Kosten eines Kernenergie-Ausstiegs der Schweiz: 40 Milliarden Franken
Rund SFr. 40 Mrd. würde es die Schweizer Volkswirtschaft kosten, wenn die Kernkraftwerke nach der Vorgabe der Initiative "Strom ohne Atom" vorzeitig stillgelegt würden.
Dies ist das Ergebnis einer am 22. Februar 2000 in Bern vorgestellten umfassenden Studie, die das Bremer Energie-Institut unter Professor Wolfgang Pfaffenberger im Auftrag der Schweizer Kernkraftwerke Beznau, Mühleberg, Gösgen und Leibstadt erstellt hat. Für einen Ausstieg gemäss der anderen Initiative, "Moratorium plus", ermittelt die Studie Kosten von SFr. 29 Mrd. Wie Professor Silvio Borner vom Wirtschaftswissenschaftlichen Zentrum der Universität Basel unterstrich, käme eine solche politische Schocktherapie einem Kapitalverlust durch ein Erdbeben oder eine Reparationsleistung an das Ausland gleich.
Laut Borner - der die wirtschaftspolitischen Konsequenzen aus der Bremer Studie für die Schweiz darlegte - sind die Schweizer Kernkraftwerke auch in einem liberalisierten Elektrizitätsmarkt wettbewerbsfähig. Kernkraftwerke sind zwar teuer zu bauen, aber preisgünstig zu betreiben. Ihre Betriebskosten sind gegenüber andern Stromerzeugungsanlagen sehr konkurrenzfähig. Borner unterstrich, die Festsetzung von Gesamt- oder Restlaufzeiten für den Betrieb von Kernkraftwerken sei keine politische Aufgabe: Die politische Vorgabe einer festen Restlaufzeit wäre für die Sicherheit kontraproduktiv und für die Wirtschaftlichkeit unsinnig.
Die Studie analysiert besonders auch die Auswirkungen eines Ausstiegs auf die Luftreinhaltung und die Reduktion der Treibhausgas-Emissionen. Eine Abschaltung der Kernkraftwerke helfe der Umwelt nicht - im Gegenteil. Bezüglich des Klimaschutzes sei die CO2-freie Kernenergie den erneuerbaren Energien gleichzustellen. Ihr Ersatz durch Gaskraftwerke wäre angesichts der völkerrechtlichen Verpflichtung der Schweiz zur Reduktion ihrer CO2-Emissionen ein ökologischer Rückschritt.
Der Weiterbetrieb der Kernkraftwerke bietet gemäss der Studie grosse volkswirtschaftliche Kostenvorteile. Werden diese genutzt, so steht entsprechend mehr Geld und Zeit zur Entwicklung der erneuerbaren Energie für die Zukunft zur Verfügung. Ein vorzeitiger Ausstieg fördert also nicht die erneuerbare Energie, sondern behindert sie.
Die Bremer Studie wurde von den Schweizer Kernkraftwerksbetreibern in Auftrag gegeben, um die Auswirkungen der letztes Jahr eingereichten eidgenössischen Volksinitiativen "Moratorium plus" und "Strom ohne Atom" systematisch abzuklären. Als Referenz dient in der Untersuchung das Szenario, in dem die vorhandenen Kernkraftwerke genutzt werden, solange ihre Sicherheit gewährleistet ist. Davon ausgehend werden für die beiden Fälle "Moratorium plus" und "Strom ohne Atom" die Zusatzkosten ermittelt, welche die gesamte Volkswirtschaft als Folge der vorzeitigen Abstellung der sicheren und finanzierten Kernkraftwerke in Kauf nehmen müsste. Den Berechnungen liegt die kostengünstigste Ersatzlösung auf der Basis moderner Gaskraftwerke zugrunde. Das Bremer Energie-Institut hatte bereits früher in einer international stark beachteten Studie mit der gleichen Methodik die Kosten eines Kernenergie-Ausstiegs für die Volkswirtschaft Deutschlands untersucht.
Den Standpunkt der schweizerischen Elektrizitätswirtschaft umriss Dr. Peter Wiederkehr, Direktionspräsident der Nordostschweizerischen Kraftwerke (NOK) und Präsident des Ausschusses der Überlandwerke, an der Medienkonferenz u.a. wie folgt: Die Betreiber der schweizerischen Kernkraftwerke seien auf keine Energie fixiert, auch nicht auf die Kernenergie. Als Wirtschaftsunternehmen produzierten sie nach wirtschaftlichen, nicht nach ideologischen Kriterien. Die Kernenergie sei eine wirtschaftliche und konkurrenzfähige Energie.
Wie Wiederkehr namentlich unterstrich, ist die vielfach kolportierte Behauptung, die Wasserkraft subventioniere die Kernenergie, schlicht und einfach falsch. Das Kraftwerk Ilanz beispielsweise musste von den NOK mit über SFr. 400 Mio. wettbewerbsfähig gemacht werden. Diese Millionen stammen nicht zuletzt aus den Erträgen des Kernkraftwerks Beznau. Wasserkraft und Kernenergie können finanziell nicht gegeneinander ausgespielt werden. Es gilt eine einfache Erfahrungstatsache: alte Wasserkraftwerke sind billiger als neue Kernkraftwerke. Ältere Kernkraftwerke produzieren günstiger als neue Wasserkraftwerke.
Mit der Wirtschaftlichkeit oder der Sicherheit kann laut Wiederkehr ein vorzeitiger Ausstieg aus der Kernenergie - also ein Ausstieg vor 50 bis 60 Jahren Betriebsdauer - nicht begründet werden, da diese gewährleistet seien. Um bei einem rein politisch begründeten Ausstieg mit Milliardenverlusten stillgelegte Kernkraftwerke zu ersetzen, müsste Atomstrom oder Strom aus Kohle- und Gaskraftwerken importiert werden, oder es müssten Gaskraftwerke in der Schweiz gebaut werden, was beides keinen Sinn ergebe. Die vernünftige Lösung sei, die bestehenden Kernkraftwerke weiter zu betreiben und nicht Milliarden zu verschleudern.
Quelle
Pressemitteilung der schweizerischen Kernkraftwerke vom 22. Februar 2000
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