Erste Hinweise auf Elektron-Neutrinos in Japan

Forschende der High Energy Accelerator Research Organization (KEK) haben in Japan mit grosser Wahrscheinlichkeit erstmals die Umwandlung von Myon-Neutrinos in Elektron-Neutrinos beobachtet. Dies ergaben Auswertungen von Messresultaten aus dem «Tokai to Kamioka»-Experiment (T2K). Mit dem besseren Verständnis der Eigenschaften von Neutrinos erhoffen sich die Forschenden Erklärungen für die Dominanz der Materie gegenüber der Antimaterie im Universum zu finden.

1. Juli 2011
Der rund 1000 m tief in der Erde stehende Super-Kamiokande-Detektor wird neben dem T2K-Experiment auch für Beobachtungen von Neutrinos aus dem Weltall und des bisher noch nicht nachgewiesenen Protonzerfalls eingesetzt.
Der rund 1000 m tief in der Erde stehende Super-Kamiokande-Detektor wird neben dem T2K-Experiment auch für Beobachtungen von Neutrinos aus dem Weltall und des bisher noch nicht nachgewiesenen Protonzerfalls eingesetzt.
Quelle: rolotumazi@flickr.com

Seit der Inbetriebnahme des T2K-Experiments im Januar 2010 bis zum erdbebenbedingten Unterbruch im März 2011 konnten die Wissenschafter mit dem Super-Kamiokande-Detektor insgesamt 88 Neutrinos beobachten, von denen sechs eindeutig als Elektron-Neutrinos identifiziert wurden. Mit einer Wahrscheinlichkeit von 93,3% sollen die beobachteten Elektron-Neutrinos durch Umwandlung von Myon-Neutrinos entstanden sein. Aber die Wissenschafter haben damit ihr Ziel noch nicht erreicht: Denn bisher wurden erst 2% der angestrebten Neutrinobeobachtungen gezählt. Deshalb soll am Teilchenbeschleuniger Japan Proton Accelerator Research Complex (J-Parc) die Neutrinoproduktion gegen Ende 2011 wieder aufgenommen werden. Die Forscher hoffen in Zukunft mit erhöhter Strahlintensität sowie empfindlicheren Detektoren genauere Kenntnis über die Neutrinos zu gewinnen. Eine der fundamentalen Fragen der Teilchenphysik ist die Herkunft der Masse der Elementarteilchen. Das Bestimmen der Neutrinomasse spielt dabei eine wichtige Rolle.

Beim T2K-Experiment wird vom J-Parc an der japanischen Ostküste ein Myon-Neutrinostrahl in Richtung des 295 km entfernten, unterirdisch verlegten Super-Kamiokande-Detektors geschickt. Der Detektor besteht aus einem mit 50'000 t Wasser gefüllten Tank, an dessen Innenwand rund 11'200 hochempfindliche Lichtsensoren (Fotomultiplikatoren) befestigt sind. Die Neutrinos fliegen durch das Wasser im Detektor und erzeugen dabei Tscherenkow-Strahlung, die Auskunft über die Art der Neutrinos gibt. Mit dem Experiment wollen die Wissenschafter die sogenannte Neutrino-Oszillation, die Umwandlung einer Neutrinosorte in eine andere, untersuchen. Eine der Hauptaufgaben des Experiments ist der Nachweis von Elektron-Neutrinos.

Der Neutrino-Oszillation weltweit auf den Fersen

Neben dem T2K-Experiment gibt es auch andere Forschungseinrichtungen, die mit Hilfe von Teilchenbeschleunigern den Hintergründen der Neutrino-Oszillation auf der Spur sind. Im Mai vor einem Jahr konnte im Opera-Detektor im italienischen Gran Sasso höchst wahrscheinlich ein erstes Tau-Neutrino nachgewiesen werden. Am Experiment beteiligt ist das Kernforschungszentrum Cern bei Genf. Ein ähnliches Experiment (Minos) steht in den USA. Hier sendet ein Beschleuniger des Fermilab in der Nähe von Chicago einen Neutrinostrahl zum rund 750 km nordwestlich gelegenen Detektor in den Soudanminen im Norden Minnesotas. Das Fermilab plant zudem den Bau einer weiteren Forschungseinrichtung namens Nova.

Kernkraftwerk als Neutrinoquelle

Ein anderes Konzept für die Untersuchung der Neutrino-Oszillation benutzen beispielsweise die Experimente Double-Chooz in Frankreich und Daya-Bay in China. Wie sich aus den Namen ableiten lässt, werden die dortigen Kernkraftwerke als Neutrinoquelle herangezogen. Denn beim Zerfall der Spaltprodukte im Kernbrennstoff entstehen als Nebenprodukt Anti-Elektron-Neutrinos. Wie auch bei den beschleunigergespeisten Experimenten werden die Neutrinos mit einem quellennahen und einem quellenfernen Detektor untersucht und verglichen. Die Distanz zwischen Reaktorkern und dem fernerem Detektor beträgt im Falle von Double-Chooz rund einen Kilometer und bei Daya-Bay zwei bis drei Kilometer. Die Anti-Neutrinos haben bis zum nahen Detektor noch nicht die Möglichkeit, sich in eine andere Sorte umzuwandeln. Der zweite Detektor ist dagegen in einem grösseren Abstand platziert, in dem Umwandlungen wahrscheinlicher werden. Die Detektoren können ausschliesslich die in den Kernreaktoren erzeugten Anti-Neutrinos messen. Misst man im fernen Detektor weniger Neutrinos, als durch die «Abstandsverdünnung» erwartet, kann man davon ausgehen, dass sich die Anti-Elektron-Neutrinos teilweise in eine andere Sorte umgewandelt haben.

Quelle

M.B. nach KEK, Medienmitteilung, 15. Juni 2011

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