Fortbildungskurs Kerntechnik – kompakt und umfassend
41 berufstätige Ingenieure, Wissenschafter und Fachkräfte aus der Kerntechnikbranche haben sich von Januar bis März 2010 wieder auf die Schulbank gesetzt – darunter der Autor dieses Textes. Während 26 intensiven Kurstagen haben die Teilnehmenden erfahren, wie breit das Spektrum des Begriffs «Kerntechnik» sein kann.

Am Montag 11. Januar 2010 fiel der Startschuss. Bis zum Endspurt am 31. März sollten die 35 Männer und 6 Frauen in 205 Lektionen die Hauptaspekte des Einsatzes der Kerntechnik zur Elektrizitätsgewinnung möglichst umfassend kennenlernen. Dass der Fortbildungskurs Kerntechnik tatsächlich umfassend war, zeigt folgende Themenliste:
- Reaktorphysik
- Thermodynamik, Thermohydraulik und Sicherheit
- Heutige und zukünftige Kernkraftwerke
- Brennstoff und radioaktive Abfälle
- Nukleare Werkstoffe und Wasserchemie
- Strahlenschutz und Radioökologie
- Sicherheit und Risiko
- Gesetzgebung und Aufsicht
- Wirtschaftlichkeit und globale Energiesituation
- Organisation
Nach dem ersten, zweiwöchigen Block gönnte die Kursleitung uns Teilnehmenden eine Verschnaufpause. In den sechs Wochen des zweiten Blocks von Mitte Februar bis zur Prüfung Ende März schwoll der stetige Informationsfluss zeitweise auch mal zu einer Flut an. Unterrichtet wurde jeweils von Montag bis Mittwoch. Ein Grossteil des Unterrichts fand im Schulungsgebäude des PSI statt.
Eine willkommene Abwechslung im Programm boten die Kurstage in den Kernkraftwerken Gösgen und Leibstadt, wo uns Fachleute vor Ort den Aufbau, den Betrieb und die Eigenschaften ihrer Reaktorsysteme vorstellten. Der Unterricht wurde zudem ergänzt durch Simulatorübungen sowie praktische Übungen am Crocus-Reaktor an der ETH Lausanne. Eine Führung durch das Hotlabor am PSI, das Zwischenlager Würenlingen (Zwilag) und das Felslabor Mont Terri bei St. Ursanne rundeten die Fortbildung ab.
Rückblickend hat sich die Teilnahme am Kurs für mich sehr gelohnt. Denn neben den vielen neu geknüpften Kontakten steht mir nun auch eine umfassende Dokumentation zur Verfügung – angefangen beim Aufbau der Nuklidkarte über die Vorteile künftiger Reaktorsysteme bis zu den verschiedenen Organisationsformen im Betrieb von Kernkraftwerken.
Quelle: M.B.
Blick hinter die Kulissen: ein Interview mit Roger Lundmark
Roger Lundmark ist Koordinator für Forschungs- und Ausbildungsfragen bei swissnuclear und war an der Organisation und Koordination des Fortbildungskurses Kerntechnik beteiligt.
Nuklearforum: Von Januar bis März 2010 fand erstmals der neue Fortbildungskurs Kerntechnik statt, organisiert und getragen von swissnuclear und dem Paul Scherrer Institut (PSI). Wie lautet Ihre erste Bilanz?
Roger Lundmark: Das vierköpfige Kursleitungskomitee, bestehend aus den ETH-Professoren Horst-Michael Prasser und Rakesh Chawla sowie Jean-Marc Cavedon vom PSI und Peter Hirt von swissnuclear, kam zum Schluss, dass sich der Fortbildungskurs sehr bewährt hat und man diesen gerne wiederholen möchte. Auch mit den Labor- und Prüfungsresultaten ist das Komitee zufrieden. Die unterschiedlichen Hintergründe der engagierten Teilnehmenden und der breite Inhalt scheinen den Kurs beflügelt zu haben. Das Komitee schätzt den grossen Beitrag der verschiedenen Organisationen und Themenleiter (Werke, PSI/ETHZ/EPFL, Ensi, BFE, Zwilag, Nagra und Weitere). Der Stoff war teilweise sehr umfangreich und die Vorkenntnisse der angesprochenen Zielgruppe unterschiedlich. Künftig soll deswegen manchen Themen etwas mehr Platz eingeräumt und den Teilnehmenden mehr Zeit zum Verarbeiten des umfangreichen Stoffes gegeben werden.
Wen möchten Sie denn mit dem Fortbildungskurs Kerntechnik ansprechen?
Mit dem Kerntechnikkurs wollen wir Fachleuten und Nachwuchskräften aus der Kernenergiebranche, die einen FH-, TU- oder Universitätsabschluss besitzen, jedoch keine kerntechnische Ausbildung genossen haben, einen vielseitigen Weiterbildungskurs anbieten. Hoch spezialisierte Mitarbeitende wie zum Beispiel Ingenieure, Wissenschafter, Strahlenschützer sollen in kurzer Zeit eine breite Übersicht zur Kerntechnik erhalten. Wenn ich die Teilnehmerliste anschaue, ist uns das auch gelungen.
Neben der Wissensvermittlung bietet der Kurs den Teilnehmenden auch die Möglichkeit, die Spezialisten und Führungskräfte aus der Forschung, den Kernkraftwerken und den Behörden kennenzulernen. Der Kurs ist also auch eine gute Plattform, um das berufliche Netzwerk in der Schweizer Kernenergiebranche zu erweitern. Und natürlich haben die Teilnehmenden mit den Kursunterlagen ein umfassendes Nachschlagewerk erhalten. Wir sprechen hier immerhin von fünf Bundesordnern.
Es bestanden ja schon andere Kursangebote zu diesem Thema. Wieso jetzt dieser neue Fortbildungskurs?
Bestehende Kurse im In- und Ausland sind oft sehr spezifisch und dauern länger. Es fehlt ihnen an Breite und gesellschaftliche Aspekte, Organisationsformen oder die Gesetzeslage in der Schweiz werden nicht behandelt. Diese Lücke wollten wir füllen. Im Gegensatz zu Angeboten aus dem nahen deutschen Raum ist unser Kurs auf die Schweiz zugeschnitten. Das ist interessant für die in der Schweiz arbeitenden Fachkräfte aus dem Ausland, von denen es am neuen Fortbildungskurs ja auch einige hatte.
Von wem wurde der neue Fortbildungskurs Kerntechnik ins Leben gerufen?
Vorab: Wir haben bei swissnuclear ein Forschungs- und Ausbildungskonzept. In diesem Konzept gibt es verschiedene sogenannte Begleitgruppen. Eine davon ist die Begleitgruppe Ausbildung. Dieser Gruppe gehören an: Peter Hirt (Alpiq), Patrick Miazza (KKM), Andreas Pfeiffer (KKL) und Urs Weidmann (KKB). Vor einigen Jahren hat sich die Begleitgruppe nach einer Analyse des berufsbegleitenden Weiterbildungsangebotes überlegt, ob ein neuer Fortbildungskurs angebracht wäre.
Wie ging es dann weiter?
In einem nächsten Schritt wurde eine Bedarfsanalyse durchgeführt, die Ende 2007 die Notwendigkeit eines solchen Angebotes zu Tage brachte. Daraufhin hat die Begleitgruppe Ausbildung das «go ahead» gegeben. Dann, Anfang 2008, wurde das Kursleitungskomitee gegründet. Zusammen mit der Leitung des Forschungsbereichs für Nukleare Energie und Sicherheit (NES) am PSI und weiteren Exponenten der Branche wurde die Organisation des Kurses besprochen. Die Diskussionen mit dem PSI waren sehr konstruktiv. Schliesslich haben swissnuclear und das PSI die Trägerschaft übernommen.
Und stimmt das Resultat der damaligen Bedarfsanalyse mit der heutigen Realität überein?
Ja. Die maximale Teilnehmerzahl wurde anfangs auf 36 Personen gesetzt. Schlussendlich haben 41 Personen am Kurs teilgenommen.
Wird der Kerntechnikkurs auch in Zukunft wieder durchgeführt?
Dazu müssen noch formelle Entscheidungen getroffen werden. Aber mit grosser Wahrscheinlichkeit wird der Kurs in zwei Jahren wieder angeboten.
Das Gespräch führte Max Brugger
Roger Lundmark
Roger Lundmark studierte Physik an der Universität Uppsala in Schweden. Anschliessend arbeitete er von 1991 bis 1994 als Kern- und Brennelement-Designer bei der Firma ABB Atom. 1995 wechselte er zur nuklearen Betriebsführung des Kernkraftwerks Leibstadt, wo er als Nuklearingenieur und Brennstoffspezialist tätig war. Seit 2006 koordiniert er die Forschung, Ausbildung und Entsorgungskostenstudien bei der swissnuclear, der Fachgruppe Kernenergie der swisselectric.