Frankreich: EPR-Bestellung "zunächst nicht gerechtfertigt"
In einer Fragestunde der französischen Nationalversammlung am 21. November 2000 äusserte sich Premierminister Lionel Jospin zum Bau weiterer Kernkraftwerke in unserem westlichen Nachbarland zurückhaltend.
Der frühere Innenminister, Jean-Pierre Chevènement, regte mit Hinweis auf die Verdreifachung des Erdölpreises seit Anfang Jahr und die weitere Verminderung der CO2-Emissionen an, zum Erhalt des französischen Know-how bis in zehn Jahren einen Prototyp des EPR - European Pressurized Water Reactor - zu bauen, international dafür zu sorgen, dass die Kernenergie in die Liste der sauberen Energien gemäss Kyoto-Protokoll aufgenommen wird und in der Nationalversammlung eine Debatte über die Zukunft der Energieversorgung zu führen.
In seiner Antwort anerkannte Jospin die Vorteile des grossen Kernkraftwerkparks für das Land und verwies auf die Bemühungen, die hängigen Fragen um die Endlagerung radioaktiver Abfälle zu lösen. Auch beabsichtige die Regierung, noch vor Ende Jahr ein grosses Energiesparprogramm zu lancieren und erneuerbare Energien vermehrt zu unterstützen. Über die Zukunft der Kernenergie und die Erneuerung des bestehenden Nuklearparks sehe die Regierung eine wissenschaftliche und demokratische Debatte vor, wenn die Zeit dafür gekommen sei. Die gemeinsame deutsch-französische EPR-Entwicklung sei noch nicht so weit gediehen, um jetzt schon eine Debatte über den Bau eines Prototyps anzusetzen. Im übrigen wäre angesichts der heutigen Stromnachfrage sowie der Lebensdauer der bestehenden Kernkraftwerke ein solcher Bauentscheid "zunächst nicht gerechtfertigt". Die Grösse des bestehenden Kernkraftwerkparks reiche aus. Das führe unvermeidlich zu einer Pause beim Bau von Neuanlagen. Die Forschung und Entwicklung, die Instandhaltungsdienstleistungen und der Export erlaubten es jedoch, das Know-how zu bewahren, so dass alle Optionen offen blieben.
Quelle
P.B. nach Protokollauszug der Assemblée nationale, 21. November 2000