Ensi: neue Vorgaben für noch mehr Sicherheit

Die neuen Erkenntnisse aus Japan stellen die Sicherheit der Kernkraftwerke in der Schweiz nicht grundsätzlich in Frage. Dies hat das Eidgenössische Nuklearsicherheitsinspektorat (Ensi) an einer Medienkonferenz am 5. Mai 2011 in Brugg bestätigt. Gleichzeitig hat die Aufsichtsbehörde neue Vorgaben verfügt. Demnach müssen die Betreiber nachweisen, dass ihre Anlagen für den Fall von extremen Naturereignissen beziehungsweise der Kombination von extremen Ereignissen gewappnet sind, und wo nötig müssen sie nachrüsten.

6. Mai 2011

Nach einer ersten Sicherheitsüberprüfung der Schweizer Kernkraftwerke aufgrund der Ereignisse in Fukushima kommt das Ensi zum Schluss, dass in der Schweiz keines der Kernkraftwerke kurzfristig ausser Betrieb genommen werden muss. Eine unmittelbare Gefahr für die Bevölkerung bestehe nicht. Im Januar 2011 hatte das Ensi in seinem Jahresrückblick festgestellt, dass alle Kernkraftwerke sicher betrieben werden. «Das gilt bis zum heutigen Tag, sonst hätten wir sofort eingegriffen», erklärte Ensi-Direktor Hans Wanner vor den Medien.

In der Schweiz ist die Gefährdung der Kernkraftwerke durch Naturereignisse in den letzten Jahren nach neuesten wissenschaftlichen Erkenntnissen neu beurteilt worden. Sie liegt im weltweiten Vergleich auf einem niedrigen bis mittleren Niveau. Extremereignisse, die mit der Situation von Fukushima vergleichbar sind, treten laut Ensi in der Schweiz sehr selten auf. Die Gefährdung der Schweiz durch Erdbeben oder Hochwasser hat sich nicht verändert. Deshalb sind auch keine vorsorglichen Abschaltungen nötig.

Die neuen Erkenntnisse aus Japan stellen die Sicherheit der Kernkraftwerke in der Schweiz laut Ensi zwar nicht grundsätzlich in Frage. Der Ablauf der Ereignisse in Fukushima bringe jedoch wichtige neue Hinweise zur weiteren Verbesserung der Sicherheit.

Externes Lager mit Notfallgerätschaften

Als Sofortmassnahme im Bereich des Notfallmanagements hatte das Ensi bereits am 18. März angeordnet, dass jedes Kernkraftwerk zur Bekämpfung von schweren Unfallabläufe bis zum 1. Juni 2011 Zugang zu einem externen Lager haben muss, in dem zusätzliche Sicherheitsausrüstungen bereitstehen. Aufgrund der beobachteten Schwierigkeiten in Japan empfiehlt das Ensi den zuständigen Bundesbehörden, dafür zu sorgen, dass bei schweren Unfällen künftig spezialisierte Einheiten mit ihrem Personal und Material schnell zur Unterstützung der Betriebsmannschaft beigezogen werden können.

Dreistufiges Vorgehen

Nach Ereignissen, die auf der internationalen Störfall-Bewertungsskala (Ines) der Stufe 2 oder höher zugeordnet sind, muss die Sicherheit aller Kernkraftwerke neu überprüft werden, insbesondere in Bezug auf die Ausserbetriebnahmekriterien. Auch muss untersucht werden, welche Lehren für die Schweiz zu ziehen sind. Das Vorgehen ist dreistufig, wobei die Betreiber gemäss Ensi drei Hauptfragen zu beantworten haben:

  • Droht eine unmittelbare Gefahr? (Dies ist nicht Fall: siehe einleitender Abschnitt)
  • Sind Kriterien erfüllt, welche eine vorläufige Ausserbetriebnahme des Kernkraftwerks nötig machen?
  • Sind Massnahmen zur Verbesserung der Sicherheit notwendig?

Erste Resultate der Überprüfungen

Am 18. März 2011 hatte das Ensi die Betreiber aufgefordert, die Kühlwasserversorgung, die Brennelementlagerbecken und die Kühlung dieser Becken aufgrund der Fukushima-Erkentnisse bis zum 31. März 2011 zu überprüfen. Die Betreiber haben ihre Berichte termingerecht eingereicht. Das Ensi hat die Eingaben überprüft und die folgenden Schwachstellen im Falle eines extremen Naturereignisses festgestellt:

  • KKW Beznau: Das Erdbebenverhalten des Brennelementlagergebäudes ist verbesserungsbedürftig. Die Brennelementbeckenkühlung ist nicht genügend vor Erdbeben und Überflutung geschützt. Die Notfallmassnahmen zur Wiederherstellung der Kühlung nach Erdbeben oder Überflutung sind unvollständig.
  • KKW Gösgen: Der Füllstand und die Temperatur des Brennelementlagerbeckens werden im Hauptkommandoraum angezeigt, nicht aber im Notstandleitstand.
  • KKW Leibstadt: Der Füllstand und die Temperatur des Brennelementlagerbeckens werden im Hauptkommandoraum angezeigt, aber nicht störfallfest. Im Notstandleitstand werden diese Messwerte nicht angezeigt.
  • KKW Mühleberg: Die Kühlmittelversorgung für das Notstandsystem weist keine Alternative zur Kühlwasserentnahme aus der Aare auf. Die Brennelementbeckenkühlung ist nicht genügend vor Erdbeben und Überflutung geschützt. Die Notfallmassnahmen zur Wiederherstellung der Kühlung nach Erdbeben oder Überflutung sind unvollständig.

Diese Sachverhalte stellen keine unmittelbare Gefahr für die Bevölkerung dar und erfordern deshalb keine vorläufige Ausserbetriebnahme, betont das Ensi. Die Aufsichtsbehörde verlangt jedoch von allen Kernkraftwerken Massnahmenvorschläge sowie zusätzliche Nachweise zur Erdbeben- und Hochwassersicherheit der Brennelementlagerbecken und zum Schutz der Brennelementlagerbecken vor Wasserstoffexplosionen. Die Betreiber müssen ihre Vorschläge bis zum 31. August 2011 dem Ensi einreichen.

Drei Nachweise bis März 2012

Insgesamt fordert das Ensi von den Betreibern drei Nachweise, die gestaffelt einzureichen sind:

  • Nachweis der Beherrschung des 10'000-jährlichen Hochwassers bis zum 30. Juni 2011
  • Nachweis der Beherrschung des 10'000-jährlichen Erdbebens bis zum 31. März 2012
  • Nachweis der Beherrschung der Kombination von schweren Erdbeben und gleichzeitigem, erdbebenbedingtem Versagen der Stauanlagen im Einflussbereich des Kernkraftwerks bis zum 31. März 2012

Die Betreiber müssen bis zu diesen Daten nachweisen, dass ein Schadensfall mit erhöhter Strahlenbelastung ausgeschlossen werden kann. Wenn nicht, wird das Ensi die vorläufige Ausserbetriebnahme des entsprechenden Kraftwerks verfügen. Allfällige Nachrüstmassnahmen wären umzusetzen, während das Kernkraftwerk abgeschaltet ist.

Die wichtigsten Termine sind demnach der 30. Juni 2011 und der 31. März 2012. Bis dann sind die Nachweise zu den Ausserbetriebnahmekriterien einzureichen, die laut Ensi für den Weiterbetrieb der Kernkraftwerke entscheidend sind.

Internationale Einbindung

Nach Angaben des Ensi werden die Schweizer Kernkraftwerke auch am «Stresstest» der EU teilnehmen, sobald dessen Kriterien vorliegen. Zudem werden das schweizerische Regelwerk und die Aufsichtspraxis Ende November 2011 von Experten der Internationalen Atomenergie-Organisation (IAEO) überprüft.

Stellungnahmen der Betreiber

In ihrer Stellungnahme teilte die Axpo AG mit, dass das Kernkraftwerk Beznau die Forderungen des Ensi termingerecht umsetzten werde. Auch die Kernkraftwerke Gösgen und Leibstadt werden gemäss Medienmitteilungen die neuen Vorgaben wie gefordert erfüllen. Die BKW FMB Energie AG hielt fest, dass sie ihre Vorschläge zur Nachrüstung des Kernkraftwerks Mühleberg zeitgerecht einreichen werde, doch könnten vor der definitiven Festlegung der zu tätigenden Nachrüstungen noch keine Angaben zu deren Kosten gemacht werden.

Weitere Informationen

Auf der Website des Ensi findet sich eine Zusammenstellung des aktuellen Stands der Abklärungen zum Unfall von Fukushima und Stand der Massnahmen und der vorzeitigen Sicherheitsüberprüfungen bei den schweizerischen Kernkraftwerken.

Quelle

M.S. gemäss Ensi, Medienkonferenz, sowie Axpo, BKW, KKG und KKL, Medienmitteilungen, 5. Mai 2011

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