Myografie zur 3D-Visualisierung eines Reaktors

Forschende des französischen Commissariat à l'énergie atomique et aux énergies alternatives (CEA) haben Myonen – kosmische Teilchen – eingesetzt, um aus der Ferne und nicht-invasiv ein 3D-Bild des G2-Reaktors in Marcoule, Frankreich, zu erstellen, der gegenwärtig stillgelegt wird.

9. Feb. 2023
Myonen-Teleskop des CE
Das Myonen-Teleskop des CEA wurde für die erste Myografie-Messung unter dem Zentrum des stillgelegten G2-Reaktors platziert.
Quelle: CEA

Mithilfe eines Myonen-Teleskops, das die Eigenschaften dieser dem Elektron nahestehenden Elementarteilchen nutzt, sind Forschende in der Lage, das Innere einer Struktur – sei es eine Pyramide, ein Gletscher oder neuerdings ein Kernreaktor – aus der Ferne und auf nicht-invasive Weise zu erforschen.

Die am CEA entwickelten Myonenteleskope sind mit MicroMegas- (Micro Mesh Gaseous Structure) Detektoren ausgestattet, die 1994 vom Institut de recherche sur les lois fondamentales de l’Univers des CEA entwickelt wurden. Diese mikrostrukturierten Gasdetektoren nutzen die Tatsache, dass Myonen elektrisch geladene Teilchen sind: Man kann sich also die elektromagnetischen Wechselwirkungen zunutze machen, die sie erzeugen. Das heisst, dass diese geladenen Myonen Ionisationen (Elektron-Ionen-Paare) erzeugen, wenn sie mit einem Atom der Materie, die sie durchqueren, interagieren. «Im MicroMegas-Detektor verwenden wir ein Edelgas, da es gute Eigenschaften hat, um diese Ionisationen zu erhalten und somit den Durchgang der Myonen zu orten. «Anschliessend werden diese elektrischen Ladungen mit Hilfe von elektrischen Feldern, die im Gasvolumen angelegt werden, kanalisiert, um sie an die Ableseelektronik zu senden», erklärte der CEA-Forscher Sébastien Procureur.

Tomografie enthüllt Inneres
Für ihren Myon-Scan stellten Procureur und sein Team vier 50 x 50 Zentimeter grosse Myonen-Detektoren an wechselnden Positionen unter und neben dem Reaktorblock auf. «Ab März 2021 haben wir so in 1100 Detektortagen und aus 27 verschiedenen Perspektiven insgesamt rund 370 Millionen Myonen eingefangen», berichteten sie. Ein von ihnen entwickelter Algorithmus generierte daraus ein 3D-Abbild des Reaktorkern-Inneren, ohne zuvor die Baupläne oder den Grundaufbau der Anlage zu kennen. «Trotz seiner Komplexität und seiner grossen Ausmasse konnte das Innere des Reaktors in relativ kurzer Zeit abgebildet werden, wobei die Rekonstruktion mit nur wenigen Tagen in jeder Projektion eine recht gute Qualität erreichte», so die Forschenden weiter. Die Analyse bestätige, dass nur eine begrenzte Anzahl von Projektionen ausreiche, um die Hauptelemente des Reaktors zu visualisieren und zu lokalisieren. «Diese Schlussfolgerungen eröffnen neue Perspektiven für die Inspektion und Überwachung von Nuklearanlagen während ihrer gesamten Betriebsdauer sowie in der Stilllegungsphase und tragen so zur nuklearen Sicherheit bei.»

Myonen-Tomografie des G2-Reaktorkerns
Myonen-Tomografie des G2-Reaktorkerns auf Basis von nur vier kleinen Myonen-Detektoren in 27 Positionen.
Quelle: Procureur et al./ Science Advances, CC-by 4.0

Die Forschungsarbeit wurde im Journal Science Advances veröffentlicht.

Quelle

M.A. nach CEA, Aktualitäten, 6. Februar 2023; scinexx.de, 6. Februar 2023 und WNN, 7. Februar 2023 und WNN, 31. Januar 2023

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