40 Jahre Diorit
Rund 50 Kernfachleute, die seinerzeit an der Planung, Konstruktion und Inbetriebsetzung des Forschungs- und Testreaktors Diorit beteiligt waren, versammelten sich am 15. August 2000 im Paul Scherrer Institut in Würenlingen-Villigen (PSI) zur Jubiläumsfeier "40 Jahre Diorit".
Rudolf W. Meier, der den Anlass mit den Herren Walter Winkler und Peter Tempus organisiert hatte, fasste die Bedeutung des Projekts Diorit für die Entwicklung des kerntechnischen Know-hows als Grundlage der Schweizer Kernenergie wie folgt zusammen:
"Der Bau von Diorit erfolgte in einer Zeit des festen Willens, die Nutzung der Kernenergie in der Schweiz aus eigener industrieller Kraft zu entwickeln. Der Unternehmer Walter Boveri und der ETH-Wissenschafter Professor Paul Scherrer stellten sich in unzweideutiger Weise hinter dieses Konzept und dank ihrer Glaubwürdigkeit in Wirtschaft und Wissenschaft brachten sie dazu auch das nötige Gewicht in die Politik ein.
Wenige Jahre nach dem Nachweis der selbsterhaltenden Kettenreaktion lagen schon um 1950 die ersten Projekte auf den Pulten der schweizerischen Industrieführer: Ein Kraftwerk von BBC unter dem Uetliberg für die Stromversorgung von Zürich, eine Wärmezentrale von Sulzer unter der Sonneggstrasse zur Fernheizung der ETH und ein Schiffsantrieb von Escher-Wyss mit Akeret-Keller Gasturbine.
Es brauchte die Realität und Autorität von Werner Zünti, die Ingenieure davon zu überzeugen, dass ohne vorausgehende, systematische Untersuchungen die Risiken der neuen, kaum bekannten Dimension "Radioaktivität" zu gross wären. Er lancierte die Idee, vorerst einen Testreaktor zur Prüfung und Entwicklung von Werkstoffen für die Kerntechnik zu bauen und leitete die Arbeiten bis zum ausführungsreifen Projekt P34 im Jahre 1955, unterstützt durch weitere Pioniere der ersten Stunde: Fritz Alder, Walter Hälg, Paul Schmid, der losen Gruppierung der Arbeitsgemeinschaft Kernreaktor der drei schon genannten Firmen.
Die Beschaffung der notwendigen Mittel für den Bau dieser Anlage mit all ihrer Infrastruktur in Forschung und Technik führte zur Gründung der Reaktor AG mit Rudolf Sontheim als Direktor. Mit seinen Fähigkeiten in der Führung und Schaffung von Kontakten zu den Exponenten der Wirtschaft, Politik und Behörden, gelang ihm in fünf Jahren die Finanzierung und der Aufbau eines völlig neuen Institutes bis zur ersten Inbetriebsetzung des Diorit, heute vor 40 Jahren.
Er hat auch den Übergang von der privaten Gesellschaft zum EIR eingeleitet und dabei die Direktion seinen Nachfolgern Werner Zünti und Andreas Fritzsche übergeben. Sie beide leisteten der Industrie in ihrer Meinungsfindung grösste Unterstützung durch den Einsatz aller Mittel des Institutes, einschliesslich des Reaktors Diorit. Nach dem auf Luçens unvermeidlich folgenden Verzicht der Industrie zur eigenständigen Reaktorentwicklung leiteten die beiden die Umstrukturierung des Institutes in ein Forschungszentrum mit breiteren Aufgaben ein. Dieser Prozess wurde von Heini Gränicher als Direktor der 3. Generation fortgesetzt, mit der besonderen Ausrichtung auf die nuklear- und allgemein energietechnische Linie. In letzter Etappe erfolgte die Verschmelzung des EIR mit dem SIN zum PSI, welches seither unter der Leitung von Meinrad Eberle steht.
Es ist uns eine grosse Freude, dass alle Direktoren, welche für den Diorit in irgendeiner Form Verantwortung trugen, mit Ausnahme des leider verstorbenen Werner Zünti, heute mit uns hier versammelt sind. Der Bezug zum Diorit trifft auch für Herrn Eberle zu, obwohl die Anlage schon seit 1978 ausser Betrieb steht. Ihm obliegt es abschliessend nämlich noch, für dessen totalen Rückbau zu sorgen!
Wo stünden wir heute, wenn wir den Diorit nicht gebaut hätten? Auch wenn wir das hohe Ziel eines schweizerischen Reaktors nicht geschafft haben, wie stünde es um unsere Stromversorgung, unsere Luft, unsere Natur? Hätten wir uns für Öl oder Kohle entschieden, wie die Dänen oder Österreicher, oder noch mehr Wasser in den Alpen angezapft? Wie hätten wir Kernkraftwerke externer Herkunft gebaut und betrieben, ihre Sicherheit beurteilt und gewährleistet, ihre Abfälle behandelt, ohne Sie als die wichtigsten Wissensträger?"
Quelle
P.H.