Neutrinos wiegen höchstens 0,8 Elektronenvolt
Das internationale Karlsruhe Tritium Neutrino Experiment (Katrin) am Karlsruher Institut für Technologie (KIT) hat die Masse von Neutrinos erstmals näher bestimmt.

Aus den in der Fachzeitschrift Nature Physics veröffentlichten Daten lässt sich eine Obergrenze von 0,8 eV für die Masse des Neutrinos ableiten. «Die Teilchenphysik-Gemeinschaft ist begeistert, dass die 1-eV-Barriere von Katrin durchbrochen wurde», zitierte das KIT den beteiligten Neutrinoexperten John Wilkerson von der University of North Carolina in einer Mitteilung.
In der Kosmologie spielen die Neutrinos bei der Bildung von grossräumigen Strukturen eine wichtige Rolle. Auch in der Welt der Teilchenphysik nehmen sie eine Sonderstellung ein, denn ihre winzige Masse weist auf neue physikalische Prozesse jenseits der bisherigen Theorien hin. Ohne eine Messung der Neutrinomasse bleibt unser Verständnis des Universums unvollständig.
Hier setzt das Katrin-Experiment mit Partnern aus sechs Ländern als weltweit sensitivste Waage für Neutrinos an. Es benutzt den Beta-Zerfall von Tritium, einem instabilen Wasserstoff-Isotop, um aus der Energieverteilung der bei diesem Zerfall erzeugten Elektronen die Masse des Neutrinos zu bestimmen. Dazu ist ein enormer technischer Aufwand notwendig: Das 70 Meter lange Experiment beherbergt die weltweit intensivste Quelle von Tritium sowie ein riesiges Spektrometer, mit dem sich die Energien der Zerfallselektronen mit bisher unerreichter Präzision messen lassen. Die hohe Qualität der ersten Daten nach der Inbetriebnahme im Jahr 2019 konnte in den letzten beiden Jahren kontinuierlich gesteigert werden.

Weitere Messungen sollen Empfindlichkeit verbessern
Die am Projekt Katrin beteiligten Forschenden beschreiben die kommenden Ziele: «Die weiteren Messungen zur Neutrinomasse werden noch bis Ende 2024 andauern. Um das volle Potenzial dieses einzigartigen Experiments auszuschöpfen, werden wir nicht nur die Statistik der Signalereignisse kontinuierlich erhöhen; wir entwickeln und installieren fortwährend Verbesserungen zur weiteren Absenkung der Störereignisrate». Dabei spielt die Entwicklung des neuen Detektorsystems Tristan, mit dem sich Katrin ab 2025 auf die Suche nach «sterilen» Neutrinos im keV-Massenbereich begeben soll, eine besondere Rolle. Solche sterilen Neutrinos wären Kandidaten für die mysteriöse Dunkle Materie, die sich schon in vielen astrophysikalischen und kosmologischen Beobachtungen manifestiert hat, deren teilchenphysikalische Natur aber noch immer unbekannt ist.
Quelle
M.A. nach KIT, Presseinformation 12/2022