Die Zähmung des zweiten Feuers

Von Dr. Serge Prêtre, vormals Direktor der Hauptabteilung für die Sicherheit von Kernanlagen (HSK)

31. Jan. 2003

Einleitung

Diese Geschichte könnte auch heissen: "Die Domestizierung des neuentdeckten Feuers". Wie auch das Sprichwort lautet: "Geschichte wiederholt sich". Nach 700'000 Jahren mühsamer Beherrschung des Feuers wiederholt sich die Geschichtetatsächlich, dieses Mal jedoch auf viel höherer Ebene. Dieses zweite Feuer ist die Kernenergie, 700'000 mal intensiver, heisser, gefährlicher und schwieriger zu handhaben als Feuer und 700'000 mal explosiver als Dynamit. Die Energieerzeugung durch Kernspaltung verursacht nur wenig Asche und Gase, die jedoch 700'000 mal toxischer sind als Asche und Gase durch konventionelle Brennstoffe. Die Geschichte, die sich eher als Spirale denn als Kreislauf darstellt, wiederholt sich somit auf höherer Ebene und mit deutlich schnellerem Tempo. Der Sprung vom ersten zum zweiten Feuer ist enorm gross, aber in 700'000 Jahren hat die Menschheit Fortschritte gemacht, die auch enorm sind. Diese Geschichte ist der Versuch, unter dem Aspekt der augenblicklichen Erschwernisse für die Kerntechnik, die Eroberung des Feuers neu zu entdecken und Parallelen zwischen beiden zu ziehen.

Die Domestizierung des ersten Feuers

Vor seiner Domestizierung war es eine langsame und mühevolle Eroberung. Schätzungen geben an, dass die Eroberung des Feuers vor 700'000 Jahren in der Steinzeit begann. Dem primitiven Menschen dieses Zeitalters - dem Pithecanthropus - war bis zu diesem Zeitpunkt bereits die Idee von Werkzeugen gekommen. Durch das Behauen von Feuersteinen konnte er diese schärfen, um sie als Messer und Speerspitzen zu verwenden. Zu jener Zeit gab es mehr aktive Vulkane als heutzutage, und einige Stämme des frühen Pithecanthropus konnten in der Ferne rauchende Berge beobachten. Dies verursachte zugleich Neugier und Angst. Über einen langen Zeitraum überwog die Angst die Neugier und kein Pithecanthropus wagte sich nahe heran.

Die Neugier besiegt die Angst
Unter diesen Pithecantropus-Menschen gab es einige, die mit jenem innovativen Geist ausgestattet waren, der den Menschen wagemutig, unternehmungsfreudig und sogar trotzig macht. Als sie sich diesem Wunder näherten, um es besser betrachten zu können, staunten diese Menschen über das, was sie sahen.
Das Phänomen:

  • - Es frass Holz und schied direkt seine Exkremente aus (Asche).
  • - Es starb, sobald es kein Holz mehr zu fressen bekam.
  • - Daher ernährte es sich wie ein Tier bzw. wie ein Gott.
  • - Es biss wie eine Schlange, wenn man es berührte.
  • - Es biss auch aus der Entfernung. Wenn sie einem grossen Feuer nahe kamen, riskierten sie, sich die Fellhäute, in die sie gehüllt waren, zu versengen oder sich zu verbrennen. Diese Wirkung aus der Ferne war unfassbar. Ein Wunder!
  • - Aus der richtigen Entfernung konnte es angenehme Wärme spenden.
  • - In der Nacht konnte es alles hell erleuchten. Auch das war wie ein Wunder.
  • - Es schreckte wilde Tiere (Tiger, Leoparden, Rhinozerosse, Elefanten, usw.) und hielt sie so in sicherer Entfernung
  • - Heftiger Regen konnte es töten.


Versuche, das Feuer zu zähmen
Nachdem sie diese faszinierende Erscheinung einige Zeit beobachtet hatten, versuchten die kühnsten Pithecantropus-Menschen, es zu domestizieren. Die Idee, Tiere zu zähmen, war ihnen nicht mehr fremd. Einige hatten bereits versucht, einen jungen Hund, ein Wildschwein oder einen Affen aufzuziehen. Warum sollte man also nicht den Versuch wagen und ein "junges" Feuer zähmen? Und bald stellte sich heraus, dass man es füttern und am Leben erhalten konnte, dass man es beherrschen konnte und schliesslich, dass man seine Ausbreitung und Verstärkung verhindern konnte. Man durfte es nur nicht mit zu viel oder zu wenig Brennstoff füttern. Es war auch wichtig zu erkennen, dass es durch Ersticken getötet werden konnte, wenn es nicht zu gross war. Während dieses Gewöhnungsprozesses hatte der Pithecanthropus somit gelernt, trockenes Holz zu finden und es an dieses nimmersatte Feuer zu verfüttern.
All diese Beobachtungen und ersten Experimente konnten nur gemacht werden, wo bereits Feuer vorhanden war, sei es durch Blitz oder Lava entstanden. Bis zu diesem Zeitpunkt war niemandem ein Transportmittel für Feuer eingefallen.

Die Anfänge der Domestizierung
Hier kam der Albert Einstein des Pithecanthropus-Menschen ins Spiel. Seine Entdeckung hatte dieselben Auswirkungen für sein Zeitalter wie die Formel "E =mc2" auf unseres. Er stellte fest, dass ein Ast, der an einer Seite brannte, auf der anderen kalt war. Daher konnte er diesen Ast in seiner Hand halten und ihn an einen anderen Ort bringen. Und siehe da: durch das Tragen dieses Astes konnte er Feuer transportieren.
Ausserdem konnte er - einmal am Ziel angekommen - die erste Fackel nutzen, um ein anderes Feuer anzuzünden. Die Idee war ausgezeichnet; ihre Umsetzung in die Praxis bereitete jedoch noch einige Probleme. Der Mensch hatte festgestellt, dass ein zu heftiger Windzug einen angezündeten Ast ausblasen kann, und dass man durch Einblasen der richtigen Menge Luft einer ersterbenden Flamme sprichwörtlich wieder Leben einhauchen kann. So konnte der zwar primitive, aber dennoch wagemutige Mensch aufbrechen und Feuer holen, konnte es in seine Höhle bringen und mit seinem ganzen Stamm teilen.

Erziehung durch Feuer
Der Pithecanthropus-Mensch wusste noch nicht, wie er Feuer machen konnte, doch jetzt wusste er, wie er es transportieren konnte. Aufzubrechen, um Feuer zu holen und es nach Hause zu bringen, bedeutete aber eine aufwändige Expedition, die monatelang dauern konnte. Nachdem es schliesslich bis vor die Höhle gelangt war, war viel Organisation nötig, um das Feuer zu bewachen, es zu füttern und darauf Acht zu geben, dass es auch bei starkem Regen nicht ausging. Daher waren für die Bändigung des Feuers Sorgfalt, Ordnung, gegenseitige Hilfeleistung, Engagement, Organisation, Disziplin und Verantwortungsbewusstsein erforderlich. Vielleicht bedeutete das den Ursprung für ein organisiertes soziales Leben. Der damalige Mensch erfand die Schichtarbeit und die Idee, sich abzulösen. Ausserdem musste er Kontrolle ausüben und eiserne Disziplin herrschen lassen und für die Undisziplinierten Strafe vorsehen. Somit begann der Mensch, über Verantwortung nachzudenken.

Macht, Gier und Nicht-Weitergabe
Diejenigen Stämme, die schon verstanden, was Feuer bedeutet, die es zu beherrschen, zu bewachen und zu transportieren wussten und die es nicht fürchteten, hatten einen Vorteil gegenüber ihren Artgenossen. Dieses Wissen verlieh ihnen Macht. Und es war der Ursprung der Zauberei. Die wagemutigsten und gerissensten unter den Pionieren wurden zu Hexenmeistern. Das waren die Menschen, die schnell begriffen hatten, dass ihre Macht von ihrem Wissen abhing und dass es in ihrem Interesse war, dieses Wissen für sich zu behalten. Und das war schliesslich der Beginn von Heimlichkeiten.
Ein Stamm, der über Feuer verfügte und es beherrschen konnte, war gegenüber seinem Nachbarstamm, der als primitiver eingeschätzt wurde, weil er es noch nicht geschafft hatte, das Feuer zu bezwingen, deutlich im Vorteil. Diese sogenannten unterentwickelten Stämme begehrten das neue Statussymbol der dominierenden Stämme und bemühten sich, deren Entwicklungsstand zu erreichen. Da sie jedoch darum bemüht waren, das Geheimnis gut zu hüten und die Angst vor dem Feuer zu schüren, hatten die Zauberer eine wirksame Methode gefunden, um die Verbreitung des Feuers zu verhindern. Die dominierenden Stämme waren der Meinung, dass primitive und relativ unterentwickelte Stämme, die nicht über dasselbe Verantwortungsbewusstsein wie sie selbst verfügten, nicht solche Macht erhalten sollten. In einer Zeit, in der die Sprache noch in ihren Anfängen steckte und nur über einige Dutzend Laute verfügte, dachte der Mensch bereits über die Idee der Nicht-Weitergabe ("Non Prolifération") einer Energie nach, die als zu gefährlich galt, um in die falschen Hände zu geraten.
Ein gebändigtes Feuer vor der Höhle eines Stammes brachte bald neue Vorteile und weitere Macht:

  • - Durch Zufall wurde entdeckt, dass geröstetes Fleisch leichter zu kauen war als rohes und dass es viel leichter zu verdauen war.
  • - Die Erkenntnis, dass eine Speerspitze aushärtet, wenn sie durch Feuer geschwärzt wird, war wahrscheinlich auch zufällig.
  • - Feuer, so stellten sie fest, verhalf ihnen auch zu komfortableren Unterkünften. Ein Stamm, der sich eine bessere Höhle ausgesucht hatte, die jedoch von Bären oder anderen wilden Tieren besetzt war, konnte diese Tiere des Nachts aus ihren Wohnungen vertreiben, indem sie Äste schwangen, die sie mit der magischen Flamme entzündet hatten.


Das Feuermachen beherrschen
Sollte das Feuer eines Stammes durch ein Unglück, wie heftiger Regen oder menschliche Fehler (ein Mangel an Disziplin), ausgehen, so muss dieser Stamm einen Rückschritt von 10'000 Jahren befürchten. In diesem Fall mussten die Urmenschen sofort wieder beginnen, neues Feuer zu suchen, das sie dann in ihre Höhle zurücktransportieren mussten. Der Zauberer wusste dies und war sich darüber im Klaren, dass ohne Feuer seine Zauberkräfte zunichte gemacht waren. Dies war die Geburtsstunde einer neuen und starken Motivation: Etwas zu finden, mit dem man überall und mit allem was gerade zur Hand war, Feuer machen konnte. Eines Tages entdeckte ein Zauberer, dass mit den Funken, die beim Schärfen eines Feuersteins entstanden, ein Feuer entzündet werden könnte. Durch Beharrlichkeit und ständiges Bemühen über vielleicht tausend Jahre gelang es dem Pithecantropus schliesslich, ein Feuer zu entzünden, indem er mit einem Feuerstein schlug oder zwei dünne Holzästchen gegeneinander rieb.
Die Beherrschung des Feuers war nun erreicht! Der primitive Mensch wusste, wie man ein Feuer machte und verfügte über ein relativ gutes Verständnis dafür, wie man es einsetzen konnte.
Doch es gab Unfälle, und manchmal sogar schwere Unfälle.

Grosse Gefahren erkennen
Nicht nur der Rauch eines Feuers, sondern auch unsichtbare Gase aus der Glut eines fast erloschenen Feuers konnten die Gesundheit derer, die in schlecht gelüfteten Höhlen lebten, gefährden und mitunter sogar zu ihrem Tode führen. Das Feuer konnte somit auch tückische oder sogar teuflische Auswirkungen haben. Ohne es zu bemerken, konnte der Mensch hoch giftige Substanzen aus dem Feuer einatmen.
Waldbrände waren eine weitere grosse Gefahr. In Trockenperioden konnte ein Feuer ausser Kontrolle geraten und einen ganzen Wald in Brand setzen und somit fast einen ganzen Stamm mitsamt dem Wildbestand, von dem er lebte, auslöschen. Ausser ihren kurzfristigen Auswirkungen hatten solche Katastrophen auch dauerhafte Auswirkungen. Diese zerstörten Regionen wurden unbewohnbar, weil es dort kein Wild mehr gab. Damit die Tiere zurückkamen, mussten die Bäume wieder wachsen, und das würde 30 Jahre dauern. Stämme, die von einem solchen Unglück betroffen waren, mussten daher fliehen und aussichtsvolleres Land suchen. Das ist, was wir als einen GAU (grösster anzunehmender Unfall) bezeichnen. Wir können uns die lebhafte Debatte nach einem solchen Unfall vorstellen, die dann zu der entscheidenden Frage führt: "Wäre es nicht am besten, wir schaffen das Feuer ab und würden wieder wie die Affen auf den Bäumen leben?" Doch schon zu jener Zeit gab der Mensch darauf drei verschiedene Antworten:

  • - Die Antwort der Pioniere: Sie gaben zu, dass dieser Unfall schwerwiegend war, dass jedoch die Gefahr eines nochmaligen Auftretens begrenzt sei (kleine Wahrscheinlichkeit). Die Vorteile, die das Feuer ihnen brachte, waren einfach zu gross, um an seine Abschaffung überhaupt denken zu können. Es wäre besser, dieses Restrisiko in Kauf zu nehmen. Das ist der Preis, der zu zahlen ist, um die Vorteile der Domestizierung des Feuers weiter zu geniessen.
  • - Die Antwort der Stammesbehörden (Ordnungsmenschen): "Dies war ein schwerwiegender Unfall und es muss verhindert werden, dass er wieder geschieht." Die Vorschriften und Kontrollen mussten ebenso verschärft werden wie die Überwachung und Bestrafung für jede Art von Disziplinlosigkeit. Ausserdem musste das Feuer vom Waldrand ferngehalten werden und wurde auf eine risikofreie Gegend ohne Holz und Äste beschränkt. Die Anzahl der "Feuerwächter" (die ersten Feuerwehrleute) musste in den trockenen und windigen Jahreszeiten erhöht werden.
  • - Die Antwort der Ökologen (Fundamentalisten): Der Mensch hätte nicht in die Natur eingreifen sollen. Er darf nicht mit Feuer spielen. Das Feuer ist nicht für den Menschen geschaffen. Es ist ein Privileg der Götter. "Lasst uns die Natur respektieren und wieder auf den Bäumen leben, ohne Feuer, so wie die Natur es für uns vorgesehen hat".


Verzicht durch Weisheit
Dieser Verzicht hätte ein Akt grosser Weisheit sein können. Einige der benachbarten Stämme waren jedoch nicht bereit dieses Opfer zu bringen. Da in einem einzigen Wald mindestens vier oder fünf Stämme beheimatet waren, waren alle dem unachtsamsten oder dümmsten Stamm, der unter Umständen den gesamten Wald in Brand setzte, auf Gedeih und Verderb ausgeliefert. Dieses Argument unterstützte wiederum die stillschweigende Vereinbarung über die Nicht-Weitergabe des Feuers. Es musste um jeden Preis sichergestellt werden, dass weniger entwickelte Stämme keinen Zugang zum Feuer erhielten und dass diejenigen Stämme, die bereits über Feuer verfügten, den anderen zeigten, dass sie ernsthaft und verantwortungsbewusst damit umgingen.
Man kann sich vorstellen, dass gewisse besorgte Stämme den Ausstieg aus der Feuernutzung beschlossen, aber dann wohl nur für kurze Zeit. Dann kam die Eiszeit und der Mensch musste in der Kälte überleben.

Bedenken beiseite schieben
In 700'000 Jahren musste der Pithecanthropus drei Eiszeiten überleben. Obwohl dies hart war-sie brauchten nämlich all ihre Energie fürs Überleben und für die Fortpflanzung - schafften sie es, ihre Werkzeuge zu diversifizieren. Beispielsweise benutzten sie jetzt neben Stein auch Knochen. Sie versuchten ebenfalls, Tiere, wie z. B. Ziegen, zu domestizieren und sie pflanzten wilde Gräser als Getreide an. Das Feuer war also eines der Elemente, die es dem Pithecantropus ermöglichten, drei Eiszeiten zu überleben und sich gleichzeitig zum Homo Sapiens weiterzuentwickeln.

Eine Flut von Symbolen
Feuer ist ein universelles Phänomen, das lange vor der Entstehung des wissenschaftlichen Denkens benützt wurde, um alle Arten von segensreichen und bösen Erscheinungen zu erklären. Es wurde im Positiven mit Wärme, Gemütlichkeit und Heilung in Verbindung gebracht, im Negativen hingegen mit Verbrennen, Schmerz und Gefahr. Ausserdem war Feuer ein Symbol für Respekt und die Umwandlung von Materie. Auch magische und göttliche Eigenschaften wurden mit ihm verbunden. Verständlicherweise faszinierte das Feuer den primitiven Menschen und machte einen grossen Teil seines Unterbewusstseins aus. Es war die Verkörperung einiger noch verborgener oder verworrener abstrakter Ideen, welche die Seele des Menschen in diesem Zeitalter quälten: Feuer als Symbol für Reinigung oder Zerstörung oder eines für Macht.

Heisses Wasser
Die letzte Eiszeit endete vor ungefähr 10'000 Jahren, als durch das nun ausgeglichenere Klima der Erde die wahre Entwicklung begann. Vor ungefähr 7'000 Jahren wurde Feuer für etwas Neues genutzt: Töpfern. Durch das Aufkommen der praktischen Tonbehälter konnte der Mensch Wasser erhitzen und kam so auf die Idee, seine Nahrung zu kochen. 2'000 Jahre später brach die Bronzezeit an und damit das Metallzeitalter. Schliesslich, ungefähr zwei Jahrtausende vor unserem Zeitalter, begann die Eisenzeit.

Das verlorene Paradies
Nach der Erfindung des Bootes, des Rads und der Hebelkraft beschleunigte sich der Fortschritt. Grossartige Zivilisationen (Ägypter, Griechen und Römer ... ) entstanden. Der Mensch begann zu schreiben und erfand den Flaschenzug, die Wind- und Wassermühle. Bald wird das Mittelalter erreicht.
Mit der Erfindung explosiven Pulvers, das später Schiesspulver genannt und für Gewehre und Kanonen eingesetzt wurde, treffen wir wieder auf das Feuer. Durch diese neue Verwendung des Feuers konnte der Feind schon aus grosser Entfernung getroffen werden. Kriege forderten immer mehr Tote. Die Idee, dass die Menschheit in paradiesischem Frieden leben könnte, war ein für alle Mal zunichte gemacht. Es wurde versucht, den nach Ruhe strebenden Völkern Frieden zu bringen, indem nachts Wächter aufgestellt wurden. Der Mensch brauchte nun neben Feuerwehren auch Befestigungsanlagen.

Für sich allein weder gut noch schlecht
Es ist nicht das Feuer an sich, das gut oder böse ist, sondern die Art und Weise, wie wir es einsetzen. Von Menschen, die durch die kriegerischen und zerstörenden Zwecke, traumatisiert wurden, wurde das Feuer immer wieder zum Sündenbock für alles Böse gemacht, das die Zivilisation hervorgebracht hat, und genau diese Menschen rufen wieder nach seiner Abschaffung. Der Zeitpunkt jedoch, an dem es keine Umkehr mehr gab, wurde bereits vor vielen, vielen Jahren überschritten.

Alltäglichkeit
Vor Beginn des 19. Jahrhunderts war es jeder Familie möglich, ein Feuer anzuzünden, doch es war nicht so einfach. Mit einer Art Anzünder aus Metall und Feuerstein - für dessen Benützung man grosse Kraft brauchte - wurde Zunder entflammt und die Flamme zum Anmachholz gebracht. Dies war jedoch etwas, wozu ein Vierjähriger niemals in der Lage gewesen wäre. So kamen die Streichhölzer auf. Jetzt war es für jeden möglich, zu jeder Zeit und an jedem Ort Feuer zu machen. Der Mensch hatte somit eine Stufe der Alltäglichkeit erreicht, auf der das Feuermachen - zuvor ein Privilégias nur der Elite vorbehalten war - nunmehr extrem einfach wurde und weit verbreitet war. Pessimistische Moralisten hatten prophezeit, dass die Menschheit noch nicht für die Trivialisierung der Feuernutzung bereit sei. Sie waren der Meinung, dass ganze Städte Gefahr liefen, durch ein Feuer zerstört zu werden, das durch Unachtsamkeit, Zerstreutheit, Nachlässigkeit, Ungeschicklichkeit oder Verantwortungslosigkeit verursacht würde. Tatsächlich waren bis dahin schon mehrere Grossbrände ausgebrochen, und dies setzte sich trotz der Einführung der Streichhölzer im gleichen Mass fort. Die Trivialisierung des Feuers verschlimmerte die Situation nicht unbedingt, da die Erfahrungen, die das Feuer mit sich brachte, inzwischen jeden bereicherten. Durch die Trivialisierung der Feuernutzung musste die Gesellschaft verantwortungsbewusster werden. Höhere Risiken und grössere Verletzbarkeit führen nicht zwangsläufig zu mehr Katastrophen, sondern sie können zu einem stärkeren Verantwortungsbewusstsein führen.

Der endgültige Durchbruch
Bis zu diesem Zeitalter hatte der Mensch das Feuer zum Braten, Kochen, Heizen und zur Beleuchtung seiner Wohnung, sowie zum Töpfern und zur Herstellung von Werkzeugen, Gebrauchsgegenständen und Waffen genutzt. Die grossartige Erfindung, die noch ausstand, war die der mechanischen Nutzung des Feuers: niemand hatte bis zu diesem Zeitpunkt das Feuer zur Krafterzeugung oder für die Bewegung einsetzen können. Nun hatte die Menschheit dringenden Bedarf, schwere Lasten zu heben, zu tragen oder zu transportieren. Wenn Kraft erforderlich war, wurden Sklaven herangezogen oder Pferde vorgespannt, oder hydraulische oder aus Wind gewonnene Energie eingesetzt. Der Menschheit fehlte etwas Lebenswichtiges: ein Motor. 1752 gilt als Datum der Erfindung der Dampfmaschine, die 1769 von Watt patentiert wurde. Der Verbrennungsmotor kam etwa ein Jahrhundert später. Die verschiedenen Arten von Verbrennungsmotoren, die heute Autos, Lastwagen, Lokomotiven, Flugzeuge und Schiffe antreiben und die für den Betrieb von Kränen, Baggern und Traktoren verantwortlich sind, sind der Beweis dafür, dass die Menschheit das Feuer-das wir hier als das "erste Feuer" bezeichnen wollen -vollkommen domestiziert hat.
Durch die Trivialisierung des Feuers wurden alle Dramen, Illusionen und Geheimnisse, die so lange Zeit mit ihm in Verbindung gebracht wurden, aufgegeben. Die wissenschaftliche und technologische Forschung wurde freier, und die Ängste, der Hexerei angeklagt zu werden und früh auf dem Scheiterhaufen zu sterben, waren vorbei. Wissenschaftliche und technologische Kreativität konnte offen gezeigt werden. Die Menschen fingen an zu glauben, dass nichts mehr unmöglich sei.

Die Domestizierung des "Zweiten Feuers"

Die Kernenergie hat ihre Anfangsschritte gemacht zu einer Zeit, als die Welt noch enthusiastisch an Wissenschaft und Fortschritt glaubte. Diese Zeit, als die ersten Atombomben gebaut wurden, war das Zeitalter der wagemutigen und risikofreudigen Pioniere. Auf Grund militärischer Geheimhaltung wurden erworbene wissenschaftliche Erkenntnisse von einer Elite von Physikern beschlagnahmt, die damit die Rolle der Zauberer aus vergangenen Zeiten übernahmen. Die Macht derjenigen Staaten, die bereits die Kerntechnik beherrschten, war auf Grund der Kenntnisse und des Know How aussergewöhnlich gross. Da die anderen Staaten diesen Vorteil neideten, trat das alte Konzept der Nicht-Weitergabe (Non-Proliferation) wieder auf. Somit wurde das Geheimnis immer grösser und beinhaltete eine Menge an Wissen im Zusammenhang mit der Kerntechnik.
Jene Jahrtausende alten Symbole, die durch das Feuer vor 700'000 Jahren entstanden waren, traten nun wieder auf:

  • - Der Zauberlehrling wird durch seine eigene Erfindung überholt.
  • - Die Aneignung eines Geheimnisses, das den Göttern vorbehalten war.
  • - Die Angst vor göttlicher Bestrafung.
  • - Die Schändung der Natur, die bis zum Erscheinen der Kernenergie als jungfräulich und unberührt galt.
  • - Befürchtungen, die Apokalypse heraufzubeschwören.


Hiroshima und Nagasaki
Der Abwurf der Atombomben auf die japanischen Städte Hiroshima und Nagasaki im August 1945 stellte eine extrem brutale Vorgehensweise dar und demonstrierte eindeutig, dass das zweite Feuer, das bis zu diesem Zeitpunkt den meisten Menschen unbekannt war, möglicherweise die ganze Welt zerstören könnte. In sehr kurzer Zeit wurden durch die Explosion dieser beiden Atombomben mehr als 130'000 Menschen allein durch ihre mechanischen Auswirkungen (Druckwelle und Projektile) und ihre thermischen Auswirkungen (Verbrennungen und Feuer) getötet. Später ergab eine Zählung rund 50'000 Überlebende, die "Hiba-kusha" genannt wurden. Die Strahlendosis, die jeder einzelne dieser Überlebenden erhalten hatte, wurde nach dem Ort errechnet, an dem sich die Person zum Zeitpunkt der Explosion befunden hatte. Die Überlebenden erhielten eine nachhaltige medizinische Betreuung, die seitdem andauert. Eine epidemiologische Studie ergab eine leicht erhöhte Rate von Leukämie und Krebs bei den Hibakusha. Besteht bei einem durchschnittlichen Japaner ein "normales" Risiko von 25% an Krebs zu sterben, so beträgt dies bei einem durchschnittlichen Hibakusha ungefähr 27%. Es ist Tatsache, dass der Konsum von Medikamenten, Rauchen und Essgewohnheiten zu einem deutlich höheren Krebsrisiko der Hibakusha führen als die Strahlung, der sie während der Bombardierung ausgesetzt waren. Nichtsdestotrotz wird durch diese Studie die mögliche Ursache-Wirkung-Beziehung zwischen nuklearer Strahlung und der Entstehung von Krebs gezeigt. Leider wird meistens vergessen, die geringe Wahrscheinlichkeit dieser Auswirkungen aufzuzeigen. Die Angst vor Krebs erstreckte sich auf die Angst vor Strahlung und Radioaktivität, und die Hibakusha leben immer noch mit der ständigen Furcht, dass diese tödliche Krankheit bei ihnen bald festgestellt werden könnte.
Statistisch betrachtet sterben jährlich, heute noch, circa 8 bis 9 Hibakusha an den Folgen der Strahlung, der sie im Jahr 1945 ausgesetzt waren. Innert bald 60 Jahren sind es gesamthaft weniger als 500 Personen, die an den Spätfolgen der Bombardierung von Hiroshima und Nagasaki gestorben sind. Diesen Spätopfern wurde enorm viel mehr Publizität geschenkt als den 130'000 Frühopfern, die aufgrund der konventionellen Auswirkungen der Bombardierung gestorben sind. Als weiterer Vergleich wird noch erwähnt, dass einzig in der Schweiz ca. 50 Personen jährlich an den Auswirkungen einer Asbest-Inhalation sterben müssen. Diese Zahlen zeigen, dass Radioaktivität und nukleare Strahlung lange nicht so gefährlich bzw. toxisch sind, wie man es vermutet.

Der Einfluss des Fernsehens
Durch das Fernsehen und das Genre Science Fiction wurden die erwähnten Symbole und die Ängste der Menschen noch verstärkt. Die Zweifel kehrten zurück und vor allem Hess das Vertrauen in Wissenschaft und Fortschritt nach. Ernsthafte Unfälle, die virtuell hätten bleiben sollen, geschahen nun tatsächlich und erschütterten das Vertrauen in die Kernenergie, sogar bei ihren Anhängern. Es bildeten sich Gruppen von Puristen und Ökologen, die sich immer besser organisierten und die ein für alle mal die Einstellung der Nutzung von Kernenergie forderten. Wieder einmal ist, diesmal durch die Kernenergie, der tiefere Sinn von Frieden und Seelenruhe in der Welt in Frage gestellt. Zudem wird die Kernenergie des elitären Denkens und der Geheimniskrämerei bezichtigt und daher auch der Gefährdung der Demokratie. Durch die Radioaktivität wird ein Zeitgefühl bewusst, das der Mensch lieber zyklisch wahrgenommen hätte, obwohl es linear verläuft. Die Menschen beginnen sich auch um das Vermächtnis nuklearen Abfalls zu sorgen und wie dieser die ferne Zukunft beeinflussen wird.

Tschernobyl
Die Explosion im Kernkraftwerk Tschernobyl war eine schreckliche Katastrophe, deren schlimmste Auswirkungen die starke radiologische Kontamination von tausenden von Quadratkilometern Land war, das dadurch für Jahrzehnte unbewohnbar wurde. Ihre gesundheitlichen Auswirkungen auf die örtliche und regionale Bevölkerung zeigten sich jedoch ais weniger gravierend als die Voraussagen. Die medizinischen Beobachtungen lassen insbesondere keine eindeutigen Rückschlüsse auf erhöhte Leukämieraten oder genetische Defekte zu. Dagegen konnte bei Kindern eine deutlich höhere Rate an Schilddrüsenkrebs beobachtet werden. Zweifellos kann man den Gesundheitszustand der Bevölkerung in der Ukraine und Weissrussland generell als mittelmässig bis schlecht bewerten. In den betroffenen Regionen ist dieser Gesundheitszustand eher noch schlechter wegen den wirtschaftlichen (Agrarprodukte schwer verkäuflich), soziologischen (Vertrauensverluste, Ghetto-Effekt) und psychologischen (Ängste, Defätismus) indirekten Auswirkungen der Geländekontamination. Es wäre aber wissenschaftlich nicht richtig, solche indirekte Gesundheitseffekte der ionisierenden Strahlung zuzuschreiben.
Unglücklicherweise haben die Regierungen dieser Länder bei ihrem Bestreben nach humanitärer Hilfe übertriebene Informationen veröffentlicht, da sie wussten, dass es für sie strategisch von Vorteil ist, die Katastrophe von Tschernobyl für alle ihre Missstände - hinsichtlich Gesundheit, Wirtschaft oder Ökologie verantwortlich zu machen.
In einigen Jahrzehnten, wenn sich die Menschen vom Schock erholt haben, werden ihnen die wahren Auswirkungen der Tschernobyl-Katastrophe bewusst werden. Sie hat einen hohen Opferzoll gefordert, doch sie war nicht der Anfang vom Ende der Welt. Einige ehrliche Berichterstattungen können jetzt schon in seriösen und wissenschaftlich gut fundierten Publikationen der UNO, WHO, UNICEF etc. gelesen werden.
Das Ausmass und die Schwere dieser Katastrophe kann mit denen von Naturkatastrophen wie Vulkanausbrüche, Erdbeben oder Flutwellen, beziehungsweise von Chemiekatastrophen wie zum Beispiel Bhopal verglichen werden. Aber im Fall Tschernobyl wurde die mythische Angst vor Strahlung von den Medien der ganzen Welt dermassen propagiert, verstärkt und aufrechterhalten, dass die Angst selbst Gesundheitsschäden erzeugte. Diese Wahrheit dürfte aber noch nicht gesagt werden; sie wird noch als Sakrileg empfunden. Später wird man vielleicht zum Schluss kommen, dass die Angst vor der Strahlung mehr Schaden angerichtet hat als die Strahlung selbst. Ein kürzlich erschienener UNO-Bericht bemerkt bereits, dass die Personengruppe, der es am wenigsten schlecht geht, aus den damaligen Evakuierten besteht, die dezidiert und gegen alle Weisungen in ihre kontaminierten Heimatdörfer zurückgekehrt sind.

Die radioaktiven Abfälle
Das Erbe, das die heutige Menschheit den zukünftigen Generationen vermacht, besteht nicht nur aus Wissen, Erfahrung, Kunst oder technischen Realisierungen. Es besteht auch aus praktisch unverwüstlichen Abfällen, die hoch toxisch sein können. Gewisse dieser Abfälle, darunter CO2 (aus dem ersten Feuer stammend!), Blei, Arsen oder Quecksilber waren bereits vorhanden, als die Kernenergie noch nicht erfunden war. Aber die Menschheit hatte noch nicht realisiert, dass sie mit einem neuen ethischen Problem konfrontiert war. Das Verdienst der radioaktiven Abfälle ist, dass dieses ethische Problem aufgeworfen und grell beleuchtet wurde. Es geht um unsere Verantwortung gegenüber Generationen, die sehr entfernt in der Zukunft leben werden.
Im Hinblick auf ihre Entsorgung sollen die hoch-radioaktiven Abfälle in einer stabilen Matrix, wie z.B. Glas, eingegossen und in dichten Metallbehältern eingeschlossen und während sehr langen Zeiten von der Umwelt isoliert werden. Die möglichen Standorte für eine derartige Isolierung sind gewisse geologische Schichten, die trocken und stabil sind. Auch das weiche Sediment am Ozeanboden wurde in Betracht gezogen und wäre eigentlich eine gute Lösung, die sich aber als politisch undurchführbar erwies. Falls die Raketentechnik sehr zuverlässig wäre, könnte man gewisse radioaktive Abfälle loswerden, indem man sie in das Weltall oder zur Sonne abschickt. Eine solche Lösung wäre aber viel zu teuer. Da die heutige Menschheit noch nicht wirklich sicher ist, was sie tun soll und vor definitiven und irreversiblen Entscheidungen zögert, werden die hochradioaktiven Abfälle vorerst so lange zwischengelagert bis die Gesellschaft eines Tages überzeugt ist, dass eine vorgeschlagene und ausführlich untersuchte geologische Schicht eine gute Lösung bietet und diese Lösung akzeptiert.

Auftauchen einer neuen Gesinnung
Kurz vor dem Übergang zum neuen Jahrtausend ist eine neue Gesinnung aufgetaucht. Es geht um ein Wandel der Ansichten und Haltungen insbesondere bei der jüngeren Generation. Sein Ursprung könnte etwa im Fall der Berliner Mauer oder im Zusammenbruch der Sowjetunion zu finden sein. Zum Inhalt dieser neuen Gesinnung gehört Glasnost, Transparenz, Echtheit im Gegensatz zu Geheimnistuerei, Künstlichkeit und Lügen. Diese Bewegung hält an; sie wird durch die aufkommende Globalisierung des Weltmarktes und durch starke Konkurrenz innerhalb der Wirtschaft auf der ganzen Welt verstärkt. Neue Bewertungskriterien entstehen, wie z. B. Qualitätssicherung und Zertifizierung. Kompetenz wird wieder an die oberste Stelle der Liste der Beurteilungskriterien gesetzt. Die Menschen beginnen, Effektivität höher zu schätzen und achten weniger auf den Moralkodex, dem sie früher vertrauten. Die Erfolge mit Mobiltelefonen und der Internet-Technologie bringen das Vertrauen in die Wissenschaft und moderne Technik zurück. Ausserdem haben das neue Jahrhundert und Jahrtausend einen absolut belebenden Effekt, da viele junge Menschen begreifen, dass die Zukunft begonnen hat und es unerlässlich ist, mit ihr Schritt zu halten. Die neo-romantische Bewegung im letzten Drittel des 20. Jahrhunderts mit ihren Öko-Aktivisten lässt nach und wird langsam durch einen Neo-Pragmatismus oder eine Art Positivismus ersetzt, der im Moment immer mehr um sich greift.

Die Kernenergie wird normal
Mit dem Verschwinden ihrer Pioniere verliert die Kernenergie ihr elitäres Denken, ihre Geheimnistuerei und die daraus folgende Arroganz. Die neue Führungsgeneration sieht die Notwendigkeit nicht mehr, die früher angewandte emotionale Rhetorik der Kernenergie zu verwenden. Verschwunden ist schon die fast fanatische Verteidigung dieser Energieform. Die Kernenergie wird genauso entmystifiziert wie damals die Medizin von der Religion abgekoppelt wurde. Der Dialog zwischen Befürwortern und Gegnern der Kernenergie verliert seinen typischen Fanatismus und wird objektiver und dadurch weniger spektakulär und medienwirksam.
So kann man die gegenwärtige Bewegung mit dem Fall eines Feudalsystems vergleichen. Was edel war, wurde nun normal und trivial. Wir können dies auch mit der Trivialisierung im heutigen weltweiten Flugverkehr vergleichen. Zufliegen ist heute genauso verbreitet wie das Bus- oder Zugfahren, und Piloten, die wir früher als Helden betrachtet haben, sind nun vor allem gewerkschaftlich organisierte Angestellte der Fluggesellschaft, für die sie arbeiten.
Es ist zweifellos auf die sich öffnenden globalen Märkte zurückzuführen, dass das Fliegen zu einem alltäglichen oder zumindest regelmässigen Ereignis wurde. Der Konkurrenzdruck erforderte von den Fluggesellschaften Kürzungen in allen Bereichen, und wir sind immer noch beunruhigt über die Entwicklung der Sicherheit bei Lufttransportsystemen. Die Brutalität des Wettbewerbs verlangt jedoch auch höhere Leistungsfähigkeit und Effektivität im Sicherheitsbereich. Man kann somit wie bei der Entwicklung des Feuers sehen, dass Trivialisierung zu mehr Verantwortungsbewusstsein und effektiven Innovationen auch im Bereich der Sicherheit geführt hat und noch führen wird.

Ernüchterung und Gelassenheit
Die Trivialisierung wird zur Ernüchterung und Gelassenheit führen. Die menschliche Gesellschaft wird sich auf andere Probleme konzentrieren und mehr und mehr diese Auseinandersetzung über die Kernenergie vergessen. Kernenergie wird am Ende weder akzeptiert noch abgelehnt werden: Man gewöhnt sich mit ihr zu leben, aber, wie damals beim Feuer, das Thema bleibt verdrängt.
Zum Schluss muss erwähnt werden, dass die Trivialisierung an sich weder positiv noch erwünscht ist und dass sie in der Zukunft zu sicherheitstechnischen Problemen bei der Kernenergie führen wird. Der Anspruch auf Vorzüglichkeit darf unter keinen Umständen aufgegeben werden. Wie bei Feuer und Luftfahrt wird die Trivialisierung aber auch ein höheres Mass an Verantwortungsbewusstsein mit sich bringen. Dies kann die Entstehung von Unfällen nicht verhindern. Doch Dank innovativer Techniken werden Nuklearunfälle weniger schwer und die Menschen werden sich daran gewöhnen. Die Trivialisierung wird die Kernenergie auch befreien, indem sie ihr hilft, den Ballast aus Symbolen, Ängsten, Mystik, Arroganz, Zauberei, Geheimnistuerei und elitärem Denken, mit dem sie in Verbindung gebracht wird, abzuwerfen. Damit öffnet sich der Weg zur Gelassenheit.

Nachwort
Vor ungefähr 700'000 Jahren stellte die allmähliche Nutzbarmachung des Feuers den Beginn der sozialen Menschheitsgeschichte dar. Das Feuer war Hauptbestandteil von Fortschritt und Zivilisation. Wir gehen nun zu einem zweiten Zyklus über, und die Geschichte wiederholt sich auf einer viel höheren Ebene. Die Kernenergie (das zweite Feuer) kündet den Beginn von etwas Neuem und Grossartigem an, das zuerst die Ängste unserer Vorfahren wieder aufkeimen lässt, dann aber die Stelle des ersten Feuers übernehmen wird und die Menschheit in eine noch wenig vorstellbare Zukunft befördern wird.

Der Autor und der Illustrator
Serge Prêtre ist Physiker, der sich dem Strahlenschutz und der Kernenergiesicherheit gewidmet hat und dort auch international anerkannt ist.
Er hat die Kritik an der Kernenergie aufmerksam verfolgt und versucht, die Gründe für ihre Akzeptanz bzw. ihre Ablehnung zu verstehen. Er ist auch Autor der Anfang der Neunzigerjahre erschienenen Broschüre "Atom, Symbolik und Gesellschaft -Geistige Ansteckung oder Risikobewusstsein".
Der Zeichner der illustrierten Ausgabe, Karl Brellinger, ist gelernter Elektriker und Ingenieur für Kernkraftwerkstechnik. In seiner Freizeit ist er ein passionierter Karnevalist und zeichnet am liebsten Karikaturen. Er erzeichnete sich einen eigenen Stil, der die Figuren auf ihren momentanen Gemütszustand zu reduzieren sucht.

Quelle

Dr. Serge Prêtre

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