Neuer Uno-Bericht beleuchtet soziale Auswirkungen von Tschernobyl

Die Hilfe für die vom Reaktorunfall von Tschernobyl betroffenen Bevölkerungsteile Russlands, Weissrusslands und der Ukraine soll auf eine neue Basis gestellt werden. Dies forderte die Uno bei der Präsentation ihres neuen Berichts "The Human Conséquences of the Chernobyl Nuclear Accident: A Strategy for Recovery" Anfang Februar. Sie warnte vor einer weiteren Verschlechterung der Situation, falls der Zustand der "chronischen Abhängigkeit" nicht verändert und neue Massnahmen im Bereich Medizin, Umwelt und Arbeitslosigkeit ergriffen würden.

31. Jan. 2002

Der neue Bericht wurde im Auftrag des Entwicklungsprogramms UNDP und des Kinderhilfswerks Unicef der Vereinten Nationen im Juli/August 2001 von einem internationalen Expertenteam erarbeitet. Bezüglich der Gesundheitsspätfolgen der ionisierenden Strahlung bestätigt er im Wesentlichen die Ergebnisse einer früheren Uno-Studie und einer Veröffentlichung der britischen Universität Cambridge vom letzten Herbst: Bisher wurden rund 2000 Schilddrüsenkrebsfälle bei Kindern beobachtet, die zum Zeitpunkt des Unfalls exponiert waren. Für eine Zunahme der Leukämiefälle-sie war allgemein erwartet worden - gibt es bis heute keine zuverlässigen Indizien, und die Lebenserwartung der Bevölkerung entspricht derjenigen in anderen Teilen der früheren Sowjetunion. Die Uno-Experten meinen, dass die Anzahl der Schilddrüsenkrebsfälle konservativen Schätzungen zufolge auf 8000-10'000 steigen kann. Die Erkrankung könne jedoch behandelt werden, und die betroffenen Personen brauchten kontinuierliche medizinische Unterstützung. Laut Bericht muss für die kommenden Jahrzehnte wahrscheinlich auch mit einer Zunahme bei anderen soliden Tumoren gerechnet werden. Über die Anzahl der zu erwartenden Fälle gebe es jedoch keinen Konsens.
Zentrale Aussage der Experten ist, dass die strahlenbedingten Gesundheitsfolgen des Reaktorunfalls von 1986 nicht für sich betrachtet werden können. So sei die vor allem bei Männern beobachtete deutlich tiefere Lebenserwartung als im Westen auf Faktoren wie psychischen Stress, geringes Einkommen, schlechte Ernährung sowie hohen Alkohol- und Tabakkonsum zurückzuführen. Die Veränderung der Lebensumstände, die Entwurzelung infolge Umsiedelung aus den kontaminierten Gebieten, hohe Arbeitslosigkeit und teilweise unbegründete Ängste im Zusammenhang mit Radioaktivität werden als primäre Ursachen genannt. Hier fordert der Bericht Aufklärung und eine Untersuchung, inwieweit das strikte Regime der Niederlassungsbeschränkungen in den kontaminierten Gebieten gelockert werden kann. Die medizinische Versorgung der Bevölkerung müsse umfassend überprüft und der Fokus auf Faktoren wie sauberes Wasser, Ernährung, Gesundheitserziehung und psychisch-soziales Wohlbefinden gerichtet werden. Gleichzeitig sei die ökonomische Situation der Bevölkerung zu verbessern. Der 15-jährigen "Notfallphase" nach dem Reaktorunfall soll jetzt eine 10-jährige "Erholungsphase" folgen. Die Art der Unterstützung für die betroffenen Regionen im Rahmen dieser Erholungsphase soll in nationalen Workshops in Russland, Weissrussland und der Ukraine erarbeitet werden.
Die Erkenntnisse der Uno-Studie decken sich weitgehend mit denjenigen einer russischen Untersuchung, die vergangenen Sommer veröffentlicht wurde.

Quelle

M.S.

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