Allein in China sterben jedes Jahr Tausende von Bergarbeitern

Nur die spektakulärsten Unfälle im Bergbau lösen international ein Medienecho aus. Fakt ist jedoch: Jährlich fordert insbesondere der Kohlebergbau Tausende von Todesopfern.

14. Dez. 2011

Diese Bilder gingen um die Welt: Sichtlich erschöpfte Arbeiter werden in der chinesischen Provinz Henan von Helfern gestützt aus dem Kohlebergwerk geführt. 36 Stunden mussten die 70 verschütteten Bergarbeiter ausharren. Gemäss der Nachrichtenagentur Xinhua hatte ein schwaches Erdbeben (Stärke 2,9) im Bergwerk einen Gebirgsschlag ausgelöst.

Solche Happyends sind selten. Unfälle in Bergwerken ereignen sich oft und die Schwere wird allgemein unterschätzt, wie aus der folgenden Statistik hervorgeht: Allein in China sterben jährlich 2000 bis 7000 Menschen in Bergwerken. Im vergangenen Jahr wurden nach offiziellen Angaben 2400 Chinesen getötet. Inoffizielle Schätzungen gehen davon aus, dass die tatsächliche Zahl der Todesopfer noch weit höher – sogar doppelt so hoch liegt. Dies auch deshalb, weil die Behörden die zahlreichen illegalen Minen nicht erfassen. Zwischen 1992 und 2002 hätten 59'543 Menschen in den Kohlebergwerken ihr Leben gelassen, zitiert die «Frankfurter Allgemeine Zeitung» eine Statistik. Für die erschreckend hohen Zahlen werden unter anderem mangelhafte Sicherheitsvorkehrungen und Vetternwirtschaft verantwortlich gemacht.

Auf China entfallen 80% aller Todesfälle bei Grubenunglücken und 40% der weltweiten Kohleproduktion. Das Beispiel China zeigt, dass auch andere Arten der Elektrizitätserzeugung hohe Schäden und menschliches Leid verursacht haben. So starben im Jahr 1975 nach dem Bruch des Banqiao-Staudamms 26'000 Menschen. Weitere 150'000 Menschen starben an den nachfolgenden Epidemien und an der Hungersnot.

Das Schweizer Paul Scherrer Institut (PSI) veröffentlicht in regelmässigen Abständen Vergleichsstudien über die Unfallrisiken verschiedener Energieträger: Sie vergleichen in einem differenzierten Ansatz die Opferzahl der Energieproduktion durch Kohle, Öl, Gas, Wasserkraft, Kernkraft und erneuerbare Energieträger. Berechnet wird die Eintrittswahrscheinlichkeit in Toten pro Gigawattjahr. Dabei wird sowohl die Zahl der unmittelbaren Opfer nach dem Unglück ermittelt wie auch die Zahl der Langzeitopfer abgeschätzt. Bei Öl, Gas, Wasserkraft ist die Zahl der möglichen unmittelbaren Opfer hoch, die Zahl der Langzeitopfer gering. Bei der Kernkraft sei es umgekehrt. Und wie sieht die Gesamtbilanz aus? «Gerechnet nach Todesopfern pro erzeugte Energieeinheit stehen Kernkraft und Wasserkraft in den industrialisierten Ländern deutlich besser da», folgert das österreichische Magazin Profil mit Verweis auf die PSI-Studien.

Im Interview mit dem österreichischen Nachrichtenmagazin «Profil» sagte Peter Burgherr, Leiter der vergleichenden Risikostudie über verschiedene Energieträger, die Gesellschaft müsse entscheiden, welches Risiko sie zu tragen bereit sei. Die Wissenschaft könne nur die Grundlagen dafür liefern. «Im Gegensatz zu manchen österreichischen Risikoforschern lässt Burgherr dabei erkennen, dass er keine politische Agenda verfolgt, sondern Risiken und Eintrittswahrscheinlichkeiten nach strenger Wissenschaftlichkeit gegeneinander abwägt», schreibt «Profil». Burgherr ist auch verantwortlich für die PSI-Datenbank Ensad (Energy-Related Severe Accident Database). Gemäss PSI handelt es sich um die weltgrösste Datenbank zu schwerwiegenden Unfällen im Energiesektor.

So eindeutig die Zahlen und Relationen der unmittelbaren Risiken der verschiedenen Arten der Elektrizitätserzeugung beziehungsweise Rohstoff-Gewinnung scheinbar sind, so schwierig gestalten sich die Abschätzung der Langzeitschäden. Die Kernenergie-Kritiker kämpfen vor allem auf diesem Terrain. Dabei werden andere Langzeitfolgen ausser Acht gelassen. So etwa die indirekten Folgen von Tankerunglücken und Katastrophen wie Deepwater Horizon am Golf von Mexiko (2010). Ganz abgesehen von den negativen Folgend des Klimawandels – verschiedene Ärzteorganisationen kritisieren vor allem die schädliche Wirkung des Verbrauchs fossiler Energieträgern (sprich: Luftverschmutzung) – und dies nicht nur mit langem Prognosehorizont.

So gilt James Corbett als einer der renommiertesten Experten für Schiffsabgase. Seine Studien gehen davon aus, dass die Schiffsemissionen weltweit jedes Jahr bis zu 60'000 vorzeitige Todesfälle verursachen. «Die Schiffsabgase gehören zu den am wenigsten regulierten Bereichen des globalen Transportsystems», meint James Corbett. Statt auf vergleichsweise sauberen Schiffsdiesel zu setzen, verfeuern die Kreuzfahrtschiffe auf hoher See nach wie vor so genanntes Schweröl. Dieses Rückstandsöl stammt aus Raffinerien und gilt als dreckigster aller Kraftstoffe. Ein weiteres Problem: Russpartikelfilter, welche diesen Namen verdienen, sind bei den wenigsten Schiffen eingebaut. Einzig die modernen Kreuzfahrt-Passagierschiffe sind nach dem neusten Stand der Technik eingerichtet.

Quelle

Hans Peter Arnold

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