Neue Erkenntnisse zur Hochtemperatur-Supraleitung

Weltweit versuchen Wissenschafter dem Phänomen der Hochtemperatur-Supraleitung auf die Spur zu kommen. Einen Schlüssel bieten die Änderungen in der Symmetrie der elektromagnetischen Phasen nahe der Sprungtemperatur. Sie wurden bisher kleinsten Verunreinigungen zugeschrieben. Ein internationales Wissenschafterteam fand nun in einem Neutronenstreuexperiment heraus, dass diese Änderungen allein der Dynamik der Elektronenspins zuzuschreiben sind.

13. Aug. 2014
Mit Hilfe des Dreiachsenspektrometer Puma am Heinz Maier-Leibnitz Zentrum in Garching hat Jitae Park (im Bild) zusammen mit Forscherkollegen eine wichtige Frage zur Supraleitung geklärt.
Mit Hilfe des Dreiachsenspektrometer Puma am Heinz Maier-Leibnitz Zentrum in Garching hat Jitae Park (im Bild) zusammen mit Forscherkollegen eine wichtige Frage zur Supraleitung geklärt.
Quelle: Volker Lannert / DAAD

Die Elektronen besitzen einen elektromagnetischen Drehimpuls, den sogenannten Spin. Durch die Kopplung vieler Spins können sich in einem Kristall elektromagnetische Bereiche mit einer Vorzugsrichtung der Spins ausbilden, sogenannte nematische Phasen. In diesen sehen viele Wissenschafter einen Schlüssel zum Verständnis des Phänomens der Hochtemperatur-Supraleitung. Supraleiter transportieren elektrische Energie unterhalb einer gewissen Temperatur – der Sprungtemperatur – nahezu verlustfrei. Bei den besten der sogenannten Hochtemperatur-Supraleiter liegt diese Temperatur bei etwa -180 °C, einer Temperatur, die schon mit flüssigem Stickstoff erreicht werden kann.

Dotierungseffekt versus Spin-Dynamik

Aufgrund früherer Untersuchungen vermutete eine Gruppe von Wissenschaftern, dass kleinste Verunreinigungen für die Ausbildung der nematischen Phasen verantwortlich sind. Der Effekt kann mit Halbleitern verglichen werden, die erst durch Dotierung mit kleinsten Verunreinigungen leitfähig werden. Dass dem nicht so ist, zeigten nun Dr. Jitae Park, Wissenschafter an der Technischen Universität München (TUM), und seine Kollegen vom Beijing National Laboratory for Condensed Matter Physics und aus dem Department of Physics and Astronomy der Rice University in Texas. Die Forscher untersuchten mit dem Dreiachsenspektrometer Puma am Heinz Maier-Leibnitz Zentrum in Garching Proben eines eisenhaltigen Hochtemperatur-Supraleiters bei verschiedenen Temperaturen und unter Zugabe einer winzigen Menge Nickel. Dabei stellten sie fest, dass das Auftreten der nematischen Phase in keiner direkten Beziehung zur «Verunreinigung» durch Nickel steht.

Vielmehr sei das Entstehen der nematischen Phasen sehr stark von kollektiven Veränderungen der Elektronenspins abhängig. Sie entstehen deutlich oberhalb der Sprungtemperatur, bei der die Supraleitung einsetzt. In dem Augenblick, in dem die Supraleitung ihr Maximum erreicht, verschwinden die nematischen Phasen vollständig.

«Mit unserem Experiment haben wir gezeigt, dass die Hochtemperatur-Supraleitung nicht auf einem Dotierungseffekt beruht, sondern Ausdruck einer sich sprunghaft ändernden Vorzugsrichtung der Elektronenbewegung ist», sagte Park, der das Experiment an der Forschungs-Neutronenquelle (FRM II) der TUM durchführte, und er schloss: «Damit kann sich die Forschung in Zukunft auf die Beziehung zwischen der Spin-Dynamik in nematischen Phasen und der Hochtemperatur-Supraleitung konzentrieren.»

Versuchsaufbau

Streuuntersuchungen zum Magnetismus sind extrem aufwendig, denn sie erfordern meist zahlreiche Experimente an verschiedenen Neutronenquellen weltweit, um vollständige Daten zu erhalten, so die TUM. In diesem Fall entstanden die Messdaten am Puma-Spektrometer durch eine Serie von Experimenten in der Rekordzeit von nur vier Wochen. Als Untersuchungsmaterial wählten die Wissenschafter ein Eisenpniktid, eine Verbindung aus Eisen, Barium und Arsen, dem sie geringe Mengen an Nickel zusetzten. Dieses Material bildet aber unter Normalbedingungen Zwillingskristalle, an denen nematische Phasen nicht zu messen gewesen wären. «Zwar lässt sich die Zwillingsbildung durch Druck verhindern, doch dadurch konnten wir nur sehr kleine Kristalle verwenden», erklärte Park. Weil die Garchinger Forschungs-Neutronenquelle über einen sehr hohen Neutronenfluss verfügt, entschlossen sich die Wissenschafter, das Experiment am FRM II durchzuführen.

Quelle

M.B. nach TUM, Medienmitteilung, 31. Juli 2014

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