Bund und Stromwirtschaft stehen in der Pflicht

Mahnende Worte an der diesjährigen Jahresversammlung des Nuklearforums Schweiz am 18. Mai 2010 in Bern: Präsidentin Corina Eichenberger und Josef A. Dürr, Direktor des Verbands Schweizerischer Elektrizitätsunternehmen (VSE), wiesen auf die Diskrepanz zwischen öffentlicher Wahrnehmung und Fakten bei der Schweizer Stromversorgung hin. Sie forderten von Behörden und Stromwirtschaft, sich klarer als bisher zur Kernenergie zu bekennen.

28. Mai 2010
Corina Eichenberger, Präsidentin des Nuklearforums Schweiz: «Der Bundesrat hat die Kernenergie zu einem zentralen Standbein seiner Strompolitik erklärt. Jetzt steht er in der Pflicht, die öffentliche Debatte darüber anzuführen.»
Corina Eichenberger, Präsidentin des Nuklearforums Schweiz: «Der Bundesrat hat die Kernenergie zu einem zentralen Standbein seiner Strompolitik erklärt. Jetzt steht er in der Pflicht, die öffentliche Debatte darüber anzuführen.»
Quelle: Nuklearforum Schweiz / Thai Christen

Dass Strom die Schlüsselenergie der Zukunft ist, wird kaum bestritten. Dennoch geht ein beachtlicher Teil der Schweizer Bevölkerung davon aus, dass allein mit Energieeffizienz und erneuerbaren Energien die Stromversorgung in Zukunft sichergestellt werden kann, wie Umfragen zeigen. «Viele Menschen reagieren überrascht, wenn sie erfahren, dass die Photovoltaik nur ein halbes Promille unseres Stroms liefert und der Wind noch weniger», sagte Eichenberger zur Eröffnung der Jahresversammlung im Hotel Bellevue Palace in Bern: «Die Diskrepanz zwischen Wahrnehmung und Realität ist enorm. Hier rächt sich, dass jede Inbetriebnahme einer Solaranlage oder einer Windturbine von den Erbauern in den Medien als Grossereignis mit ebenso grossem Bild gefeiert wird. Dabei kommt deren geringe und nicht bedarfsgerechte Stromproduktion in der Regel nur am Ende des Berichts zur Sprache, wenn überhaupt.»

Bundesrat muss öffentliche Debatte anführen

In den kommenden Monaten und Jahren werden sich Konsultativabstimmungen und verpflichtende Abstimmungen zu Strom- und Energiefragen in den Kantonen und Städten häufen, mahnte Eichenberger: «Der Bundesrat hat die Kernenergie zu einem zentralen Standbein seiner Strompolitik erklärt. Jetzt steht er in der Pflicht, die öffentliche Debatte darüber anzuführen.»

Mit Befriedigung nahm Eichenberger zur Kenntnis, dass das Bundesamt für Energie bei der anstehenden Vernehmlassung zu den Rahmenbewilligungsgesuchen für Kernkraftwerke gegenüber einzelnen Kantonen signalisiert hat, dass es die Antwortfristen gemäss Kernenergiegesetz durchzusetzen gedenke. Ebenso verteidige das Amt öffentlich die vereinbarten Regeln des Sachplanverfahrens für geologische Tiefenlager gegen die Winkelzüge des Kantons Schaffhausen: «Das Nuklearforum begrüsst diese konsequente Verteidigung der Rechtssicherheit in unserem Land.»

Da der Staat die entscheidenden Rahmenbedingungen für Investitionen der Schweizer Energiewirtschaft setze, spiele er für die Sicherung der Stromversorgung eine zentrale Rolle, rief Eichenberger in Erinnerung. Gemäss Energiegesetz seien Bund und Kantone verpflichtet, diese Rahmenbedingungen so zu gestalten, dass die Energiewirtschaft ihre Aufgabe im Gesamtinteresse des Landes optimal und zeitgerecht erfüllen könne.

Warnung vor Stromunterbrüchen

Auch VSE-Direktor Josef A. Dürr nahm die Wahrnehmungslücke breiter Kreise der Bevölkerung ins Visier, wonach Effizienzsteigerungen und die neuen erneuerbaren Energien die sich öffnende Stromlücke schliessen könnten. «Manchmal erhält man den Eindruck, dass die Strombranche auch so denkt, wenn ich die verschiedenen Werbespots, Inserate und anderen Werbemittel von Branchenunternehmen ansehe», bemerkte er. Nüchtern sei anzuerkennen, dass die Gegner der Kernenergie «einen guten Job gemacht haben». Es sei ihnen gelungen, gezielt positiv belegte Adjektive mit den erneuerbaren Energien zu verbinden und negativ belegte mit der Kernenergie. Dabei entsprächen diese Wertungen keineswegs immer der Realität.

Bis zum Jahr 2035 dürften – je nach Prognose – zwischen 10 und 20 TWh langfristig gesicherter Strom fehlen, schwergewichtig im Winterhalbjahr, unterstrich Dürr. Der Bund rechne schon heute in einem Kältewinter oder während langer Sommerhitze mit Stromengpässen. «Kurzfristige Stromunterbrüche durch notwendige Abschaltungen könnten sich häufen», mahnte er. Eine strategische Führungsübung von Behörden und Stromwirtschaft im vergangenen Herbst habe allen Beteiligten die Folgen einer anhaltenden Stromverknappung drastisch vor Augen geführt. Mobilität und Kommunikation wären kaum mehr möglich.

Josef A. Dürr, Direktor des VSE, plädiert vehement für den zuverlässigen und wirtschaftlichen Mix aus Wasserkraft und Kernenergie, neu ergänzt durch Strom aus Biomasse, Wind und Sonne.
Josef A. Dürr, Direktor des VSE, plädiert vehement für den zuverlässigen und wirtschaftlichen Mix aus Wasserkraft und Kernenergie, neu ergänzt durch Strom aus Biomasse, Wind und Sonne.
Quelle: Nuklearforum Schweiz / Thai Christen

Schweizer Erfolgsrezept: Erneuerbare und Kernenergie

Bei längeren Stromengpässen gelte die Regelung, dass sich die EU-Länder vorerst gegenseitig versorgen und die Schweiz hinten anstehen muss, erklärte Dürr. Er und Eichenberger plädierten daher vehement für das Schweizer Erfolgsrezept der letzten Jahrzehnte: den zuverlässigen und wirtschaftlichen Mix aus Wasserkraft und Kernenergie, neu ergänzt durch Strom aus Biomasse, Wind und Sonne.

«Wenn wir die Bevölkerung für die Kernenergie gewinnen oder besser gar begeistern wollen, dann müssen wir die sprachlichen Verknüpfungen aufbrechen, weil diese die Meinungsbildung in weiten, teilweise auch gebildeten Kreisen, massiv beeinflusst», forderte Dürr. «Dabei geht es keinesfalls darum, die erneuerbaren Energien schlecht zu machen, jedoch ihre Nachteile und Grenzen aufzuzeigen.»

Quelle

M.S.

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