie jene in Fukushima wäre in der Schweiz längst stillgelegt worden, da sie nach Inbetriebnahme kaum nachgerüstet wurde.

Natürlich passieren Menschen Fehler oder die Technik kann versagen, doch auch für solche Fälle ist die Sicherheit einer Kernanlage gewährleistet. Dazu kombinieren Kernkraftwerke bauliche, technische und organisatorische Sicherheitsmassnahmen, die laufend der Entwicklung der Technik angepasst werden. In der Schweiz pflegen die Kernkraftwerke eine offene Fehlerkultur und einen intensiven Erfahrungsaustausch und die Kerntechniker lernen weltweit aus Störfällen und Fehlern. Und das mit Erfolg: die EU-Stresstests von 2012 haben gezeigt: die Schweizer Kernkraftwerke gehören zu den sichersten in Europa.

«Kleine modulare Reaktoren ersetzen keine Grosskraftwerke»
Das ist richtig, doch das Ziel von Small Modular Reactors (SMRs) ist auch nicht, Grosskraftwerke zu ersetzen. Es ist viel mehr geplant, sie punktuell einzusetzen.

Die Vorteile von SMRs sind vielfältig:

  • In der Regel erfüllen sie höchste Sicherheitsstandards, sodass bei Störfällen kein aktiver Eingriff von Pumpen und Ventilen nötig ist und die Sicherheit der Anlage auch ohne Energiezufuhr oder Eingriffe der Bedienungsmannschaft gewährleistet bleibt.
  • Sie benötigen wenig Wartung und können ohne Nachladung für mehrere Jahre oder sogar Jahrzehnte Wärme und Strom liefern.
  • Aufgrund ihrer geringen Grösse könnten sie sowohl unterirdisch oder in unmittelbarer Nähe von Verbrauchern gebaut werden. Neben Siedlungen oder Grossindustrien sind sie auch für Regionen mit wenig ausgebautem Stromnetz, als Energiequelle für Anlagen zur Entsalzung von Meerwasser oder zur Stromversorgung von Inseln geeignet.
  • SMRs erfordern einen vergleichsweise kleinen Kapitaleinsatz, was die Finanzierung erleichtert und Flexibilität gibt.
  • SMRs können in Serienfertigung in einer Fabrik montiert, danach per Lastwagen an den Einsatzort transportiert und nach Ende der Betriebszeit wieder zurückgebracht werden.

Ziel ist also, SMRs dort zu bauen, wo sie gebraucht werden und nicht damit Grosskraftwerke zu ersetzen.

«Kernkraft trägt nicht zum Klimaschutz bei»
Für den Klimaschutz und den voraussichtlich wachsenden Energiebedarf sind nicht-fossile, klimafreundliche Energietechnologien wie Kernenergie und erneuerbare Energien nötiger denn je.

Forschungsergebnisse des Paul Scherrer Instituts (PSI) zeigen, dass Wasserkraft, Kern- und Windenergie in der Schweiz die geringsten Mengen an Treibhausgasen pro Kilowattstunde erzeugen. Die Wissenschaftler betrachten bei ihren Untersuchungen den gesamten Weg, im Fall von Kernenergie von der Uranmine über den Rückbau der Kernkraftwerke bis zum Bau des Tiefenlagers für die Entsorgung der radioaktiven Abfälle. Diese ganzheitlichen Berechnungen zeigen, dass Kernenergie mit 10 bis 20 g CO2-Äquivalente pro Kilowattstunde sehr klimafreundlich ist. Zu einem ähnlichen Ergebnis kommt auch die Wirtschaftskommission für Europa der Vereinten Nationen (UNECE), die die Kernenergie über den gesamten Lebenszyklus als Energiequelle mit dem geringen CO2-Ausstoss einstuft.

Die Schweiz verfügt im Gegensatz zu anderen europäischen Ländern dank Wasserkraft und Kernenergie über einen sehr klimafreundlichen Strommix und die Kernkraft trägt stark zum Klimaschutz bei.

Strommix
Die Stromproduktion der Schweiz im Mai 2023 war 100% klimafreundlich dank Wasserkraft, Kernenergie und Photovoltaik.
Quelle: Low Carbon Power

«Es ist problemlos möglich, die Schweiz zu 100% mit erneuerbaren Energien zu versorgen»
Die Kernenergie hat die herausragende Qualität, dass sie unabhängig von Tageszeit, Jahreszeit und Wetter verlässlich Strom liefern kann. Sowohl unsere Wirtschaft als auch wir alle zu Hause und auf dem Arbeitsweg, sind auf ständig verfügbaren Strom angewiesen. Fallen die Schweizer Kernkraftwerke weg, drohen gravierende Konsequenzen. Denn das Ausbaupotenzial der Wasserkraft ist in der Schweiz praktisch ausgeschöpft und der nur zeitweise anfallende Sonnen- und Windstrom kann den Atomstrom nicht verlässlich ersetzen. Bleiben Erdgas, Kohle oder Öl, die quasi als Ersatz für die Photovoltaik und Wind immer dann einspringen müssen, wenn die Sonne nicht scheint (z.B. in der Nacht oder bei Nebel) oder der Wind nicht weht. Die Stromproduktion aus solchen fossilen Quellen ist sehr CO2-intensiv und kommt deswegen nicht in Frage, wenn die Klimaziele eingehalten werden sollen. So lange es keine genügend grossen Speichermöglichkeiten für Strom oder andere Alternativen gibt, wird es nicht möglich sein, die Schweiz zu 100% mit Strom aus erneuerbaren Energien zu versorgen. Mit Kernenergie im Strommix, die die notwendige Bandenergie liefert, ist eine 100% klimafreundliche Stromerzeugung aber schon jetzt möglich.

Verfasser/in

Aileen von den Driesch, Projektleiterin Kommunikation Nuklearforum Schweiz

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