Ereignisse in der Ukraine gemäss Informationen der IAEO vom 28. April 2022

Rafael Mariano Grossi, der Generaldirektor der Internationalen Atomenergie-Organisation (IAEO), ist von der Unterstützungsmission in die Ukraine zurückgekehrt. Am 28. April hat er an einer Pressekonferenz erste Ergebnisse der Strahlungsmessungen in Tschernobyl bekanntgegeben. Vor Ort konnte die IAEO Systeme zur Datenübertragung für die Fernüberwachung des Kernmaterials instand setzen.

29. Apr. 2022
Flagge der IAEO
Krieg in der Ukraine: Die IAEO informiert über die Kernanlagen.
Quelle: IAEO

Die folgende Zusammenfassung basiert auf IAEO-Informationen.

Grossi würdigt heldenhaften Einsatz des Kraftwerkspersonals
Während seines Besuchs in Tschernobyl erwies Grossi am 26. April den Opfern des Reaktorunfalls und den am Wiederaufbau beteiligten Personen seinen Respekt durch eine Kranzniederlegung; dies anlässlich des 36. Jahrestags des Reaktorunfalls. Und er bedankte sich bei der aktuellen Kraftwerksbelegschaft: «Ich fühle mich auch geehrt, das derzeitige Personal des Kernkraftwerks Tschernobyl zu treffen und ihnen persönlich für ihr Durchhaltevermögen und ihren Mut in diesen extrem schwierigen Zeiten zu danken. Sie haben meinen und aller IAEO-Mitarbeiter vollen Respekt und Bewunderung – sie sind Helden.»

IAEO-Experten konnten Messungen in Tschernobyl durchführen
An der Pressekonferenz informierte Grossi über die Messungen zur Strahlungsüberwachung, welche die IAEO-Experten in der Sperrzone durchführen konnten. Diese waren notwendig, um die Situation zu beurteilen, nachdem russische Streitkräfte mit schweren Militärfahrzeugen durch die Sperrzone gefahren und dort Schützengräben ausgehoben hatten. Dadurch gelangte kontaminierte Erde an die Oberfläche.

Die nun von Grossi präsentierten Messungen belegen einen sehr geringen Anstieg der Radioaktivität in der Sperrzone insgesamt und lokal erhöhte Messwerte an den Orten, wo direkt gegraben wurde. Die höchsten Werte seien aber «mindestens dreimal niedriger als die behördlichen erlaubten Grenzwerte für Arbeiter in Kernanlagen», so Grossi. «Alle diese Informationen zeigen, dass es einen Anstieg gab, aber dass eingeschätzt werden kann, dass die Situation keine grosse Gefahr für die Umwelt oder Menschen dort darstellt.»

Auf eine sehr hohe Strahlenbelastung von russischen Soldaten angesprochen, erklärte Grossi, dass man nur aufgrund der gemachten Messungen extrapolieren könne und man keine weiteren Informationen habe. Die IAEO habe diesbezüglich nachgefragt aber «keine Antwort erhalten», so der Generaldirektor.

Sicherheitsfernüberwachung auf gutem Weg zur Wiederherstellung
In Tschernobyl konnte die IAEO die Datenfernübertragung der Sicherheitsüberwachung der Nuklearanlagen zumindest teilweise wiederherstellen. Diese wichtige Massnahme gegen den Missbrauch und das Verbreiten von Kernmaterial war seit dem 27. Februar unterbrochen. Die IAEO gab bekannt, dass Techniker die am Standort installierten unbeaufsichtigten Überwachungssysteme aufgerüstet und neue Übertragungskanäle eingerichtet hätten, die auf Satellitentechnologie basierten. Laut IAEO konnten Inspektoren zudem das vorhandene Kernmaterial überprüfen und so die Kontinuität des Wissens über das Kernmaterial am Standort wiederherstellen.

IAEO plant Mission zum Kernkraftwerk Saporoschje
Am 26. April hat sich Generaldirektor Grossi zu Gesprächen mit dem ukrainischen Präsidenten Wolodymyr Selenskyj und Energieminister Herman Haluschtschenko in Kiew getroffen. Dabei ging es unter anderem um das Kernkraftwerk Saporoschje. «Saporoschje steht ganz oben auf meiner Liste, wenn es um die Situation der Nuklearanlagen in der Ukraine geht, die angegangen werden muss», verkündete Grossi auf der Pressekonferenz. Dies weil das Kernkraftwerk noch immer unter russischer Kontrolle stehe und die ukrainischen Aufsichtsbehörden die Nuklearanlage nicht kontrollieren könnten.

«Es gibt eine Reihe von Aktivitäten, die wir sowohl im Bereich der Inspektionen als auch der Sicherheitsüberwachung eher früher als später durchführen müssen», erklärte Grossi. Er plane die Sicherheitseinrichtungen des Kernkraftwerk zu überprüfen und eine allfällige Beeinträchtigung des Einschlusses von Kernmaterial – durch den Einschlag eines Projektils auf dem Kraftwerksgelände vom 4. März – auszuschliessen. Zugleich sprach er auch die politisch herausfordernde Situation an, die es im Vorfeld eines Besuchs in Saporoschje zu berücksichtigen gelte und die er mit Präsident Selenskyj erörtert habe.

IAEO prüft Berichte von Raketenüberflügen
Die ukrainische Nuklearaufsichtsbehörde SNRIU hat die IAEO am 28. April darüber informiert, dass eine Videoüberwachung vom 16. April den direkten Überflug einer Rakete des Kernkraftwerks Süd-Ukraine zeige. An der Pressekonferenz wurde Generaldirektor Grossi daher auf solche Ereignisse angesprochen. Laut Grossi prüft die IAEO die Vorkommnisse, um 100 Prozent sicher zu sein. «Jede derartige Entwicklung, sollte sie sich bestätigen, wäre äusserst schwerwiegend. Ich habe vom ersten Tag dieser Krise an gesagt, dass die physische Unversehrtheit der kerntechnischen Anlagen ein absolutes Muss ist», hielt Grossi fest.

IAEO-Bericht zu den ukrainischen Kernanlagen verfügbar
Am 28. April hat die IAEO einen neuen Bericht herausgegeben. Er gibt einen Überblick über die Situation in der Ukraine in Bezug auf die Sicherheit, die Sicherung und die Schutzmassnahmen für kerntechnische Anlagen sowie die Aktivitäten mit radioaktiven Quellen in der Ukraine.

Quelle

B.G. nach IAEO, Medienmitteilungen, 26. und 28. April 2022, YouTube-Video zur Pressekonferenz vom 28. April 2022

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