Nukleare Techniken im Dienst der Forensik

Auch wenn sie selten im Rampenlicht stehen, leisten nukleare Techniken wertvolle Dienste zur Analyse forensischer Beweismittel, etwa bei Mordfällen, Kunstfälschungen, Drogenhandel und anderen Delikten. Durch die Analyse physikalisch-chemischer Eigenschaften von Materialien helfen sie, eine Verbindung zwischen sichergestellten Proben und Tätern herzustellen.

5. Aug. 2025
Zahnmedizinischen Röntgenbildern eines Angeklagten
Röntgenaufnahmen helfen bei der Aufklärung von Verbrechen. In den USA verglich die Staatsanwaltschaft Ende der 1970er-Jahre eine Bisswunde am Körper eines Opfers mit den zahnmedizinischen Röntgenbildern eines Angeklagten und konnte so seine Verurteilung erreichen.
Quelle: Staatliche Fotosammlung Florida

Mithilfe von Nukleartechniken können Fachleute winzige Fragmente von Beweismitteln (Spuren) wie Farbbestandteile oder ein einzelnes Haar analysieren und Informationen ans Licht bringen, die sonst nicht entdeckt worden wären, beispielsweise das tatsächliche Alter eines gefälschten Kunstwerks oder die Frage, ob eine Person vergiftet wurde oder nicht. Sie sind weitaus weniger zerstörerisch als andere Analysemethoden, wie etwa der Einsatz von Chemikalien, welche die empfindlichen Beweismittel verändern können. Dadurch können diese Beweisstücke auch nach der Analyse für spätere Untersuchungen erhalten bleiben.

Visualisierung Forensik
Nukleare Techniken ermöglichen die Analyse von Glasfragmenten, Patronenhülsen, Erdpartikeln u. v. m. Sie ergänzen andere Beweismittel wie DNA und helfen, Straftäter zu identifizieren und strafrechtlich zu verfolgen.
Quelle: Maria Platonova / IAEO

Welche Techniken werden verwendet?

Die am häufigsten in der Forensik verwendeten nuklearen Techniken sind Röntgenstrahlen (Röntgenfluoreszenz- und Synchrotron-Spektrometer), Neutronenaktivierungsanalyse, Ionenstrahlanalyse und Kohlenstoffdatierung.

Röntgenstrahlen

Röntgenstrahlen sind eines der am häufigsten genutzten Analysetools in der Kriminalistik. Röntgenemissionstechniken sind sowohl empfindlich als auch zuverlässig und können selbst bei winzigen Beweismitteln eingesetzt werden und dies meist, ohne sie zu zerstören. Sie liefern in der Regel Ergebnisse innerhalb weniger Minuten und bieten die Möglichkeit, mehrere Analysen in kurzer Zeit durchzuführen, dank tragbarer Geräte sogar am Ort der Ermittlungen.

Röntgentechniken können dabei helfen, das Vorhandensein von Elementen nachzuweisen und deren Konzentration in praktisch allen Arten von Materialien und Werkstoffen zu messen. Sie können die Zusammensetzung von Boden, Betäubungsmitteln oder Mineralien analysieren und deren Herkunft bestimmen. Röntgenstrahlen sind auch nützlich für vergleichende Untersuchungen von Farben, Metallen oder Schiessrückständen sowie für medizinische Untersuchungen.

Dafür verwenden Fachleute Geräte wie Röntgenfluoreszenz-Spektrometer oder Synchrotrone, mit denen das zu untersuchende Material einem Röntgenstrahl ausgesetzt wird. Diese Strahlen regen die Atome in der Probe an, die eine Strahlung freisetzen, die nachgewiesen und dazu verwendet werden kann, das chemische Element zu identifizieren, zu dem die angeregten Atome gehören.

Neutronenaktivierungsanalyse

Die Neutronenaktivierungsanalyse (NAA) ist eine Methode, bei der die Wechselwirkung zwischen einem Neutronenfluss und dem zu untersuchenden Material genutzt wird, um den einzigartigen «Element-Fingerabdruck» einer Probe zu ermitteln – also ihre exakte Isotopenzusammensetzung, die Rückschlüsse auf Alter und Herkunft zulässt. Dabei wird die Probe mit Neutronen bestrahlt, wodurch Atome Partikel und/oder Strahlung freisetzen, die von einem Spezialdetektor erfasst und analysiert werden. Die NAA wird häufig zur Analyse der Zusammensetzung von Patronen verwendet, um anhand kleinster Materialproben deren Ursprung zu klären. Sie erlaubt auch die Untersuchung von Haarfasern, was neue Erkenntnisse in einem Fall bringen kann – etwa den Nachweis von Drogen oder anderen toxischen Substanzen im Körper.

Visualisierung Neutronenaktivierungsanalyse
Seit Jahrzehnten wird die Neutronenaktivierungsanalyse (NAA) genutzt, um die exakte Menge eines chemischen Elements oder spezifischer Isotope eines Elements – beispielsweise in einem Geschoss – zu bestimmen.
Quelle: A. Vargas / IAEO

Die NAA wird ausserdem eingesetzt, um die Herkunft hochwertiger Lebensmittel zu bestimmen und gefälschte Produkte zu identifizieren – etwa bei Trüffeln, die man durch Bestrahlung mit Neutronen und anschliessende Messung der Gammastrahlung ihrer Atomkerne als echt oder gefälscht erkennt. Stimmen die in der Probe gefundenen Elemente mit einem bestimmten Ursprungsort überein, lassen sich Rückschlüsse auf die Herkunft ziehen. Auch zur Überprüfung der Echtheit anderer hochwertiger Nahrungsmittel kann diese Technik beitragen.

Ionenstrahlanalyse

Unter den nuklearen Methoden, die zunehmend in kriminaltechnischen Ermittlungen eingesetzt werden, gehört die Ionenstrahlanalyse zu den wichtigsten. Bei dieser Methode werden Teilchenbeschleuniger verwendet, um Ionen oder Elektronen zu beschleunigen und dadurch einen hochenergetischen Strahl zu erzeugen. Werden Beweisproben in diesen Strahl eingebracht, senden sie Strahlung aus, die aufgefangen und analysiert werden kann.

Der Einsatz von Ionen ermöglicht es Ermittlern, die Zusammensetzung und Herkunft von Beweismitteln wie Drogen, Sprengstoffen, Schmauchspuren, potenziell gefälschten Kunst- oder historischen Objekten und anderen Materialien zu bestimmen. Die Ermittlung von Alter und Zusammensetzung solcher Proben erhöht deren Beweiskraft erheblich.

Neutronenaktivierungsanalyse
Seit Jahrzehnten wird die Neutronenaktivierungsanalyse (NAA) genutzt, um die exakte Menge eines chemischen Elements oder spezifischer Isotope eines Elements, beispielsweise in einem Geschoss, zu bestimmen.
Quelle: A. Vargas / IAEO)

Ein typisches Anwendungsfeld ist die Analyse von Schmauchspuren, die bei Gewaltverbrechen mit Schusswaffen helfen kann. Schmauchspuren bestehen aus Rauch und Partikeln, die bei der Explosion einer Patronenhülse freigesetzt werden. Nukleare Methoden wie die Ionenstrahlanalyse können die anorganischen Verbindungen erfassen, die beim Schuss freigesetzt wurden, sowie die feinen Partikel, die sich auf verdächtigen Gegenständen wie Kleidung oder Händen abgesetzt haben – und somit Hinweise auf den Schützen liefern.

Ionenstrahlen werden auch zur Untersuchung von Glasfragmenten eingesetzt, etwa bei Unfällen mit Fahrerflucht. Studien zeigen, dass man durch die Kombination von Ionenstrahlanalyse mit maschinellem Lernen Bruchstücke von Autoscheiben analysieren und damit die Fahrzeugmarke und das Modell mit bis zu 80%iger Genauigkeit bestimmen kann.

Radiokarbondatierung

Die Radiokarbondatierung ist ein Verfahren, bei dem ein Kohlenstoffisotop – Kohlenstoff-14 – verwendet wird, um das tatsächliche Alter alter Objekte aus organischen Materialien zu bestimmen und Fälschungen von Kunstwerken aufzudecken. Mit dieser Technik lassen sich Gegenstände datieren, die bis zu 50’000 Jahre alt sind. Sie hat bereits einer Reihe von Ermittlern dabei geholfen, die Echtheit von Gemälden, Statuen und anderen wertvollen historischen Objekten zu überprüfen.

Kapitolinische Wölfin
Mithilfe der Radiokarbondatierung konnte festgestellt werden, dass die Kapitolinische Wölfin, die seit 1471 in den Kapitolinischen Museen in Rom aufbewahrt wird, tatsächlich aus dem 12. Jahrhundert stammt – und somit keine etruskische Skulptur aus dem 5. Jahrhundert v. Chr. ist, wie lange angenommen wurde.
Quelle: 977_rex_977 / Adobe Stock

Im Jahr 2019 beispielsweise setzten Experten die Radiokarbondatierung ein, um die Fälschung zweiter berühmter Gemälde zu entlarven– eines im impressionistischen Stil, das andere im pointillistischen. Die Analyse der Leinwandfasern ergab, dass diese nach dem Tod der mutmasslichen Künstler hergestellt worden waren, was eindeutig auf eine Fälschung hindeutete.

Weitere Methoden

Auch andere gängige nukleare Techniken kommen in der forensischen Untersuchung zum Einsatz. So wird beispielsweise die Isotopenverhältnis-Massenspektrometrie verwendet, um Lebensmittelbetrug aufzudecken (siehe Bulletin 4/2024).

Verfasser/in

M.A. nach IAEO, Büro für Information und Kommunikation, Vladimir Tarakanov, Online-Artikel «Comment les techniques nucléaires aident-elles les enquêtes criminelles?», 22. Januar 2025

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