Die Kernenergie braucht ein «junges Gesicht»!

Die Young Generation (YG) betreut die jungen Mitglieder der Schweizerischen Gesellschaft der Kernfachleute (SGK): im Vordergrund stehen die Förderung des Wissenstransfers zwischen jungen und erfahrenen Fachleuten und der Erfahrungsaustausch. Marco Streit ist am 13. April 2007 zum neuen Präsidenten der YG gewählt worden. Er nimmt Stellung zur Zukunft der YG und erläutert die mögliche Rolle der YG in der Diskussion der künftigen Schweizer Stromversorgung.

14. Mai 2007
Marco Streit, neuer Präsident der YG: «Wir stehen am Anfang einer neuen Epoche für die Kerntechnik».
Marco Streit, neuer Präsident der YG: «Wir stehen am Anfang einer neuen Epoche für die Kerntechnik».
Quelle: Marco Streit

Herr Streit, Sie sind seit Mitte April 2007 Präsident der YG. Was hat Sie bewogen, dieses Amt zu übernehmen und was möchten Sie als neuer Präsident erreichen? Wohin möchten
Sie die YG führen?


Seit Gründung der Schweizer YG im Jahr 1998 bin ich eifriger Besucher der angebotenen Veranstaltungen. Die Idee der YG hat mich von Anfang an überzeugt: Sie bietet jungen Leuten in der Kernenergiebranche die Möglichkeit sich fortzubilden und gleichzeitig ihr Beziehungsnetzwerk zu vertiefen. Als im Jahr 2002 neue Kandidaten für den Vorstand der YG gesucht wurden, habe ich mich gerne zur Verfügung gestellt. Das Amt des Präsidenten zu übernehmen war ein logischer Schritt nach dem Ausscheiden unserer bisherigen Präsidentin Alexandra Homann.

Mein grösstes Ziel ist sicherlich die Ausrichtung des 5. International Youth Nuclear Congress (IYNC) im nächsten Jahr, sowie die Vorbereitung und Aufstellung der YG für die turbulenten Zeiten, welche anbrechen werden.

Sie haben es bereits erwähnt: Die YG hat die Wahl zur Ausrichtung des IYNC gewonnen. Die Konferenz wird vom 20.-26. September 2008 in Interlaken stattfinden. Wie wird die YG dieses grosse Projekt anpacken?

Ich war ehrlich sehr überrascht, dass die Wahl auf die Schweiz gefallen ist. Der IYNC ist eine zweijährliche Konferenz, welche im Wechsel in Europa, Asien und Amerika stattfindet. Der letzte Austragungsort war Stockholm und somit waren wir als krasser Aussenseiter angetreten. Das wir uns letztendlich gegen Brasilien, China und Frankreich durchsetzt haben, erfüllt uns alle mit Stolz.

Der IYNC bezeichnet sowohl eine Konferenz wie auch die internationale Organisation der YG. Somit wird die Schweizer YG diese Veranstaltung nicht alleine durchführen, sondern kann auf die Mithilfe und Unterstützung des gesamten IYNC-Netzwerkes zählen. Die Schweizer YG ist verantwortlich für alle logistischen Massnahmen vor Ort. Das wissenschaftlich-technische Programm wird von der IYNC getragen. Ausserdem hoffen wir mit der Wahl des Austragungsortes und des Termins, Synergien mit der Physor 2008 - die Mitte September 2008 ebenfalls in Interlaken stattfinden wird - für die Ausrichter und die Teilnehmer erzeugen zu können.

Nach der Wahl haben sich spontan Youngsters gemeldet, welche nun in unserem Team mitarbeiten. Auch von Seiten der Schweizer Industrie erfahren wir breite Unterstützung. Natürlich sind wir auch weiterhin froh über tatkräftige Helfer und Hilfsangebote.

Unsere derzeitige Hauptaufgabe ist die Suche nach Sponsoren. Das Zielpublikum des Kongresses sind junge Kernfachleute und Studenten aus der ganzen Welt, welche nicht immer über die entsprechenden Mittel verfügen hohe Konferenzgebühren zu zahlen. Dank Sponsoren aus der Industrie können die Gebühren niedrig gehalten werden.

Mit dem derzeitigen Stand der Planung bin ich sehr zufrieden und die gesamte Mannschaft
des Organisationskomitees freut sich auf ein ereignisreiches nächstes Jahr.

Momentan wird das Problem des fehlenden Nachwuchses in den für die Kernenergie nötigen Berufsfeldern (insbesondere Ingenieurwesen) diskutiert. Ist dieses Problem wirklich vorhanden und falls ja, warum?

Ja und Nein. Zum einen sieht man gerade auf YG-Veranstaltungen eine wachsende Teilnehmerzahl, d.h. es gibt wieder mehr junge Kernfachleute. Zum anderen hat die Industrie Schwierigkeiten auf dem Arbeitsmarkt entsprechende Kräfte zu finden.

Ich denke wir befinden uns nach einer langen Phase der Ungewissheit am Anfang einer neuen «Epoche» für die Kerntechnik. Es bietet sich seit ca. zwei Jahren wieder eine Perspektive für junge Menschen in der Kerntechnik zu arbeiten. Somit wird es auch wieder Arbeitskräfte geben, jedoch mit einer Verzögerung durch die Ausbildung von einigen Jahren. Ein wichtiger Schritt und bedeutendes Signal ist die Schaffung neuer Lehrstühle an den Hochschulen. Darüber hinaus denke ich, muss die Industrie weitere Anreize schaffen, um in der Zwischenzeit artverwandt ausgebildete Arbeitskräfte anwerben zu können.

Die YG ist unter anderem ins Leben gerufen worden, um Quereinsteigern die Möglichkeit zur Weiterbildung, zum Erfahrungsaustausch mit den erfahrenen Kerntechnikern und zur Netzwerkbildung zu ermöglichen.

In der Schweiz wird voraussichtlich in den nächsten Jahren ein konkretes Neubau-Projekt für den Ersatz der bestehenden Kernkraftwerke lanciert. Wie gedenken Sie, diesen Prozess zu unterstützen? Und was denken Sie, wie sich das Projekt auf den Verein Young Generation auswirken wird?

Sicherlich werden viele Youngsters in die Projektierungen involviert sein und somit werden Neubauprojekte einen starken Einfluss auf die YG als Organisation haben. Ich glaube gerade in der Neubaudiskussion sollte die YG eine entscheidende Rolle spielen. Wir sind das «junge Gesicht» der Kerntechnik und können zeigen, dass die junge Genera-tion den Bau und Betrieb mehrerer neuer Kernkraftwerke unterstützt. Wie unsere Rolle konkret aussieht wird sich zeigen.

Die Schweizer Kernkraftwerke befinden sich alle in der Deutschschweiz. Über die Zukunft der Kernenergie wird jedoch die gesamte Schweiz entscheiden. Gibt es von Seiten der YG Ansätze, sich mehr in der Romandie und im Tessin zu engagieren?

Konkrete Pläne gibt es derzeit nicht. Dazu fehlt uns momentan die Manpower. Wir sind jedoch offen und würden uns über junge Mitglieder aus der West- und Südschweiz sehr freuen.

Umfrageergebnisse belegen, dass die Bevölkerung wenig Wissen über die Kernenergie besitzt (Stichworte Tiefenlagerung, Uranvorräte, Sicherheit der Kernanlagen und Stromversorgung). Gegen Unwissen kann etwas getan werden - es muss informiert werden. Welcher Beitrag kann und muss die YG hier leisten?

Wir liefern sehr aktive Hilfe im Bereich des Mentoring von Schülern und Studierenden, die Arbeiten zum Thema Kernenergie verfassen müssen. Häufig bleiben sie auf unserer Webseite hängen und fragen nach näheren Informationen. Diese geben wir natürlich gerne und versuchen auch wenn möglich persönliche Treffen zu arrangieren.

Die eigentliche Informationsaufgabe sehe ich eher bei den Experten des Nuklearforums oder der swissnuclear. Es gibt jedoch Fälle, in denen die Informationsweitergabe durch junge Leute einfacher erfolgt, und da stehen wir selbstverständlich gerne zur Verfügung.

Ausserhalb der Fachkreise ist die YG nicht sonderlich bekannt. Wie wichtig ist Ihnen die öffentliche Wahrnehmung? Sehen Sie hier Handlungsbedarf seitens der YG?

Die Schweizer YG besteht nächstes Jahr seit zehn Jahren, und ihre Zielsetzung war und ist die Fort- und Weiterbildung, sowie der Aufbau von Beziehungsnetzwerken. Die öffentliche Wahrnehmung ist für diese Ziele eher sekundär. Ich glaube jedoch, dass sich die Branche in der aufkommenden Stromversorgungsdiskussion unter anderem «ein junges Gesicht» geben muss. So kann die Schweizer Bevölkerung von der Notwendigkeit von neuen Kernkraftwerken überzeugt werden.

Marco Streit studierte Chemie an der Universität Basel und promovierte an der ETH Zürich im Bereich der Material-wissenschaften. Seine Doktorarbeit auf dem Gebiet der nuklearen Brennstoffe war ein gemeinschaftliches Projekt der ETH Zürich, des Paul Scherrer Instituts (PSI) und des Commissariat à l'énergie atomique (CEA) in Cadarache. Am PSI arbeitete er ab 1998 im Bereich der fortgeschrittenen Brennstoffzyklen an verschiedenen internationalen Forschungsprojekten mit. Seit 2005 ist er bei der Aare Tessin AG für Elektrizität (Atel) als Assistent «Thermische Produktion Schweiz» tätig. Zuvor war er als Swiss Secondee für ein Jahr zum OECD Halden Reactor Project nach Norwegen delegiert.

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