Mit der Nagra auf Zeitreise
Mit der Sonderausstellung Time Ride bringt die Nationale Genossenschaft für die Lagerung radioaktiver Abfälle (Nagra) den Menschen das Konzept der Tiefenlagerung radioaktiver Abfälle im Opalinuston näher. Die virtuelle Zeitreise durch 180 Mio. Jahre tourt als Wanderausstellung durch die Schweiz und wird gut besucht. Die Rückmeldungen sind überwiegend positiv.

Über die Entsorgung radioaktiver Abfälle wird in der Öffentlichkeit viel und kontrovers diskutiert. In der Schweiz wird dereinst die international anerkannte Methode der geologischen Tiefenlagerung angewendet. Die Nagra ist mit der Planung der Tiefenlager sowie mit der Information der Öffentlichkeit über dieses Thema beauftragt. Um der Bevölkerung die Materie näher zu bringen und fassbar zu machen, hat die Nagra im April 2012 die Sonderausstellung Time Ride ins Leben gerufen.
Mit dem «Lift» 600 m in die Erde
Die Ausstellung steht ganz im Zeichen des Opalinustons. Ihr Herzstück ist eine virtuelle Liftfahrt, welche die Besucher 600 m ins Erdinnere führt. Ein hydraulisch gesteuerter Simulator vermittelt ein realitätsnahes Gefühl der Bewegung, während eine Panorama-Projektion die Fahrt durch verschiedene Gesteinsschichten visuell darstellt. Bei drei «Zwischenhalten» begegnen die Besucher Pfahlbauern, eiszeitlichen Mammuts und Dinosauriern. Aus Lautsprechern erhält man – quasi im Vorbeifahren – erdgeschichtliches Grundwissen vermittelt. Letzte Station der Zeitreise (englisch «time ride») ist das Urmeer. Hier wird den Besuchern erklärt, wie in der Jurazeit vor rund 180 Mio. Jahren der Opalinuston entstand. Er hat seinen Namen vom Ammoniten Leioceras opalinum, der auch als Symbol für die Ausstellung dient (siehe Bild). Dieser Kopffüsser lebte in der Jurazeit im Tethysmeer. Heute finden sich seine Versteinerungen häufig in der Opalinusschicht. Daraus schliessen Geologen weltweit, dass sich in dieser Gesteinsschicht seither kaum etwas getan hat. Weder Erdbeben noch Eiszeiten haben die Schicht verändert, was den Opalinuston in rund 600 m Tiefe zu einem geeigneten Wirtgestein für ein geologisches Tiefenlager macht.

Ausstellung «im» Opalinuston
Nach der knapp vierminütigen Fahrt durch die Erdgeschichte öffnet sich die Tür des Lifts und die Besucher betreten eine «unterirdische» Ausstellung, die anschaulich über den Opalinuston und seine Eigenschaften informiert. Auf mehreren Bildschirmen begleitet eine Führerin die Besucher durch den Raum und erklärt, weshalb sich Tongesteine in grosser Tiefe sehr gut für die langfristige Lagerung von radioaktiven Abfällen eignen. Gleich zu Beginn des Rundgangs liegen kleine Stücke des Tongesteins auf, welche die Besucher mitnehmen können. Querschnittmodelle zeigen, wie die Schicht während verschiedenen Eiszeiten von Gletschern unberührt blieb, und dass die Erdbebensicherheit in dieser Tiefe viel grösser ist als an der Oberfläche. Ein grosses Modell mit fliessendem Wasser veranschaulicht, dass der Opalinuston wegen seiner Quellfähigkeit im Vergleich zu Kies oder Kalkstein praktisch wasserundurchlässig ist. Am Ende des Rundgangs fährt ein zweiter «Lift» die Besucher an die Erdoberfläche zurück. Während dieser Fahrt erläutert die virtuelle Führerin anhand einer Animation das technische Konzept der Tiefenlagerung. Mit einer Einladung ins Felslabor Mont Terri werden die Besucher verabschiedet. Zur Time Ride gehören neben der spektakulären Liftfahrt weitere Installationen, die mit modernster Technik über verschiedene Aspekte der Tiefenlagerung informieren. Unter anderem können die Besucher auf einem Podest selbst ausprobieren, wie sich Erdbeben verschiedener Stärke anfühlen.
Grosses Interesse…
Die Nagra-Zeitreise begann am 13. April 2012 mit einer Eröffnungsfeier in der grossen Halle des Zürcher Hauptbahnhofs. Rund 200 geladene Gäste erhielten die Gelegenheit, die Time Ride als erste zu erleben. Anschliessend öffnete sich das Tor zur Vergangenheit dem breiten Publikum. Das Interesse in Zürich war gross: Vom 13. bis 15. April haben laut der Nagra rund 4000 Personen die Time Ride im Hauptbahnhof besucht. Danach zog sie nach Bern, um vom 27. April bis 6. Mai interessierten Besucher der Frühlingsmesse BEA die Tiefenlagerung im Opalinuston zu zeigen. Schliesslich gastierte die Ausstellung Ende September während einer guten Woche an der Zürcher Herbstmesse Züspa. An diesen drei Stationen sind laut Nagra-Mediensprecherin Jutta Lang insgesamt rund 20’000 Leute der Einladung zur Zeitreise gefolgt – im Schnitt fast 900 pro Tag. Eine Berner Schulklasse sei extra für die Time Ride an die Züspa gereist.
… und positives Feedback
Die Rückmeldungen der Besucher sind – in Anbetracht der emotionalen Debatte über die Entsorgungsthematik – laut Lang «in der Regel sehr positiv» ausgefallen. Besonders in Zürich seien die Leute sehr interessiert gewesen. Das habe man insbesondere an der hohen Zahl der Gespräche gemerkt, die das Personal der Nagra mit Besuchern geführt hat, und daran, dass sehr viele Broschüren weggingen. Dass Bern rein geografisch etwas weniger von der Diskussion betroffen ist, habe man an der BEA gespürt. «In Bern schien für die Besucher das Erlebnis im Vordergrund zu stehen», sagt Lang, «während in Zürich mehr Leute kamen, um sich zu informieren oder um ihr Wissen zu vertiefen».
Kritik habe es nur am Anfang gegeben und dies vor allem von grundsätzlich nuklear-kritischen Gruppierungen. Den Vorwurf der Verharmlosung konterte für die Nagra Kommunikationsexperte Roland Scholz vom Institut für Umweltentscheidungen (IED) der ETH Zürich: «Es bräuchte viel mehr solcher Ausstellungen, um die Bevölkerung für das Thema zu sensibilisieren. Die Ausstellung hat einen hohen Informationsgehalt, ist für alle Bevölkerungsgruppen ansprechend und verständlich gestaltet.» Das belegen laut Lang auch die Feedbacks der Besucher: «Die meisten hatten richtig Freude an der Time Ride und haben sich nach dem Rundgang bei uns für das Erlebnis bedankt.» Die Thematik erleb- und greifbar zu machen, sei auch Ziel der Ausstellung. Und das scheint zu gelingen: «Die ganze Sachdiskussion ist sonst sehr theoretisch; hier kann man mal endlich anfassen, man erhält ein Muster des Gesteins – das finde ich prima», sagt ein Besucher im Video-Interview auf der Time-Ride-Website. Eine andere Besucherin bringt den konkreten Nutzen der Ausstellung auf den Punkt: «Informiert sein ist ganz sicher eine Hilfe, um dann einmal verantwortlich zu entscheiden.»
Per Zeitreise informieren kann man sich in diesem Jahr noch an der Schaffhauser Herbstmesse (24.–28.Oktober 2012) und an der Winti Mäss, vom 28. November bis 2. Dezember in Winterthur. Von Mitte Januar bis März 2013 wird die Time Ride im Verkehrshaus Luzern zu bestaunen sein. Wie es danach weitergeht ist gemäss Lang noch offen.
Quelle
M.Re. nach Nagra, «e-info» September 2012, Website www.timeride.ch, Besuch der Ausstellung und Gespräch mit Jutta Lang am 26. September 2012