Erdbeben in China: kommerzielle Nuklearanlagen sicher
Am 12. Mai 2008 um 14.28 Uhr Ortszeit hat sich in China rund 80 km west-nord-westlich von Chengdu, der Hauptstadt der Provinz Sichuan, ein Erdbeben mit einer Magnitude von 7,9 ereignet. Das Epizentrum lag in einer Tiefe von nur 19 km. Offizielle chinesische Stellen haben inzwischen bestätigt, an Kernanlagen seien nur geringe Schäden eingetreten und es sei zu keinen bedeutsamen Freisetzungen gekommen.
Das französische Institut de radioprotection et de sûreté nucléaire (IRSN) hat vier Tage nach dem Beben eine Lagebeurteilung veröffentlicht. In China befindet sich eine grosse Anzahl nuklearer Anlagen, die kommerzielle Kernkraftwerke, Forschungsinstitute und Urananreicherungsanlagen umfassen. Diese sind der chinesischen nuklearen Aufsichtsbehörde (NNSA) im Umweltschutzministerium (MEP) unterstellt. Zudem hat China militärische Nukleareinrichtungen.
In der vom Erdbeben am stärksten betroffenen Region Sichuan befinden sich ein Kernforschungszentrum des Nuclear Power Institute of China (NPIC) mit Forschungsreaktoren, sowie zwei Brennelementfabriken, Anreicherungsanlagen, zwei Kernwaffenproduktionsstätten und weitere Kernanlagen. Sie dienen teils zivilen und teils militärischen Zwecken. Aufgrund der starken Beschleunigungen von 0,26 g, die 70 km vom Epizentrum entfernt gemessen worden sind, schliesst das IRSN Schäden an diesen Anlagen nicht aus.
Keine Schäden an kommerziellen KKW
Die vier Standorte Ling-Ao, Daya Bay, Qinshan und Tianwan, wo kommerzielle Kernkraftwerke in Betrieb stehen, befinden sich alle an der Küste - über 1000 km vom Epizentrum entfernt. Laut IRSN lagen die maximalen Beschleunigungen an diesen Orten während des Bebens unter 0,02 g. Demnach dürften dort kaum Schäden aufgetreten sein, schreibt das IRSN in seiner Lagebeurteilung.
Massnahmen zur Krisenbewältigung eingeleitet
Laut einer Mitteilung der chinesischen NNSA wurde ein Krisenplan für Nuklearsicherheit und Strahlenschutz ausgelöst. Die Messungen der NNSA hätten keine Abgaben radioaktiver Stoffe festgestellt. Die NNSA teilte weiter mit, dass alle ihr unterstellten Anlagen in der Provinz Sichuan sicher und in einem kontrollierbaren Zustand seien. Die Gebäude und sicherheitsrelevanten Einrichtungen wiesen keine Schäden auf. Einige sich im Rückbau befindende Kernanlagen der Region seien dagegen leicht beschädigt worden, da während ihres Baus weniger strenge Erdbebensicherheitsvorschriften gegolten hätten, meldete die Aufsichtsbehörde, ohne zu präzisieren, welche Anlagen betroffen sind.
Das Hauptquartier der für militärische Kernanlagen zuständigen Volksbefreiungsarmee bestätigte laut MEP am 19. Mai, alle Einrichtungen seien sicher und gesichert. Sofort nach dem Erdbeben habe die Armeepolizei die Anlagen abgesperrt. Gemäss einer eingehenden Untersuchung seien «einige Einrichtungen nur schwach betroffen».
30 Quellen sichergestellt
In einer weitern Verlautbarung am 21. Mai teilte die NNSA mit, 30 der 32 beim Erdbeben verschütteten radioaktiven Quellen seien inzwischen geborgen worden. Die zwei noch nicht geborgenen Quellen hätten die Rettungskräfte lokalisiert und den Standort bis zur Sicherstellung abgesperrt. Radioaktive Stoffe seien keine nach aussen gelangt.
Die amtliche Nachrichtenagentur Xinhua bezifferte am 2. Juni die Zahl der Todesopfer mit 69'000. Weitere 373'000 Personen wurden verletzt und 18'000 Personen vermisst. Mehr als 15 Millionen Menschen mussten evakuiert werden.
Quelle
P.B./J.D. nach IRSN, Lagebeurteilung, NucNet,17. Mai, MEP, Pressemitteilungen,19.–21. Mai, sowie Xinhua, 2. Juni 2008