Grossbritannien: Arbeitsgruppe fordert in Abschlussbericht radikale Neugestaltung der Atomaufsicht
Eine von der Regierung eingesetzte, unabhängige Arbeitsgruppe bewertete das britische Kernenergie-Regulierungssystem als zu komplex, ineffizient und kostenintensiv. In ihrem Abschlussbericht fordert sie tiefgreifende Reformen, um neue Kernkraftwerksprojekte schneller, kostengünstiger und weiterhin sicher umsetzen zu können.

Grossbritannien hat an Fähigkeiten eingebüsst, Kernkraftwerksprojekte effizient zu realisieren. Deshalb beauftragte Premierminister Keir Starmer Anfang 2025 eine Arbeitsgruppe, die Aufsichts- und Genehmigungsprozesse im zivilen und militärischen Nuklearbereich zu prüfen – einschliesslich Gesetzgebung, regulatorischer Kultur, internationaler Standards und der Frage, ob Innovation und neue Kerntechnologien im aktuellen System ausreichend unterstützt werden.
Die Kritik der Arbeitsgruppe fällt ungewöhnlich scharf aus: Grossbritannien sei «der teuerste Ort der Welt, um Kernkraftprojekte zu realisieren». Viele Vorhaben litten unter hohen Kosten und Zeitverzögerungen. Die Prozesse seien fragmentiert, schwerfällig und überreguliert. «Die Probleme sind systemisch, sie wurzeln in unnötiger Komplexität und einer Denkweise, die den Prozess über das Ergebnis stellt», sagte der Vorsitzende der Arbeitsgruppe John Fingleton. Kernenergie sei jedoch unerlässlich für die Energiesicherheit und das Netto-Null-Ziel. Auch niedrigere Strompreise seien entscheidend für die Wirtschaft und deren Wachstum. Das bestehende Regulierungssystem behindere diese Ziele.
Bestehende Probleme erfordern radikalen Neustart
Die Arbeitsgruppe identifizierte fünf Problembereiche bei der Regulierung im Kernenergiebereich: Dazu zählen die fragmentierte Aufsicht durch mehrere Behörden ohne klare Federführung sowie die Unentschlossenheit und Trägheit der Regierungsbehörden ohne klare strategische Vorgaben. Regulierungsbehörden würden ohne Risikoabwägung oft übermässig konservative und kostspielige Entscheidungen treffen. Gesetze und Vorschriften seien häufig auf die Einhaltung eines Prozesses und nicht auf das Erreichen von Ergebnissen ausgelegt. Dies führe zu Verzögerungen und suboptimalen Entscheiden. In der Nuklearindustrie fehlten zudem ausreichende Anreize, um unverhältnismässige Vorgaben anzufechten. Daraus sei eine Kultur der Selbstzufriedenheit und Risikoscheu entstanden, der die Arbeitsgruppe mit einem «radikalen Neustart» des Regulierungssystems begegnen will.
Fünf Hebel für eine effizientere Atomaufsicht
Die Arbeitsgruppe hat in ihrem Schlussbericht (Zusammenfassung davon) 47 Empfehlungen zuhanden der Regierung formuliert, um neue Kernenergieprojekte schneller umzusetzen, Kosten zu senken und die Sicherheit weiter zu erhöhen. Im Zentrum stehen fünf übergeordnete Reformbereiche: eine stärkere politische Führung mit klarer strategischer Ausrichtung, die Einrichtung einer zentralen Kommission für nukleare Regulierung (zur Koordinierung sämtlicher Planungs-, Genehmigungs- und Aufsichtsprozesse), die Klärung der Risikotoleranz und Verhältnismässigkeit, die Zusammenlegung der zivilen und militärischen Aufsichtsbehörden sowie die Reform des Umwelt- und Planungsrechts, um bürokratische Hürden abzubauen und gleichzeitig den Schutz der Natur zu gewährleisten.
Konkret empfiehlt die Arbeitsgruppe, das Office for Nuclear Regulation (ONR) als führende Instanz zu stärken und überflüssige Doppelprüfungen abzuschaffen. Umweltverträglichkeitsprüfungen sollen praxisnäher und zielgerichteter erfolgen – etwa durch standardisierte Ausgleichsmechanismen wie zweckgebundene Beiträge an einen staatlichen Naturschutzfonds. Zudem betont die Arbeitsgruppe, dass die Branche neue Technologien und digitale Werkzeuge wie künstliche Intelligenz verstärkt nutzen müsse, um Planung, Sicherheit und Projektsteuerung effizienter zu gestalten.
Energieminister Ed Miliband begrüsste die Empfehlungen als Teil eines «goldenen Zeitalters der Kernenergie». Auch Vertreter der Industrie forderten eine rasche Umsetzung, um regulatorische Hürden abzubauen und Investitionen zu erleichtern.
Quelle
B.G. nach britische Regierung, Medienmitteilung, Bericht Taskforce und Zusammenfassung, 24. November 2025