«Ich als junger Mensch bekenne mich klar zu dieser Technik»

Nationalrat Christian Wasserfallen, Mitglied der Kommission für Umwelt, Raumplanung und Energie (Urek) des Nationalrats und neu im Vorstand des Nuklearforums, nimmt Stellung zur aktuellen Kernenergiedebatte und äussert sich zur Befindlichkeit eines jungen Ingenieurs in der heutigen Gesellschaft.

26. Okt. 2010
Nationalrat Christian Wasserfallen: Die konstruktive Haltung der Befürworter eines breiten Strommix mit Kernenergie beantworten die Atomgegner mit Blockade.
Nationalrat Christian Wasserfallen: Die konstruktive Haltung der Befürworter eines breiten Strommix mit Kernenergie beantworten die Atomgegner mit Blockade.
Quelle: Christian Wasserfallen

Nuklearforum: Internationale Erfahrungen zeigen, dass die Erneuerung des Kernkraftwerkparks ohne politischen Rückenwind der Regierung schwierig ist. Sind Sie mit der Landesregierung in dieser Hinsicht zufrieden?

Christian Wasserfallen: Bundesrat Moritz Leuenberger hat in seiner Abschiedsrede vor dem Parlament stolz vermerkt, dass er in seiner Amtszeit kein neues Kernkraftwerk einweihen musste. Er bestätigte damit, dass es in seinem Departement bisher am inneren Antrieb fehlte, um die Chancen der Kernenergie zu erkennen und die Frage entschlossen anzugehen.

Was erwarten Sie von Doris Leuthard, der neuen Vorsteherin des Departements für Umwelt, Verkehr, Energie und Kommunikation?
Ich rechne mit einer ideologischen Entkrampfung im Departement. Das ist dringend nötig angesichts der hängigen Rahmenbewilligungsgesuche für die Erneuerung des Kernkraftwerkparks wie auch für den künftigen Bau der geologischen Tiefenlager.

Was erwarten Sie von den bürgerlichen Parteien? Reicht deren Engagement für die Kernenergie?

Das Engagement ist sicher vorhanden. Allerdings ist die Kernenergie bei manchen bürgerlichen Politikerinnen und Politikern kein Thema, für das man sich gerne zum Fenster hinauslehnt. Ich als junger Mensch bekenne mich klar zu dieser Technik, immer im Kontext der Vier-Säulen-Strategie des Bundesrats: Energieeffizienz, erneuerbare Energien, Kernkraftwerke und Strom-Aussenpolitik.

Fühlen Sie sich als junger Politiker in dieser Frage von Ihrer Generation getragen?
Natürlich gibt es dazu in meiner Generation keine Einheitsmeinung. Doch wir sind mit den Kernkraftwerken aufgewachsen, und meine Generation muss nicht immer Tschernobyl bemühen, wenn wir über unsere einheimischen Kernkraftwerke reden – das sind ohnehin zwei völlig verschiedene Paar Schuhe. Als junger Mensch bin ich froh, dass wir in der Schweiz einen beinahe CO2-freien Stromproduktionsmix haben. Wir praktizieren bereits heute die Vier-Säulen-Politik, und damit hat kaum jemand ein Problem. Warum soll das in Zukunft anders sein?

Welche Rolle hat die Stromwirtschaft in der Kernenergiedebatte?
Wie in anderen Branchen ist es die primäre Aufgabe der Wirtschaft, für die Produktion von Gütern und Dienstleistungen und deren Verteilung zu sorgen. Die politischen Rahmenbedingungen werden dagegen von den Politikern festgelegt. Deswegen brauchen wir eine breite politische Allianz für eine vernünftige Strompolitik – eine Politik, die sich auf einen breit gefächerten Produktionsmix abstützt, einschliesslich der Kernkraftwerke. Wir brauchen die Kernenergie heute und in Zukunft, wenn wir Versorgungssicherheit beim Strom wollen und das mit möglichst geringen CO2-Emissionen.

Welche Forderungen oder Wünsche haben Sie an die Stromwirtschaft?
Am Beispiel Schwedens sehen wir, dass wer mit Kernenergie Erfolg haben will, den offenen Dialog mit der Bevölkerung suchen muss. Daran führt kein Weg vorbei. Die Ängste, die von den Gegnern gezielt unter die Leute gebracht werden, können und müssen widerlegt werden. Die Stromwirtschaft kann das am besten, wenn sie die Türen zu den Kernkraftwerken, dem Zwischenlager und den Felslabors möglichst weit öffnet, wie das heute der Fall ist. Aber es wäre noch mehr möglich – beispielsweise die Kernanlagen touristisch attraktiv zu machen wie in Schweden. Schliesslich gehört diese Technologie seit Jahrzehnten zur Schweiz; sie ist interessant nicht nur für die Schulen, sondern auch für die Stimmberechtigen, die sich informieren wollen.

Bisher gibt es aus dem Anti-Atom-Lager keine entspannenden Signale. Ist aus Ihrer Sicht ein Entgegenkommen denkbar, etwa eine Kernbrennstoffsteuer zur Finanzierung der erneuerbaren Energien?
Nein. Es liegt derzeit nicht an uns, sich zu bewegen, sondern an der Gegenseite. Wir reden im Parlament über alle vier Säulen, während Linksgrün bei Grosskraftwerken sperrt. Wir treten ein, wenn es um Einspeisevergütungen geht. Wir treten ein, wenn es um Wasserkraft und Gewässerschutz geht. Wir treten ein, wenn es um ein Stromhandelsabkommen mit der EU geht. Aber wenn es um Kernkraftwerke geht, setzt Linksgrün sämtliche Hebel in Bewegung, um nicht auf dieses Geschäft eintreten zu müssen oder um juristische Hürden aufzubauen. Das ist reine Ideologie. Leider kann ich nicht erkennen, dass Linksgrün in dieser Frage zu irgendwelchen konstruktiven Schritten bereit ist.

Falls unser Kernkraftwerkspark nicht erneuert werden kann – gibt es in der Urek einen Plan B?
Ein solcher Plan würde uns von den linksgrünen Kreisen aufgezwungen. Er könnte bedeuten, dass wir die hierzulande nicht gebaute Reaktorleistung aus dem Ausland beziehen müssten – aus Frankreich oder generell aus der EU. Es könnte auch bedeuten, dass wir Gaskombikraftwerke bauen müssten, wobei hier die politischen Rahmenbedingungen alles andere als hilfreich sind – zu Recht, denn sie sind CO2-Grossemittenten. Schliesslich – das ist die Taktik der Atomgegner – bleiben Windparks im Ausland als Stromlieferanten. Unter dem Strich bestätigen die Gegner damit, dass die Schweiz bei einem Kernenergieverzicht nur mit Stromimporten über die Runden kommt. Das bedeutet aber mehr Abhängigkeit vom Ausland und den massiven Ausbau der Stromnetze. Ich bezweifle, dass Linksgrün zu Letzterem Hand bietet, ebenso wenig wie zum Ausbau der Wasserkraft. Angesichts dieser Widersprüche glaube ich nicht, dass die Atomgegner einen durchführbaren Plan B bereithalten – den müssten wohl wir erarbeiten.

Die Widerstände gegen die Kernenergie wurzeln teilweise in einer generellen Skepsis gegenüber Technik. Wie erleben Sie das als junger Maschineningenieur?
Als Ingenieur ist es manchmal schwierig, in derart ideologisch gefärbten Diskussionen wie jener um die Kernenergie die Haltung zu bewahren. Wenn da leichtfertig behauptet wird, wir könnten über Nacht irgendwo einige hundert Megawatt Leistung aufbauen – das ist für einen Ingenieur manchmal hart an der Grenze des Erträglichen. Es mag sein, dass der Ingenieur das Image des Technokraten hat. Aber wir sehen auch, beispielsweise auf dem Gebiet der Informations- und Kommunikationstechnologien, wie innovativ Ingenieursleistung sein kann und wie wichtig sie für die Gesellschaft ist.

Was bedeutet der Bau eines Kernkraftwerks für den Technologiestandort Schweiz?
Es handelt sich um eine grosse Industrie, und ich mache mir etwas Sorgen, ob wir in der Schweiz in Zukunft genügend Fachleute für den Bau und Betrieb der Kernkraftwerke finden werden. Dazu kommt der Bau und Betrieb der geologischen Tiefenlager – im Grunde ein neuer Industriezweig. Der Mangel an Ingenieuren und Naturwissenschaftern ist jedoch ein allgemeines Problem unserer Gesellschaft und betrifft nicht nur die Nuklearindustrie. Ich bin sehr froh, dass beispielsweise das Paul Scherrer Institut und der ETH-Bereich gegenwärtig in der Nukleartechnologie und in der Fusionsforschung Know-how aufbauen. Ich bin zuversichtlich, dass wir die nötigen Fachleute werden ausbilden können.

Das Gespräch führte Michael Schorer.

Zur Person
Christian Wasserfallen, Jahrgang 1981, ist Berner Nationalrat der FDP und seit diesem Frühsommer Vorstandsmitglied des Nuklearforums Schweiz. Wasserfallen ist in Bern aufgewachsen und hat an der Berner Fachhochschule Technik und Informatik in Burgdorf das Diplom als Maschineningenieur erworben. Derzeit ist er wissenschaftlicher Mitarbeiter am Institut für mechatronische Systeme der Berner Fachhochschule in Burgdorf.

«Als Ingenieur ist es manchmal schwierig, in derart ideologisch gefärbten Diskussionen wie jener um die Kernenergie die Haltung zu bewahren.»
«Als Ingenieur ist es manchmal schwierig, in derart ideologisch gefärbten Diskussionen wie jener um die Kernenergie die Haltung zu bewahren.»
Quelle: Sandro Fiechter

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