Frankreich: hoher Kernenergieanteil zahlt sich aus
Eine von der französischen Regierung eingesetzte Kommission kommt in ihrem Bericht zur langfristigen Energieversorgung zum Schluss, dass sich ein hoher Kernenergieanteil positiv auf Frankreichs Wirtschaft, Umwelt und Versorgungssicherheit auswirkt.

Der Bericht «Energies 2050» der pluralistischen und unabhängigen Arbeitsgruppe unter dem Vorsitz von Prof. Jacques Percebois und Claude Mandil analysierte vier mögliche Szenarien der französischen Energiepolitik bis 2050. Eric Besson, französischer Ministre chargé de l'Industrie, de l'Energie et de l'Economie numérique, hatte den Bericht in Auftrag gegeben. «Energies 2050» sollte die erwünschten Investitionen im Energiesektor im Hinblick auf die Versorgungssicherheit benennen und damit das nächste mehrjährige Investitionsprogramm (Strom, Gas und Wärme) vorspuren, das Besson 2013 dem Parlament vorstellen will.
Vier Szenarien untersucht
Die Kommission untersuchte vier mögliche Szenarien zur Stromversorgung im Hinblick auf Preisentwicklung, CO2-Ausstoss und Versorgungssicherheit.
- Das Szenario mit beschleunigtem Übergang von der zweiten zur dritten, ja sogar vierten Reaktorgeneration mit der Stilllegung eines Teils des bestehenden Nuklearparks wirkt sich laut Bericht vor allem auf den Stromerzeugungspreis aus, der von EUR 40 (CHF 48) auf EUR 60 (CHF 72) je MWh ansteigen würde.
- Das Szenario mit Laufzeitverlängerung der bestehenden Kernkraftwerkseinheiten und verstärkten Investitionen in Sicherheit und Nachrüstung bewahrt einen besonders konkurrenzfähigen Preis, der von EUR 40 auf EUR 50 (CHF 60) je MWh ansteigen würde. Dieses Szenario behalte all die Vorteile des jetzigen Nuklearparks: Energieunabhängigkeit, kein Treibhausgas-Ausstoss und preisliche Wettbewerbsfähigkeit, hält der Bericht fest.
- Das Szenario mit Verringerung des Kernenergieanteils an der Stromversorgung von 75% auf 50% bis 2030 bedeute wiederum eine Zunahme des Stromerzeugungspreises und zwar von EUR 40 auf EUR 70 (CHF 85) je MWh. Das wäre eine Steigerung um 75%. Darüber hinaus würden die Treibhausgas-Emissionen um die Hälfte zunehmen und bedeutende Importe fossiler Energie würden nötig. Das wäre das Ende der Energie-Unabhängigkeit in der Stromerzeugung, warnt die Kommission.
- Ein vollständiger Ausstieg aus der Kernenergie bis 2030 – das vierte Szenario – bedeute eine Verdoppelung des Strompreises, eine massive Einfuhr fossiler Brennstoffe und die Gefahr eines fünffachen Anstiegs der Treibhausgasen-Emissionen.
Der Bericht betont, dass alle Optionen massive Investitionen in Übertragungs- und Verteilnetze erfordern. Für den Stromsektor allein betrügen sie zwischen EUR 135 (CHF 163 Mrd.) und EUR 155 Mrd. (CHF 187), je nach Anteil der erneuerbaren Energien am Energiemix. Drei Viertel dieser Investitionen entfielen auf die Stromverteilnetze.
Beste Option: Laufzeitverlängerung
Die Kommission weist darauf hin, dass es keine Energieart ohne Nachteile, kein ideales Szenario und keinen idealen Weg gebe, um das Ziel zu erreichen. Was die Kernenergie betreffe – das Hauptthema der gegenwärtigen nationalen Debatte, so die Berichtssynthese –, zeige sich, dass es für Frankreich am optimalsten sei, die Laufzeiten der bestehenden Kernkraftwerke so lange auszudehnen, wie es die nukleare Sicherheitsaufsichtsbehörde erlaube. Zudem sei eine geringe Anzahl von EPR vorzusehen, um die Stromerzeugung nach der Stilllegung älterer Anlagen auszugleichen. Schliesslich schlägt die Kommission im Hinblick auf die Zukunft vor, neben der weiteren Entwicklung der erneuerbaren Energien die vierte Reaktorgeneration voranzutreiben und die Frage, wie hoch der Anteil der Kernenergie am Strommix im Jahr 2050 und auch 2030 sein könnte, offen zu lassen. Dieser Anteil sei nämlich von mehreren Faktoren abhängig: einer erfolgreichen Nachfragesteuerung, verringerten Kosten der erneuerbaren Energien, technologischen Innovationen, Rückfluss der Erfahrungen zum Betrieb der in- und ausländischen EPR und dem Erdgaspreis.
Besson schliesst aus dem Bericht, dass Frankreich eine Laufzeitverlängerung der Kernkraftwerkseinheiten über 40 Jahre hinaus vorbereiten und das EPR-Bauprogramm mit einem Neubau am Standort Penly weiterverfolgen solle. Das sei auch der Entschluss von Präsident Nicolas Sarkozy. Dieser hatte am 8. Februar 2012 dem Conseil de politique nucléaire mitgeteilt, er wolle die Kernkraftwerke in Frankreich länger am Netz lassen.
Die Société Française d'Energie Nucléaire (SFEN) sieht den Bericht als Bestätigung des Nutzens der elektronuklearen Leitlinien im französischen Kontext und als Ermutigung, diesen Weg weiterzuverfolgen.
Quelle
M.A. nach Ministère de l'économie, Bericht und Synthese «Energies 2050» sowie Medienmitteilung, 13. Februar, und SFEN, Medienmitteilung, 13. Februar 2012