Beschleuniger mit Plasma-Turbo
Einem Team der University of California Los Angeles (UCLA) ist es erstmals gelungen, die Energie von bereits beschleunigten Elektronen in einer nur 85 cm langen, mit Lithiumgas gefüllten Kammer auf rund 84 Gigaelektronenvolt (GeV) zu verdoppeln. Die Elektronen waren zuvor im 3 km langen Stanford Linear Accelerator (SLAC) auf 42 GeV beschleunigt worden.
Die Gruppe der UCLA um Joshi Chandrashekhar beschreibt ihren Versuch wie folgt: Aus dem SLAC-Hauptstrahl wird ein Elektronenpaket in die Kammer geleitet, wo dieses die Lithiumatome im Strahlweg ionisiert und die abgespaltenen Hüllelektronen zur Seite drängt. Zurück bleibt ein Haufen positiv geladener Atomkerne als örtlich begrenztes Gaspaket im Plasmazustand, das sich hinter dem Elektronenpaket durch die Kammer bewegt. Nach dem Durchgang des Elektronen- und Plasmapakets sammeln sich die verdrängten Hüllelektronen der Lithiumatome wieder - ähnlich wie das Kielwasser hinter einem Boot. Durch diesen Effekt baut sich zwischen dem Plasma und diesen Elektronen ein äusserst starkes elektrisches Feld auf. Das Feld beschleunigt einen kleinen Bruchteil der Elektronen im Elektronenpaket so intensiv, dass sie die Kammer mit der doppelten Energie verlassen, mit der sie eingetreten sind.
Noch kein Ersatz für Grossbeschleuniger
Dass in einem Plasma Elementarteilchen auf kurze Distanz Energien erreichen können, für die es in einem üblichen Beschleuniger Kilometer braucht, ist schon länger bekannt. Das Phänomen wird zum Bau von Kompaktbeschleunigern für die Medizin und die Materialwissenschaften ausgenützt. Die Ionisierung und der Aufbau der nötigen hohen elektrischen Feldstärke erfolgt dabei meistens mit kurzen Laserimpulsen. Auf einer Strecke von wenigen Zentimetern wird eine Austrittsenergie von bis zu 1 GeV erreicht.
Im Versuch am SLAC wurden das Plasma und das elektrische Feld nicht von einem Laser, sondern von den zu beschleunigenden Teilchen selber erzeugt und die Strecke verlängert. Wie erwartet, erreichte die Austrittsenergie bei einer Verlängerung auf 85 cm bis zu 84 GeV - annähernd der Energie von Teilchen aus Grossbeschleunigern, wie dem Large Electron-Positron Collider (LEP) des Cern. Bei einer weiteren Verlängerung auf 113 cm gewannen die Elektronen jedoch - bezogen auf die Strecke in der Kammer - deutlich weniger Energie. Die UCLA-Forschergruppe erklärt dies mit dem zunehmenden Auseinanderlaufen des Elektronen- und Plasmapakets.
Diese Schwierigkeit zusammen mit der flachen Energieverteilung der Elektronen am Austritt und der bescheidenen Ausbeute zeigen die Grenzen der Beschleunigung im Plasma, das sich in dieser Form für die kernphysikalische Forschung kaum eignet. Bis zum Ersatz von Grossbeschleunigern ist daher noch viel Entwicklungsarbeit zu leisten. Immerhin ist ein erster Schritt zum Nachweis der Machbarkeit getan, wie die Herausgeber der Zeitschrift «Nature» in einem Kommentar zur Publikation der UCLA-Forscher festhalten.
Quelle
P.B. nach Nature, Vol. 445 S. 741, 15. Februar, und Neue Zürcher Zeitung, 21. Februar 2007