nuclea’08: Mit Kernenergie für Klimaschutz, Wirtschaftswachstum und Innovation

Vertreter aus Wirtschaft, Wissenschaft und Politik haben sich am 6. November 2008 an der Industrietagung «nuclea'08» des Nuklearforums Schweiz für einen ausgewogenen Strommix aus erneuerbaren Energien und Kernenergie ausgesprochen.

8. Dez. 2008
Gerold Bührer eröffnete als erster Redner die Industrietagung des Nuklearforums in Baden.
Gerold Bührer eröffnete als erster Redner die Industrietagung des Nuklearforums in Baden.
Quelle: Nuklearforum Schweiz/Thai Christen

Zum zweiten Mal haben sich Fachleute zur «nuclea'08», der Industrietagung des Nuklearforums Schweiz, zusammengefunden. Sie fand im Kultur- und Kongresszentrum Trafo in Baden statt. «Genügend Energie für die Schweiz: Nur so funktioniert der Wirtschaftsmotor, und nur so lässt sich der Wohlstand auch weiterhin auf hohem Niveau halten», betonte Gerold Bührer, Präsident der economiesuisse, an der «nuclea'08». Die Schweiz benötige die richtige Kombination von erneuerbaren Energien, Energieeffizienz, Grosskraftwerken und Diversifizierung der Energieträger. Bührer erinnerte daran, dass sich der heutige schweizerische Produktionsmix beim Strom aus erneuerbarer Wasserkraft und Kernenergie vielfach bewährt habe: Er ist sicher, kostengünstig, klima- und umweltschonend. «Auf diesem Erfolg baut die Stromversorgung der Zukunft», sagte der Präsident des Verbands der Schweizer Unternehmen. Angesichts der drohenden Stromverknappung in Westeuropa müssten die Planungen für neue Kraftwerkskapazitäten entschlossen vorangetrieben werden.

Klares Bekenntnis der Landesregierung gefordert

In seiner Analyse kam auch der Architekt und Zürcher SVP-Nationalrat Hans Rutschmann zum Schluss, dass angesichts des steigenden Stromverbrauchs weltweit und in der Schweiz «nicht einzelne Lösungsansätze gegeneinander ausgespielt werden dürfen». Die Energiepolitik des Bundesrats - mit den vier Säulen Energieeffizienz, erneuerbare Energien, Grosskraftwerke und internationale Zusammenarbeit - sei in sich schlüssig. Die bisherige Umsetzung zeige jedoch, dass Energiepolitik für die Landesregierung in erster Linie Sparmassnahmen und Subventionen für erneuerbare Energien bedeute. Dem klaren Bekenntnis zur Kernenergie seien dagegen bisher keine Taten gefolgt. Rutschmann forderte mehr Elan bei der Umsetzung des gesamten Energiepakets, insbesondere beim Vorantreiben der demokratisch abgestützten Verfahren zur Bewilligung neuer Kernkraftwerke. «Heute scheint die Politik eher Teil des Problems als Teil der Lösung zu sein», lautete sein Fazit.

Schwerpunkt: Reduktion der Treibhausgase

Auch Prof. Ralph Eichler, Präsident der ETH Zürich, warnte vor einseitigem Denken: «Mit Slogans lässt sich das Klima- und Energieproblem nicht lösen.» Er zeigte sich jedoch überzeugt, dass gegen Ende dieses Jahrhunderts das von der ETH Zürich formulierte Ziel von einer Tonne CO2 pro Kopf der Weltbevölkerung erreichbar sei - «wenn wir alle Effizienzpotenziale ausschöpfen, die Energieversorgung weitgehend von CO2-Emissionen befreien und sich die Weltbevölkerung stabilisiert». Eichler betonte, dass der Fokus bei der Reduktion der Treibhausgasemissionen liegen müsse und nicht beim Energieverbrauch. Aber auch in einer CO2-armen Zukunft sei der Energiebedarf der Menschheit zu sichern. «Das Rückgrat des zukünftigen Energiesystems ist die Elektrizität», zeigte sich Eichler überzeugt. Nach seinen Darlegungen liegt der Schlüssel in der technischen Weiterentwicklung der erneuerbaren Energien und der Kernenergie. Beide seien nötig, um den künftigen Bedarf klimafreundlich zu decken. Zur Ressourcenlage bei der Kernenergie wies er darauf hin, dass die potenziell riesigen Uranvorräte der Erde genutzt werden können, ohne dass der Nuklearstrom zu teuer werde.

Nuklearforum Schweiz/Thai Christen
Nuklearforum Schweiz/Thai Christen
Quelle: Zu «nuclea'08» waren auch Studenten des neuen Studiengangs «Nuclear Engineering» eingeladen.

Erfolgsfaktoren und Herausforderungen

Nach der Mittagspause stellte Stefan Aeschimann, Verwaltungsrat bei der Kernkraftwerk Niederamt AG, fest: «Bundesrat und Branche sind sich einig: Die Schweiz steuert auf einen Stromengpass zu.» Um bis 2030 den Bedarf von 3200 MW an neu zu erstellender Bandenergie decken zu können, wollen die Atel, Axpo und BKW je ein Rahmenbewilligungsgesuch einreichen. Das müsse aber nicht zwingend den Bau von drei Kernkraftwerken bedeuten. Wichtig sei, dass die fehlende Leistung von Standorten bereitgestellt werden kann, die dafür am besten geeignet und am schnellsten bereit seien, so Aeschimann. Neben der Standortwahl, der Trägerschaft und dem Faktor Zeit hänge der Erfolg eines Kernkraftwerkprojekts auch von der Technik ab, weshalb Systeme eingesetzt werden sollen, die sich in der Praxis bewährt haben. «Darum planen wir alle den Bau eines Leichtwasserreaktors der dritten Generation in Kombination mit einem sogenannten Hybridkühlturm», führte Aeschimann weiter aus, der auch im Namen des Direktionspräsidenten der BKW FMB Energie AG, Kurt Rohrbach, sprach.

Die Herausforderungen aus der Sicht eines Ingenieurunternehmens trug Hans-Jürgen Kirchhof vor. Kirchhof ist Senior Projekt Manager im Bereich der Nukleartechnik bei der Colenco Power Engineering AG. Da vom ersten Gedanken bis zur Inbetriebnahme eines Kraftwerks 15 bis 20 Jahre vergehen könnten, sei ein lückenloser Know-how-Transfer von einer Generation zur nächsten von Bedeutung. Ferner werde nach Schätzungen der Internationalen Atomenergie-Organisation die installierte Kraftwerkskapazität besonders im Fernen Osten in den nächsten Jahren wachsen, stellte Kirchhof weiter fest. Es sei daher für ein global tätiges Unternehmen wichtig, die lokalen Gegebenheiten zu kennen: «Act global - think local», bemerkte Kirchhof dazu.

Zur Strommarktliberalisierung

Der Geschäftsführer der Gruppe Grosser Stromkunden, Walter Müller, richtete sein Augenmerk auf die Liberalisierung des Strommarktes. Dazu meinte er, dass «der freie Zugang zu den Übertragungs- und Verteilnetzen es ermöglicht, den Strom irgendwo im internationalen Verbundnetz zu produzieren und an einem ganz anderen Ort zu konsumieren.» Mit dem offenen Strommarkt sei also die Nähe des Konsumenten zu Orten des Energieaufkommens nicht mehr notwendig, sofern die Übertragungsnetze dies zuliessen. Laut Müller gibt es heute keinen Grund, weshalb der Bau neuer Kraftwerke der angestammten Stromwirtschaft allein überlassen werden soll. Damit sich die Industrieunternehmen langfristig einen relativ günstigen und vor allem voraussagbaren Strompreis sichern können, machte er folgenden Vorschlag: «Die Industrieunternehmen beteiligen sich im Umfang ihres Bedarfs an der Produktionskapazität und erhalten statt Dividenden Strom ab Kraftwerk zu Gestehungskosten - genau so, wie es die Partnerwerke der Elektrizitätswirtschaft tun.» Eine Volksabstimmung über den Bau eines neuen Kernkraftwerks hätte somit bessere Chancen, meinte Müller.

Meinungen und Visionen

Zum Abschluss der Tagung diskutierten Thomas Held, Direktor der Avenir Suisse, Bruno Stanek, Mathematiker und Technologieexperte, sowie Hans-Peter Fricker, CEO des WWF Schweiz, unter der Leitung von Marina Villa. Während dem knapp 40-minütigen Podiumsgespräch war das Engagement jedes Teilnehmers zu spüren. Auf die Frage von Frau Villa, wie man denn die Leute überzeugen kann, dem Bau eines neuen Kernkraftwerkes zuzustimmen, erwiderte Held: «Wichtig ist das Vertrauen, das die Leute in die Betreiber setzen.» Gemäss einer Studie, erinnerte er sich, habe die Aufklärung in Form technischer Informationen wenig Einfluss im Entscheidungsprozess. Zum Abschluss bat Villa die Gesprächsteilnehmer, einen Ausblick auf die zukünftige Energieversorgung zu geben. Fricker war der Meinung, dass ökonomische Anreize zur Förderung technischer Innovationen geschaffen werden müssen. Bis 2050 wird nach Stanek die Wasserstofftechnologie das Erdöl als Energiequelle ersetzt haben, da die Menschheit bis dann auf dem Mars sein werde, wo kein Öl zur Verfügung stehe. Held sieht eine Herausforderung im möglichen Streit um Ressourcen und hofft auf die Einsicht, dass die Schweiz in diesem Umfeld ihren Mix aus Wasser- und Kernkraft bewahren wird.

Thomas Held, Hans-Peter Fricker und Bruno Stanek während der Podiumsdiskussion
Thomas Held, Hans-Peter Fricker und Bruno Stanek während der Podiumsdiskussion
Quelle: Nuklearforum Schweiz/Thai Christen

Quelle

M.B.

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