Interpellation der Aargauer Grünen betreffend Berechnungsfehler im Zwilag – Antwort des Regierungsrats

16. Jan. 2001

Allgemeines

Der Regierungsrat bringt den Fragen der Interpellation (vom 24. Oktober 2000, Red.) Verständnis entgegen, denn auch für ihn war die Mitteilung, dass die Auslegung des Zwischenlagers Würenlingen bezüglich der Behältertemperatur und deren Einfluss auf die Betonbodenkonstruktion überprüft werden muss, überraschend. Da noch keine Behälter eingelagert wurden, bewirkte diese notwendige Neubeurteilung jedoch kein Sicherheitsrisiko.
Die Mitteilung veranlasste den Regierungsrat, sofort die Begleitkommission unter Leitung des Chefs der Abteilung Energie BD, welcher neben den Vertretern der kantonalen Amtsstellen auch solche des Buwal, des Bundesamtes für Energie, der Hauptabteilung für die Sicherheit der Kernanlagen und der Gemeinde Würenlingen angehören, einzuberufen, um die Sachlage zu analysieren. Bei der Erarbeitung dieser Stellungnahme hat der Regierungsrat die Ergebnisse der Sitzung der Begleitkommission berücksichtigt.

Zur Frage 1
?Der Regierungsrat muss unter anderem dafür sorgen, dass die Betriebe auf seinem Hoheitsgebiet die Bevölkerung nicht gefährden. Ist das Vertrauen des Regierungsrates in die Zwilag-Betreiber nach diesem gravierenden Berechnungsfehler noch vorhanden? Und wenn ja, worin begründet er dieses Vertrauen??
Der Regierungsrat ist davon überzeugt, dass das Zwischenlager für radioaktive Abfälle der Kernkraftwerkbetreiber aufgrund seiner Konstruktion sowie des Betriebs seiner Zwecksetzung und den gestellten Anforderungen in Bezug auf die Sicherheit voll gerecht wird.
Die Zwilag AG hat für die Auslegung des Lagers eine Behältertemperatur von 60° C zu Grunde gelegt. Die von den KKW-Betreibern durchgeführten thermischen Berechnungen für die von ihnen bestellten Behälter ergaben nun Behältertemperaturen in Bereichen bis zu 100° C. Dies führte dazu, dass nun geprüft werden musste, ob diese höheren Temperaturen für die Hallenböden zulässig sind oder ob Massnahmen für die Verbesserung der Wärmeabsorptionsfähigkeit des Bodens notwendig werden. Es gilt bei der Beurteilung der Sachlage zu berücksichtigen, dass nur ein Teil der einzulagernden Behälter höhere Temperaturen aufweisen als die Auslegungstemperatur von 60° C und dass im Zwischenlager in Gorleben (D) durch die Behörden die Einlagerungsgenehmigung für Behälter bis zu Temperaturen von 140° C erteilt wurde.
Sollten die Behältertemperaturen von bis zu 100° C dennoch für die Hallenbodenkonstruktion Probleme ergeben, stehen als ergänzende Massnahmen folgende Vorkehren im Vordergrund:

  • Verwendung von zusätzlichen wärmeisolierenden Bodenbelägen,
  • Lagerung der Behälter auf Gestellen, damit zwischen dem Boden und den Behältern Luftzwischenräume entstehen.

Die HSK wird die von der Zwilag AG vorgeschlagene Lösung prüfen und die Einlagerungsfreigaben verfügen.

Zur Frage 2
?Nach dem auch beim Plasmaofen Differenzen zwischen Theorie und Wirklichkeit aufgetreten sind, verstärkt sich die Vertrauensfrage in Frage 1 nochmals und wirft zusätzlich die Frage auf, wie der Regierungsrat auf diese Situationen reagieren wird??
Für den Plasmaofen liegt die Betriebsbewilligung des Bundes vor. Beim Bau und bei der Inbetriebsetzung dieser Verbrennungs- und Schmelzanlage entstanden einige technische Probleme, was bei einer komplexen Anlage nicht aussergewöhnlich ist. Im Verlaufe des Projekts entstanden Liquiditätsprobleme beim Generalunternehmer, die dazu führten, dass der Verwaltungsrat der Zwilag AG beschlossen hat, diese Anlage in eigener Regie fertigzustellen. Mit dem Zuzug externer Spezialisten und dem Einsatz von eigenem Personal soll die Anlage erfolgreich fertiggestellt und in Betrieb genommen werden. Es ist damit zu rechnen, dass die Verbrennungs- und Schmelzanlage im Laufe des kommenden Jahres in Betrieb gehen kann. Voraussetzung dazu ist die Abnahme und Freigabe durch die Aufsichtsbehörde HSK.

Zur Frage 3
?Die Gemeinde Würenlingen ist in einer Aufsichtskommission betreffend Zwilag als Vertreterin der Einwohnerinnen und Einwohner von Würenlingen beteiligt. Warum ist die Regierung nicht als Vertreterin des Kantons dabei? Ein GAU würde ja wohl kaum nur Würenlingen betreffen.?
Der Regierungsrat hat, wie einleitend erwähnt, für die Begleitung der Projektierung und des Baus des Zwilag 1989 eine Kommission eingesetzt, in welcher verschiedene Amtsstellen von Bund und Kanton sowie die Gemeinde Würenlingen vertreten sind. Es trifft also nicht zu, dass nur die Gemeinde Würenlingen das Vorhaben begleitete.

Zur Frage 4
?Was ist die Konsequenz aus dieser Fehlberechnung? Wie hoch wird der Schaden für die Bürgerinnen und Bürger geschätzt? Bezahlen die Stromkonsumentinnen und -konsumenten und die Allgemeinheit (= der Staat) die Rechnung? Wen kann man damit belangen??
Die Konsequenzen der Massnahmen zur Vermeidung schädlicher Einflüsse von Temperaturen der einzulagernden Behälter auf die Bodenstruktur der Lagerhalle wie auch der Beschluss zur Fertigstellung der Verbrennungs- und Schmelzanlage in eigener Regie durch die Zwilag AG werden ausschliesslich von dieser getragen und damit von den Kernkraftwerksbetreibern, welche die Zwilag AG gemeinsam bilden. Die Stromkonsumentinnen und -konsumenten werden den erforderlichen zusätzlichen Aufwand damit über den Strompreis mitzutragen haben, wobei die Auswirkungen nicht preisrelevant sein werden.

Zur Frage 5
?Erwägt der Regierungsrat, die Bewilligung des Zwilag zurückzuziehen? Wenn nein, warum nicht??
Gemäss der eidgenössischen Gesetzgebung und Kompetenzordnung ist für die Erteilung von Bau- und Betriebsbewilligungen für nukleare Anlagen, worunter auch das Zwischenlager für radioaktive Abfälle der Zwilag AG fällt, allein der Bund zuständig. Der Regierungsrat hält es nach Überprüfung der Sachlage auch nicht für notwendig, beim Bund den Rückzug der erteilten Bewilligungen zu verlangen.

Zur Frage 6
?Wann handelt der Kanton endlich zum Schutz seiner Bevölkerung und deponiert beim Bund das Ausstiegsbegehren??
Angesichts der aktuellen Sachlage sieht der Regierungsrat keine Veranlassung, beim Bund ein Ausstiegsbegehren aus der Kernenergie zu deponieren. Er fühlt sich dabei von der Aargauer Bevölkerung gestützt, welche sich in den letzten Jahren in diversen Abstimmungen konsequent immer kernenergiefreundlich gezeigt hat. Auch aufgrund der jüngsten Vorkommnisse bei der Zwilag AG sieht der Regierungsrat keine Veranlassung, seine schon früher mehrfach vertretene Meinung zu ändern. Die Zwilag AG hat insbesondere mit dem Projekt der Angliederung eines Plasmaofens zur Verbrennung von radioaktiven Abfällen eine international beachtliche Entwicklungsarbeit im Bereich der Entsorgung übernommen, was in diesem Zusammenhang nicht unberücksichtigt bleiben darf.

Quelle

Regierungsrat Aargau, 17. Januar 2001

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