Bruno Comby: ein pro-nuklearer Umweltaktivist

Die Umwelt- und Klimadiskussion der vergangenen Jahre hat prominente Umweltaktivisten zu einer Neueinschätzung der Kernenergie veranlasst. Mehr und mehr wird die gute Gesamt-Ökobilanz dieser Technologie zur Kenntnis genommen. Ein Gespräch mit Bruno Comby, Gründer und Präsident der französischen Association des écologistes pour le nucléaire (AEPN), am Rand der Tagung der Fédération romande pour l’énergie (FRE) und des Nuklearforums Schweiz am 19. November 2009 in Lausanne.

25. Nov. 2009
Bruno Comby: «Die Kernenergie ist eine saubere, zuverlässige, verfügbare, reichlich vorhandene und umweltfreundliche Energie.»
Bruno Comby: «Die Kernenergie ist eine saubere, zuverlässige, verfügbare, reichlich vorhandene und umweltfreundliche Energie.»
Quelle: FRE

Sie sind Umweltschützer. Worin zeigt sich diese Überzeugung in Ihrem täglichen Leben?

Ich wohne in einem Ökohaus, das ich teilweise selbst gebaut habe. Es handelt sich um ein Niedrigenergiehaus mit sehr geringen CO2-Emissionen: Es verbraucht 20 Mal weniger Energie und produziert 200 Mal weniger CO2 als ein normales Haus. Dann rauche ich nicht, trinke nur hie und da ein gutes Glas Wein und empfehle eine gesunde, abwechslungsreiche und ausgewogene Ernährung mit viel Rohkost und Dampf- oder Niedertemperaturgaren. Ich leite ehrenamtlich die von mir gegründete Vereinen Association des écologistes pour le nucléaire, um die Öffentlichkeit im Energiebereich zu informieren, Institut Bruno Comby, um die Öffentlichkeit über die Gesundheitsvorsorge zu informieren und Mouvement Optimiste. Weiter erstelle ich einmal jährlich meine eigene CO2-Bilanz, um zu ermitteln, wie viel Kohlendioxid ich an die Atmosphäre abgebe. Für diesen Zweck habe ich eine spezielle Software entwickelt. In fünf Jahren habe ich meine Emissionen bereits erheblich gesenkt, nämlich etwa um den Faktor 10. Ich hoffe, dass bald elektrische Autos erhältlich sind, damit ich mein Ökohaus ergänzen und so bei der Emissionsreduktion noch einen Schritt weiter gehen kann. Mein kleiner Ford Focus ist – obwohl ich ihn möglichst wenig benütze – gegenwärtig mein grösster CO2-Emittent.

Sie widersprechen traditionellen Umweltschutzkreisen. Mit welchem Hauptargument wollen Sie diese Kreise zum Umdenken bewegen?
Das Argument ist sehr einfach: Die Kernenergie ist eine saubere, zuverlässige, verfügbare, reichlich vorhandene und umweltfreundliche Energie. Sie wurde zwar bis heute verteufelt, aber man muss die Kernenergie aus einem anderen Blickwinkel betrachten und die Augen öffnen, um auch ihre Vorteile zu sehen. Diese neue Sicht vieler Umweltschützer auf die Kernenergie ist ein wesentlicher Beitrag für eine umweltfreundlichere Zukunft für unseren Planeten.

Warum verfangen die Argumente zugunsten der Kernenergie in traditionellen Umweltschutzkreisen nicht, obwohl sie auch vom IPCC vertreten werden?
Sie verfangen sehr wohl! Die Kreise, die früher geschlossen gegen die Kernenergie waren, sind in dieser Frage heute viel gemässigter und oft geteilter Meinung. Anerkannte Persönlichkeiten in der Umweltbewegung wie James Lovelock in Grossbritannien, der die Gaia-Theorie aufgestellt hat und seit den 1960-er Jahren als Vater des Umweltschutzes gilt, oder Patrick Moore, Mitbegründer von Greenpeace im Jahr 1971, bekannten sich zur Kernenergie, nachdem ich den Verein «Umweltschützer für die Kernenergie» ins Leben gerufen hatte. Die Umweltschutzkreise sind heute gespalten: auf der einen Seite gibt es die alte und anhaltende Antiatom-Haltung, und auf der anderen Seite eine neue kernkraftfreundliche Tendenz, die immer mehr an Gewicht gewinnt.

Die Kernkraftgegner sagen, der Anteil der Kernkraft an der weltweiten Energieversorgung sei gering und leiste nur einen unbedeutenden Beitrag zur Linderung des Klimaproblems. Wie gross ist das tatsächliche Potenzial der Kernenergie Ihrer Meinung nach?
Nehmen wir das Beispiel Frankreich. Hier sehen wir deutlich, dass die Kernenergie im Klimaschutz eine wesentliche Rolle spielt. Frankreich gibt pro Jahr und Einwohner rund sechs Tonnen CO2 an die Atmosphäre ab, Deutschland oder Dänemark rund zehn Tonnen. Hätten wir in Frankreich kein Nuklearprogramm, lägen wir ebenfalls bei zehn Tonnen. Ich schlage deshalb vor, dass sich die Welt vom französischen Beispiel inspirieren lässt und der Kernenergie zu einer «Renaissance» verhilft. Dies erfordert zwar Zeit, würde aber eine drastische Senkung der CO2-Emissionen ermöglichen. Und das ist ein wichtiger Teil der Lösung.

Die traditionellen Umweltschutzkreise bestehen auf dem Widerspruch zwischen Energiesparen, Kernenergie und erneuerbarer Energie. Wie sehen Sie das?
Ich sehe darin keinen Widerspruch, ganz im Gegenteil: Diese Instrumente ergänzen sich gegenseitig. Um einerseits die Klimakrise und andererseits die Energiekrise mit dem absehbaren Ende des Erdölzeitalters zu bewältigen, benötigen wir alle diese Instrumente. Wir müssen Energie sparen und die erneuerbaren Energien im Rahmen des Möglichen weiterentwickeln. In Bezug auf die Mengen dürfen wir uns allerdings nicht allzu grossen Illusionen hingeben, denn sie allein können nicht sämtliche Probleme lösen. Sie sind nicht ständig verfügbar und stehen nicht überall zur Verfügung. Sie müssen zudem über grosse Flächen eingesammelt werden. Das ist nicht eben umweltfreundlich, da dafür sehr viel Material benötigt wird, und auch die Kosten sind enorm. Wir müssen daher das tun, was mit erneuerbarer Energie machbar ist, vor allem mit thermischen Solaranlagen und der Erdwärme für die Warmwasserproduktion und die Wohnungsheizung. Damit unsere Industriegesellschaft funktionieren kann, benötigen wir aber trotzdem eine ständig verfügbare Energiequelle. Ich denke, dass diese Energiequelle in Zukunft vor allem die Kernenergie sein wird. Absolut prioritär ist, dass wir von Erdöl, Gas und Kohle wegkommen. Um diese enorme Herausforderung zu bewältigen, benötigen wir alle sauberen Energiequellen und dürfen keine von ihnen verteufeln.

Die Nuklearindustrie sieht sich ständig zur Verteidigung gezwungen. Warum sind die traditionellen Umweltschützer viel effizienter in der Kommunikation?
Weil sie viel kommunizieren. Ich denke, der Schlüssel liegt darin, regelmässig über die ökologischen Vorteile der Kernenergie zu kommunizieren. Das tun wir mit unserem Verein, und wir erleben, dass sich etwas verändert, wenn wir so vorgehen. Deshalb muss man immer wieder auf die zahlreichen Vorteile der Kernenergie hinweisen. Natürlich darf man die Nachteile nicht leugnen, aber die Vorteile überwiegen. Wir sollten ohne Zögern sagen, wie die Dinge wirklich sind.

Sie stehen in Verbindung mit anderen kernenergiefreundlichen Umweltschützern wie James Lovelock oder Patrick Moore. Wird sich diese Gruppe an der Uno-Konferenz in Kopenhagen Gehör verschaffen?
Wir sind nicht eingeladen, würden uns aber natürlich gerne Gehör verschaffen. Die Uno-Konferenz in Kopenhagen ist eine internationale Tagung mit grosser Medienpräsenz und daher eine gute Gelegenheit, um Ideen zu verbreiten. Ich hoffe natürlich, dass der Kernenergie genügend Raum gewährt wird.

Das Gespräch führte Michael Schorer


Praktisch denkender Umweltschützer
Für Bruno Comby ist Umweltschutz vor allem eine Lebenskunst − eine persönliche Einstellung, um zu sich selbst Sorge zu tragen und eine körperliche und geistige Lebenshygiene zu entwickeln. So hat er beispielsweise einen vielbeachteten Lobgesang auf die Siesta geschrieben und zusammen mit angesehenen Ärzten ein Gesundheitsinstitut gegründet, das sich unter anderem zum Ziel setzt, die Tabaksucht zu bekämpfen, die Lebensbedingungen der Menschen zu verbessern und die Umwelt zu schützen. Cpmby ist auch Gründer und Vorsitzender der Association des écologistes pour le nucléaire (AEPN), da er der Ansicht ist, dass der Widerstand gegen diese Energiequelle aus angeblich umweltschützerischen Gründen «ein schwerer historischer Fehler» ist, zurückzuführen auf mangelnde Information und fehlende Kenntnis der Materie. Dank seiner wissenschaftlichen Kompetenz und seinen Fähigkeiten als Kommunikator ist es ihm gelungen, bekannte Persönlichkeiten der internationalen Antiatombewegung für sich zu gewinnen.

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