Frankreich: Sammelklage wegen Tschernobylfolgen

Seit drei Jahren ist in Frankreich eine Sammelklage von an Schilddrüsenkrebs erkrankten Personen hängig. Die rund 270 Kläger verlangen vom Staat eine Entschädigung, weil die französischen Behörden nach dem Tschernobyl-Unfall 1986 keine ausreichenden Massnahmen zum Schutz der Bevölkerung getroffen hätten.

21. Jan. 2004

Als Vertreter der Kläger zeichnet der Pariser Rechtsanwalt Christian Curtil, der auf solche Klagen spezialisiert ist. Als Folge der Klage ermittelt seit 2001 auch eine Untersuchungsrichterin, Marie-Odile Bertella-Geffroy, gegen Unbekannt, um mögliche strafrechtliche Handlungen oder Unterlassungen abzuklären, doch ist es bisher nicht zur Anklage gekommen.
Wie Curtil am 20. Januar 2004 gegenüber Medien bekannt gab, liegt dem Gericht jetzt das Ergebnis eines von ihm in Auftrag gegeben Gutachtens vor. Es beruht unter anderem auf der Auswertung von Messprotokollen in Kernanlagen und kommt zum Schluss, die damals zuständige Behörde - der von Professor Pierre Pellerin geleitete SCPRI (Service central de protection contre le rayonnement ionisant) - habe Messergebnisse heruntergespielt und die Probenentnahme vernachlässigt. Die zuständigen Ministerien hätten daher keine ausreichenden Massnahmen zum Schutz der Bevölkerung namentlich im Osten Frankreichs sowie auf Korsika getroffen. Einen ursächlichen Zusammenhang mit den Schilddrüsenerkrankungen der Kläger kann das Gutachten allerdings nicht herstellen. Dafür wären epidemiologische Untersuchungen nötig.
Die Kontroverse über die damalige Politik Frankreichs ist nicht neu. Doch auch die heute für die Überwachung und den Schutz der Bevölkerung zuständigen Stellen sind der Ansicht, die Behörden hätten 1986 richtig gehandelt. Eine Nachuntersuchung des IRSN (Institut de radioprotection et de sûreté nucléaire) kommt 1996 zum Schluss, auch in Ostfrankreich habe die Tschernobyldosis 0,4 mSv nicht überschritten. Sie sei zu 70% auf die Einnahme von Cs-137 zurückzuführen und die Fixierung von radioaktivem lod in Schilddrüsen sei unter dem zulässigen Grenzwert geblieben. Ein Bericht von Pierre Galle, Raymond Paulin und Jean Coursaget für die französische Akademie der Wissenschaften bestätigte dies 2003 und empfahl in erster Linie eine Verbesserung der Kommunikation zwischen dem Radiologen und Nuklearmediziner sowie der breiten Öffentlichkeit.

Quelle

P.B. nach Comptes Rendus Biologies 326 (2003) 699-715 und Nucleonics Week, 22. Januar 2004

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