Energieträume und Wirklichkeit trennen

Im Verlauf des vergangenen Jahres ist die Kernenergie auf der politischen Traktandenliste wieder nach oben gerutscht. Die «Bulletin-Redaktion hat daher die Solothurner Nationalrätin Elvira Bader am Rand der Wintersession der Eidgenössischen Räte gebeten, ihre Erwartungen an das Nuklearforum zu formulieren und die wichtigsten aktuellen atompolitischen Themen aus Sicht der Politikerin zu kommentieren. Elvira Bader gehört der CVP an und ist Mitglied des Vorstands des Nuklearforums Schweiz. Von Beruf ist sie Bäuerin.

31. Dez. 2004

Frau Nationalrätin Bader, seit Neujahr 2005 tritt unser Verein mit neuem Namen, mit einem neuen Bulletin und einem neuen Erscheinungsbild auf. Was erwarten Sie vom «Nuklearforum Schweiz»?

Elvira Bader: Zunächst erwarte ich - wie bisher von der SVA - sachlich präzise und fundierte Grundlagen für politische Entscheide im Bereich der Atompolitik. Das Forum kann hier wertvolle Informationsarbeit leisten, denn dieser Politikbereich ist stark ideologisiert und emotionalisiert. Angesichts der zentralen Bedeutung der künftigen Sicherung der Stromversorgung unseres Landes muss sich die Politik jedoch auf umfassender und solider Basis über die verschiedenen Optionen ins Bild setzen können. Daran knüpft sich meine zweite Erwartung an das Nuklearforum: Es soll künftig nicht primär nur Fachleute ansprechen, sondern sich - ganz im Sinne eines «Forums» - einem breiteren interessierten Bevölkerungskreis öffnen.

Seit einigen Monaten wird über die Ablösung der ersten Schweizer Kernkraftwerke, die etwa im Jahr 2020 aktuell sein dürfte, diskutiert. Kommt diese Diskussion nicht zu früh?
Überhaupt nicht. Denn es geht bei dieser Diskussion ja um die Versorgungssicherheit in den kommenden Jahrzehnten, und dafür trägt die heutige Generation die Verantwortung. Wir müssen daher den künftigen Stromverbrauch abschätzen und uns bereits heute intensiv Gedanken darüber machen, woher dieser Strom kommen soll. Neben der Versorgungssicherheit und der grösstmöglichen Sicherheit von Kernkraftwerken müssen wir dabei vor allem auch die Wirtschaftlichkeit der Stromproduktion im Auge behalten. Sonst gefährden wir langfristig die Wettbewerbsfähigkeit der Schweiz und damit Arbeitsplätze.

Unser Energieminister Bundesrat Moritz Leuenberger betont immer wieder, er glaube nicht an neue Schweizer Kernkraftwerke. Teilen Sie und Ihre Fraktion diese Ansicht?
Wir müssen die Entwicklungen im Energiebereich insgesamt anschauen. Für mich ist ganz klar: Auch wir in der Schweiz müssen unseren Energiehunger zähmen und den Energieverbrauch beschränken. In der Realität zeigen die Verbrauchszahlen allerdings ein anderes Bild. Für mich ist wichtig, dass wir eine grösstmögliche Unabhängigkeit von Importen erreichen und in der Klimapolitik ehrlich bleiben und nicht einfach blauäugig Atomstrom oder CO2-belasteten Strom aus Gas- oder Kohlekraftwerken im Ausland einführen. In der CVP wissen wir, dass die Kernenergie eine saubere Stromquelle ist und die Atomgegner in der CO2-Frage auf dem Holzweg sind. Entscheidende, sehr wichtige Voraussetzung ist natürlich, dass die heutigen und künftigen Kernkraftwerke grösste Sicherheit gewährleisten.

Heisst dass, die Sie und die CVP den Bau neuer Kernkraftwerke befürworten?
Wir setzen nicht einseitig auf die Kernenergie, sondern wir wollen vor allem auch die neuen erneuerbaren Energien fördern. Deshalb kommt die Diskussion über die künftige Stromversorgung überhaupt nicht zu früh, denn es ist wichtig, dass wir uns heute über die Entwicklungspotentiale der verschiedenen Energiequellen - insbesondere der erneuerbaren Energien - ein Bild machen können. Nur müssen wir realistisch bleiben, was deren Beitrag in den kommenden Jahrzehnten betrifft. Wenn Bundesrat Leuenberger schon so vehement gegen neue Kernkraftwerke auftritt, so muss er auch taugliche Alternativen anbieten. Solche sehe ich zur Zeit nicht, und die Verantwortung der Politik besteht unter anderem darin, Traumvorstellungen und Wirklichkeit klar zu trennen.

Ebenfalls mit Vehemenz wird der Standpunkt vertreten, zuerst sei die Produktion von radioaktiven Abfällen zu stoppen, und erst dann könne über konkrete Entsorgungsprogramme, einschliesslich der Standorte, diskutiert werden. Was sagen Sie zu dieser Grundhaltung?
Für mich wäre ein solches Zuwarten das Schlimmste, was man machen kann. Die radioaktiven Abfälle sind ja bereits da, und es ist unsere politische Verantwortung, uns darum zu kümmern. Das sind wir den kommenden Generationen schuldig - umso mehr, als die abschliessende Tiefenlagerung von der Nagra nach 30 Jahren Forschung und Entwicklung technisch umfassend vorbereitet worden ist. Ich erwarte vom Bundesrat, dass er auf politisch motivierte Verzögerungsmanöver verzichtet und jene Lösung vorantreibt, welche die beste Sicherheit verspricht.

Welche konkreten Kernenergie-Geschäfte stehen im Parlament vor der Beratung? Gibt es Anliegen, die bei ihrer Behandlung den Ausschlag geben sollten?
In diesem Jahr werden weitere Verordnungen zum Kernenergiegesetz fertiggestellt, die allerdings das Parlament kaum betreffen. Angesagt sind weiter Vernehmlassungen zum neuen Bundesgesetz über die HSK, also die Hauptabteilung für die Sicherheit der Kernanlagen, sowie zur Revision des Kernenergiehaftpflichtgesetzes. Die entsprechenden Botschaften dürften wohl im Jahr 2006 ins Parlament kommen. Vorher aber werden wir im Parlament die vom Bundesrat vorgeschlagene Änderung des Elektrizitätsgesetzes und das Stromversorgungsgesetz zu behandeln haben. Bereits in diesem Januar befassen wir uns in der Kommission für Umwelt, Raumplanung und Energie Urek des Nationalrats damit, so dass das Geschäft in der Sommersession, vielleicht sogar bereits in der Frühjahrsession vor den Erstrat kommt. Offen ist noch, ob die Revision des Elektrizitätsgesetzes vorgezogen wird, so wie das der Bundesrat wünscht. Knackpunkt im Stromversorgungsgesetz ist aus meiner Sicht die Zielvorgabe des Bundesrats zum Ausbau der erneuerbaren Energien bis ins Jahr 2030 auf 77% des Schweizer Stromendverbrauchs. Der künftige Strommix und die Rolle der Kernenergie in diesem Mix werden in den parlamentarischen Beratungen ausgiebig zur Sprache kommen. Dabei sind alle möglichen Energien zu prüfen, besonders der realistische Einbezug der neuen erneuerbaren Energien. Wir wollen für die Wirtschaft, für die KMUs, für alle Konsumenten den Energiebedarf decken können. Entscheidend ist auch in Zukunft, dass unsere Energieversorgung möglichst wirtschaftlich, vom Ausland unabhängig und sicher ist.

Quelle

Interview: P.H./M.S.

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