nuclea'10: «Rahmenbedingungen für die Renaissance der Kernenergie»
Am 11. November 2010 hat im Kultur- und Kongresszentrum Trafo in Baden zum dritten Mal die Industrietagung des Nuklearforums Schweiz stattgefunden. Unter dem Thema «Rahmenbedingungen für die Renaissance der Kernenergie» diskutierten Vertreter aus Wirtschaft, Wissenschaft und Politik, unter welchen Umständen sich die Schweiz auf das Jahrhundertprojekt Kernkraftwerksneubau einlassen kann. Daneben stellten sich verschiedene Unternehmen der Nuklearbranche vor, fünf davon kurz und bündig in sogenannten Liftgesprächen. 30 Firmen informierten an Messeständen über ihre Produkte und Dienstleistungen. Die Industrietagung schloss mit einer Podiumsdiskussion.

Die Energiewende – die Abkehr von Erdöl und Erdgas – sei nur unter Einschluss der Kernenergie möglich, betonte Corina Eichenberger, Aargauer Nationalrätin und Präsidentin des Nuklearforums Schweiz, in ihrer Begrüssungsrede. «Diese grundlegende Erkenntnis hat der Bundesrat bereits 2007 in seine Energiestrategie aufgenommen, wo er ausdrücklich festhält, dass der Ersatz oder der Neubau von Kernkraftwerken notwendig ist», erklärte sie. Eichenberger erinnerte daran, dass Erneuerbare und Kernenergie sich zu einem optimalen Strommix ergänzen: «Gerade in der Schweiz wissen wir das am besten, denn wir produzieren ja diesen Strommix seit über 40 Jahren – zuverlässig, sauber und kostengünstig.»
Optimaler Strommix für Umwelt, Klima und Unabhängigkeit
Auch Manfred Thumann, CEO der Axpo AG, strich die Vorteile eines Strommix unter Einschluss der Kernenergie hervor: Abgesehen von den volkswirtschaftlichen Vorteilen erfülle er weitere gesamtgesellschaftliche Anforderungen. «Mit dem sanften Ausbau der Wasserkraft, dem Ersatz der Kernkraftwerke an den heutigen Standorten und der Nutzung der heimischen neuen erneuerbaren Energieressourcen kann eine CO2-arme und sichere Stromversorgung auch in Zukunft gesichert werden», erklärte Thumann. Die erneuerbaren Energien seien wichtig, nicht weil sie klimatechnisch oder gar kostenmässig besser wären, sondern weil sie ein Stück Autarkie in der Energieversorgung bedeuteten. Dabei gelte es, den für die Schweiz optimalen Strommix nicht aus den Augen zu verlieren: «Verantwortung für die Zukunft zu übernehmen heisst, sich heute für die Technologie zu entscheiden, die für eine CO2-arme Zukunft erprobt zur Verfügung steht: die Kernenergie», stellte Thumann fest.
Vorteil im internationalen Standortwettbewerb
«Eine günstige und zuverlässige Stromversorgung ist im internationalen Wettbewerb ein wichtiger Standortfaktor und muss jederzeit und zwingend gewährleistet sein», mahnte Andreas Koopmann, Präsident des Energietechnikunternehmens Alstom (Schweiz) AG und Vizepräsident der Swissmem, des Verbands der Maschinen-, Elektro- und Metall-Industrie. Er forderte, dass auch in Zukunft in der Schweiz mindestens so viel Strom produziert wird, wie das Land verbraucht. Und das heisse: «Die bestehenden Kernkraftwerke sind zu ersetzen, um der breiten Anwendung erneuerbarer Energien ein Chance zu geben.»
Vorteile für das heimische Gewerbe
Auch der Gewerbeverband setze sich für den Verbund von Energieeffizienz, erneuerbaren Energien und Kernenergie ein, erklärte Hans-Ulrich Bigler, Direktor des Schweizerischen Gewerbeverbands. «Das Fazit ist einfach», sagte Bigler mit Blick auf die Kernenergie. «Erstens haben Kernkraftwerke ein hohes Wertschöpfungspotenzial für das Gewerbe in der Schweiz. Zweitens schaffen sie wichtige Arbeitsplätze. Drittens tragen sie wesentlich zu einer sicheren Stromversorgung bei und viertens erlauben sie möglichst tiefe Strompreise.»
Nachhaltige Wertschöpfung in der Schweiz
Bigler unterstrich, dass der Bau und Betrieb von Kernkraftwerken zu einer nachhaltigen Wertschöpfung in Milliardenhöhe in der Schweiz führe, da sie durch Investitionen in eine wettbewerbsfähige Technik ausgelöst werden. Koopmann schätzte die inländische Wertschöpfung durch den Bau eines grossen Kernkraftwerks auf 500 Mio. im Jahr während der Bauzeit und auf über 500 Mio. pro Jahr während der Betriebszeit.
Die Sicht eines Kernkraftwerk-Projektanten vertrat Stefan Aeschimann, Leiter Corporate Public Affairs der Alpiq Holding AG. Damit überhaupt gebaut werden könne, müssten Politik und Behörden die dazu nötigen Rahmenbedingungen schaffen. Dazu gehöre, dass die Verfahren für neue Kernkraftwerke und Tiefenlager von Seiten der Politik konsequent angewendet werden. Zudem forderte er finanzielle Spielräume sowie eine massvolle Besteuerung und Abgabenbelastung der Energieunternehmen, damit sie die erforderlichen Investitionen tätigen k önnten.
Tobias Zieger, Leiter Engineering Nuclear Division der CCI AG, stellte sich als hiesiger Zulieferer vor. Als Denkanstoss gab er der Branche mit, dass die Verwendung neuer Technologien zwar mit höheren Investitionen verbunden sei, aber langfristig gesehen zu tieferen Instandhaltungskosten führe.

Demokratisch legitimiert
Nach der Mittagspause erläuterte Werner Bühlmann vom Bundesamt für Energie die rechtlichen Grundlagen der Kernenergie. Er erinnerte daran, dass die Schweizer Bevölkerung zwischen 1976 und 2003 über sieben Volksinitiativen zum Ausstieg aus der Kernenergie oder zur Einschränkung der Nutzung der Kernenergie abgestimmt und – mit Ausnahme des 1990 angenommenen 10-jährigen Moratoriums – alle Initiativen abgelehnt habe. «Die Nutzung der Kernenergie ist damit in der Schweiz demokratisch legitimiert wie in keinem anderen Land», stellte er fest.
Nationalrat Christian Wasserfallen stellte sich klar hinter die Energiepolitik des Bundesrats, die sich auf die vier Säulen Energieeffizienz, erneuerbare Energien, Grosskraftwerke und Energieaussenpolitik abstützt. Er bezeichnete sie als «Dreamteam, das Unabhängigkeit und Versorgungssicherheit garantiert». Wasserfallen plädierte für den Ersatz der bestehenden Kernkraftwerke in der Schweiz. «Um unseren wachsenden Energiebedarf zu decken und den schlimmsten Folgen des Klimawandels vorzubeugen, müssen wir unser Angebot an Nuklearenergie vergrössern; so einfach ist das», zitierte er den amerikanischen Präsidenten Barack Obama, dem er voll beipflichtete.
Die Kernenergie als Anlagechance
In seiner Betrachtung zur Bedeutung der Kernenergiebranche in den Wirtschaftsmedien kam Hans Peter Arnold, Wirtschaftsredaktor des Magazin Stocks, zum Schluss, dass der Grundton in den meinungsbildenden Kommentaren und Analysen überwiegend positiv sei. Die Kernenergie werde als Notwendigkeit und als Anlagechance dargestellt, erklärte er. Das gelte speziell für Schweizer Wirtschaftsmedien, dürfte jedoch auch für internationale Leitmedien wie beispielsweise das «Wall Street Journal» oder die «Financial Times» zutreffen.
Zum Kernenergie-Renaissance in Grossbritannien
John McNamara, Leiter Public & Media Relations der britischen Nuclear Industry Association (NIA) veranschaulichte den Stimmungswandel in Grossbritannien. Noch vor wenigen Jahren sei die Kernenergie im politischen und gesellschaftlichen Abseits gestanden. Steigende Ölpreise und die Debatte um den Klimawandel hätten der Kernenergie jedoch zu einer Renaissance verholfen. Ab 2004 leitete der damalige Premierminister Tony Blair einen Kurswechsel in Sachen Kernenergie ein. Als der kernenergiekritische «Independent» im Mai 2006 auf der Titelseite ein Interview mit dem Titel «Only nuclear power can now halt global warming» herausbrachte, sei dies ein Zeichen für den Umschwung zugunsten der Kernenergie gewesen. Seither zeigten auch Meinungsumfragen eine steigende Zustimmung zur Nutzung der Kernenergie.

Quelle
M.A.